Behandelter Abschnitt 2. Mose 16,13-34
Ein Gomer Manna als Erinnerung
Die Kinder Israel sollten in dem Land, das von Milch und Honig floss, nie vergessen, was während ihres vierzigjährigen Aufenthalts in der Wüste zu ihrem Unterhalt gedient hatte. „Dies ist das Wort, das der Herr geboten hat: Ein Gomer voll davon sei zur Aufbewahrung für eure Geschlechter, damit sie das Brot sehen, womit ich euch in der Wüste gespeist habe, als ich euch aus dem Land Ägypten herausführte. Und Mose sprach zu Aaron: Nimm einen Krug und tue Man hinein, einen Gomer voll, und lege es vor dem Herrn nieder zur Aufbewahrung für eure Geschlechter. So wie der Herr Mose geboten hatte, legte Aaron es vor das Zeugnis nieder, zur Aufbewahrung“ (V. 32 bis 34). Das war eine wichtige Erinnerung an die Treue Gottes. Er ließ sie nicht an Hunger sterben, wie es ihre Torheit und ihr Unglaube angenommen hatten. Er gab ihnen Brot vom Himmel, nährte sie mit dem Brot der Starken, wachte über sie wie ein Vater, handelte in Langmut und Geduld mit ihnen und trug sie auf Adlers Flügeln (Kap. 19,4); und wären sie auf dem Boden der Gnade geblieben, dann hätte Er ihnen zum ewigen Besitz gegeben, was Er ihren Vätern verheißen hatte.
Der mit Manna gefüllte Krug, der einen Gomer als täglichen Speisebedarf für eine Person enthielt und vor den Herrn hingestellt wurde, ist daher ein lehrreiches Bild für uns. Es gab keinen Wurm oder irgendetwas anderes in diesem Krug, was Fäulnis hätte bewirken können. Er bezeugte für alle Zeiten die Treue Gottes in der Fürsorge für die, die Er aus der Hand des Feindes befreit hatte.
Die Wahrheit aufnehmen und in die Praxis umsetzen
Ganz anders war es, wenn der Mensch das Manna für sich selbst aufhäufte. Dann erschienen bald die Zeichen der Fäulnis. Wir können niemals einen Vorrat sammeln. Es ist unser Vorrecht, uns Tag für Tag von Christus zu nähren als dem, der vom Himmel herabkam, um der Welt das Leben zu geben. Wollte aber jemand dies vergessen und sich für den folgenden Tag einen Vorrat sammeln, d. h. eine Wahrheit, die sein augenblickliches Bedürfnis übersteigt, für spätere Zeiten aufbewahren, anstatt sie zur Förderung seiner Kräfte zu verwerten, so würde sie sicher dem Verderben anheimfallen. Das ist eine heilsame Unterweisung.
Die Wahrheit kennenlernen ist eine sehr ernste Sache; denn jeder Grundsatz, den wir gelernt zu haben bekennen, legt uns die Verpflichtung auf, ihn auch praktisch zu verwirklichen. Gott will keine Theoretiker. Man zittert oft, wenn man Gläubige, sei es in ihren Gebeten oder bei anderen Gelegenheiten, erhabene Bekenntnisse ablegen und Worte der tiefsten Hingebung aussprechen hört, da man fürchten muss, dass sie, wenn die Stunde der Prüfung kommt, nicht die nötige geistliche Kraft besitzen, um das, was ihre Lippen ausgesprochen haben, zur Ausführung zu bringen.
Es besteht immer eine große Gefahr, dass der Verstand das Gewissen und die Zuneigungen überholt. Daher kommt es auch, dass viele anfangs bis zu einem gewissen Punkt große Fortschritte zu machen scheinen, dann aber plötzlich stehen bleiben und zurückgehen. Sie gleichen dem Israeliten, der mehr Manna sammelte, als er zur Nahrung für einen Tag brauchte. Er legte scheinbar einen weit größeren Fleiß an den Tag als alle anderen; aber doch war jedes Korn, das er über seinen täglichen Bedarf hinaus gesammelt hatte, nicht nur nutzlos, sondern es brachte Würmer hervor. So verhält es sich auch mit dem Christen. Er muss von dem, was er empfängt, Gebrauch machen. Er muss ein echtes Verlangen haben, sich von Christus zu nähren, und dieses Verlangen wird gerade durch einen tätigen Dienst bewirkt. Um den Charakter und die Wege Gottes, die Schönheit Christi und die lebendigen Tiefen des Wortes kennen zu lernen, sind Glaube und echtes Verlangen notwendig. Nur wenn wir von dem Empfangenen Gebrauch machen, wird uns mehr gegeben.
Der Weg des Gläubigen muss ein praktischer sein; und gerade hieran scheitern so viele. Es kommt oft vor, dass diejenigen, die in der Theorie am schnellsten vorwärtskommen, in der Praxis und in der Erfahrung die Trägsten sind, weil bei ihnen das Christentum mehr eine Sache des Verstandes als des Gewissens und Herzens ist. Wir sollten aber nie vergessen, dass das Christentum nicht aus einer Sammlung von Meinungen und Dogmen besteht, dass es nicht ein Lehrsystem ist, sondern eine lebendige Wirklichkeit, eine persönliche, praktische, mächtige Sache, die sich in allen Ereignissen und Umständen des täglichen Lebens offenbart. Es übt einen heilsamen Einfluss auf den Charakter und den Wandel und auf alle Beziehungen aus, in die Gott uns stellt. Zusammenfassend gesagt: Es ist das Ergebnis unserer Vereinigung und Beschäftigung mit Christus. Das ist Christentum. Man kann richtige Begriffe verwenden, klare Anschauungen und gesunde Grundsätze vertreten, ohne irgendwelche Gemeinschaft mit Jesus zu haben; aber ein orthodoxes Glaubensbekenntnis ohne Christus wird sich immer als eine kalte und tote Sache erweisen.
Wir müssen sorgfältig darauf achten, dass wir nicht allein durch Christus errettet sind, sondern auch von ihm leben, indem wir ihn zu unserer täglichen Speise machen! Wir müssen ihn „früh“ suchen und nur ihn allein suchen! Wenn irgendetwas unsere Aufmerksamkeit fesseln will, so sollten wir uns fragen: „Wird Christus dadurch meinem Herzen nahe gebracht?“, oder: „Wird mir dadurch seine Liebe größer und mein Herz enger mit ihm verbunden?“ Wenn diese Fragen zu verneinen sind, so sollte jene Sache ohne Zögern verworfen werden, wenn sie auch noch so erstrebenswert und notwendig erscheint. Wenn es wirklich unser Wunsch ist, im göttlichen Leben Fortschritte zu machen und persönliche Gemeinschaft mit Christus zu pflegen, dann müssen wir hingehen, das auf den Tau fallende Manna sammeln und es essen. Und je wachsamer unser Wandel mit Gott durch die Wüste ist, umso größer wird unser Hunger nach diesem Manna sein.6
6 Es wird von Nutzen sein, bezüglich des Mannas einen Blick auf das 6. Kapitel des Johannesevangeliums zu richten. Das Passah war nahe; Jesus speist die Menge und zieht sich dann auf einen Berg zurück, um dort allein zu sein. Von da kehrt Er zurück, um den Kindern Gottes zu helfen, die auf den unruhigen Wogen des Meeres umhergeschleudert werden und sich in großer Not befinden. Darauf enthüllt Er die Lehre von seiner Person und seinem Werk und erklärt, wie Er sein Fleisch für das Leben der Welt geben werde, und dass niemand das Leben haben kann, der nicht sein Fleisch isst und sein Blut trinkt. Schließlich redet Er von sich als dem Sohn des Menschen, der dahin auffahren werde, wo Er zuvor gewesen war, sowie von der belebenden Kraft des Heiligen Geistes.↩︎