Behandelter Abschnitt 2. Mose 14,13-22
Seht die Rettung des Herrn
„Und Mose sprach zu dem Volk: Fürchtet euch nicht! Steht und seht die Rettung des Herrn, die er euch heute verschaffen wird; denn die Ägypter, die ihr heute seht, die werdet ihr fortan nicht mehr sehen in Ewigkeit. Der Herr wird für euch kämpfen, und ihr werdet still sein“ (V. 13.14). „Still sein“, das ist das Erste, was der Glaube angesichts einer Prüfung bewirkt. Für Fleisch und Blut ist das unmöglich. Wer die Ruhelosigkeit des menschlichen Herzens vor Trübsalen und Schwierigkeiten kennt, wird sich in etwa eine Vorstellung davon machen können, was alles in diesem „Stillsein“ eingeschlossen ist. Der natürliche Mensch muss etwas tun. Er läuft hierhin und dorthin und möchte gern in irgendeiner Weise selbst Hand anlegen. Und wenn er auch versucht, sein wertloses Tun zu rechtfertigen, indem er es als „legitimes Anwenden vorhandener Mittel“ bezeichnet, so ist es im Grund noch nichts anderes, als eine Frucht des Unglaubens, der Gott ausklammert und nur die dunklen Wolken sieht, die er selbst geschaffen hat. Denn der Unglaube schafft Schwierigkeiten oder vergrößert sie; und dann treibt er uns an, sie durch unsere eigene unruhige und fruchtlose Tätigkeit zu beseitigen, die uns in Wirklichkeit nur daran hindert, das Heil Gottes zu sehen.
Der Glaube dagegen erhebt uns über die Schwierigkeiten und befähigt uns, ruhig zu sein und auf Gott zu sehen. Wir erreichen nichts durch unsere eigenen ängstlichen Anstrengungen. Wir vermögen nicht ein Haar weiß oder schwarz zu machen, noch unserer Größe eine Elle zuzufügen (Mt 5,36; 6,27). Was konnten die Kinder Israel am Roten Meer tun? Sie konnten weder seine Fluten austrocknen noch die Berge ebnen noch die Kriegsheere Ägyptens vernichten. Sie standen da, umschlossen von einer Mauer von Schwierigkeiten, angesichts derer ihre Ohnmacht offenbar wurde. Aber genau das war für Gott der Augenblick zum Handeln.
Still sein
Wenn der Unglaube beseitigt ist, tritt Gott auf den Plan und um zu einer richtigen Einsicht in seine Handlungen zu gelangen, müssen wir „still sein“. Jede Regung unserer Natur hindert uns, die Rettung Gottes wahrzunehmen und zu genießen.
Das zeigt sich bei uns auf jeder Stufe unseres Glaubenslebens. Es beginnt, wenn wir die Last unserer Sünden fühlen und versucht sind, zu eigener Anstrengung Zuflucht zu nehmen, um so zur Ruhe zu gelangen. Es bleibt uns dann tatsächlich nichts anderes übrig, als „still zu sein“, um die „Rettung des Herrn zu sehen“. Denn was könnten wir tun, um die Sünde zu sühnen? Hätten wir mit ihm hinabsteigen können in die „Grube des Verderbens“ und in den „kotigen Schlamm?“ (Ps 40,3). Hätten wir von uns aus einen Weg zur Auferstehung finden können? Ein solcher Gedanke wäre eine Gotteslästerung. Gott allein kann erlösen; und uns bleibt nichts anderes übrig, als still zu sein und die Rettung des Herrn zu sehen. Schon die Tatsache, dass es die Rettung des Herrn ist, beweist, dass der Mensch nichts dabei zu tun hat.
Das gilt aber auch für uns von dem Augenblick an, da wir unsere christliche Laufbahn begonnen haben. Bei jeder neuen Schwierigkeit zeigt sich unsere Weisheit, wenn wir still sind, auf eigene Werke verzichten und unsere Ruhe bei Gott suchen. Auch können wir keinen Unterschied in den Schwierigkeiten machen, indem wir meinen, leichtere Versuchungen selbst bewältigen zu können, während aus anderen nur Gott uns retten könne. Alle Schwierigkeiten übersteigen unsere Kräfte. Wir sind ebenso wenig fähig, die Farbe eines Haares zu verändern, wie einen Berg zu versetzen, wir können weder einen Grashalm produzieren noch eine Welt erschaffen. Alles ist für uns gleich, und alles ist gleich für Gott. Wir sollen uns nur in lebendigem Glauben dem anvertrauen, „der sich herabneigt, um auf die Himmel und auf die Erde zu schauen“ (Ps 113,6).
Wir erfahren oft, dass wir im Triumph durch schwere Trübsale geführt werden, während wir zu anderen Zeiten unter harmlosen Versuchungen versagen. Woher kommt das? Wir waren im ersten Fall gezwungen, unsere Sorge auf den Herrn zu werfen, während wir im letzteren in überheblicher Weise selbst mit ihr fertig zu werden versuchten.
Der Herr wird für euch kämpfen
„Der Herr wird für euch kämpfen, und ihr werdet still sein“ (V. 14). Welch eine tröstliche Zusicherung! Sie kann angesichts der größten Schwierigkeiten und Gefahren unseren Geist beruhigen. Der Herr stellt sich nicht nur zwischen uns und unsere Sünden, sondern auch zwischen uns und unsere Probleme. Durch Ersteres gibt Er uns den Frieden des Gewissens, durch Letzteres den Frieden des Herzens. Dass diese beiden Dinge völlig verschieden sind, weiß jeder erfahrene Christ. Viele Gläubige besitzen Frieden des Gewissens, ohne Frieden des Herzens zu haben. Aus Gnade und durch Glauben haben sie erkannt, wie Christus in der Wirksamkeit seines Blutes zwischen sie und ihre Sünden getreten ist; aber sie sind nicht fähig, mit derselben Einfalt ihn in seiner Weisheit, Liebe und Macht zwischen sich und ihren Problemen zu erblicken.
Dieser Mangel hat weitgehende Folgen für das praktische Leben, aber auch für das Zeugnis eines Christen. Denn kaum etwas trägt so sehr zur Verherrlichung des Namens unseres Herrn Jesus bei wie die tiefe Ruhe, die dem Bewusstsein entspringt, dass sich Jesus zwischen uns und allem befindet, was unsere Herzen beunruhigen könnte. „Den festen Sinn bewahrst du in Frieden, in Frieden; denn er vertraut auf dich“ (Jes 26,3).
Aber sollen wir selbst gar nichts tun? Können wir denn überhaupt etwas tun? Jeder, der sich selbst wirklich kennt, wird antworten: nichts. Wenn wir aber nichts tun können, ist es dann nicht am besten, „still zu sein“? Wenn der Herr für uns wirkt, ist es dann nicht weise, wenn wir uns zurückhalten? Wollen wir durch unsere Geschäftigkeit ihm zuvorkommen? Wollen wir ihm in den Weg treten? Es ist unnütz, dass zwei handeln, wo einer vollkommen fähig ist, alles zu tun. Wem würde es einfallen, eine Kerze zu holen, um das Licht der Sonne zu verstärken?
Der Aufbruch
Wenn aber Gott in seiner großen Barmherzigkeit einen Weg öffnet, darf der Gläubige ihn ohne Zögern betreten. Er verzichtet dann auf einen menschlichen Weg, um auf dem Weg Gottes zu gehen. „Und der Herr sprach zu Mose: Was schreist du zu mir? Rede zu den Kindern Israel, dass sie aufbrechen“ (V. 15). Nur wenn wir gelernt haben, still zu sein, sind wir wirklich fähig, aufzubrechen und vorwärts zu gehen; wenn wir das eine tun wollen, ohne das andere gelernt zu haben, wird es nur dazu dienen, unsere Torheit und Schwachheit offenbar zu machen. Lasst uns daher in jeder Schwierigkeit auf Gott allein warten; Er wird uns bestimmt einen Weg zeigen, und wir können dann mit friedlichem und glücklichem Herzen diesen Weg gehen. Es gibt keine Unsicherheit, wenn Gott uns einen Weg bahnt. Jederselbstgewählte Weg aber wird sich immer als ein Weg des Zweifels und der Unschlüssigkeit erweisen.
Der nicht wiedergeborene Mensch mag mit großer Festigkeit und Entschiedenheit seinen eigenen Weg verfolgen; aber eins der wesentlichen Elemente der neuen Schöpfung ist das Misstrauen gegen sich selbst, verbunden mit dem Vertrauen auf Gott. Nur wenn wir die Rettung Gottes gesehen haben, können wir darin wandeln; aber wir werden sie niemals deutlich erkennen, bevor wir nicht von der Nutzlosigkeit unserer eigenen Anstrengungen überzeugt worden sind.
Wie eindrucksvoll sind die Worte: „Seht die Rettung des Herrn!“ Schon die Tatsache, dass wir berufen sind, die Rettung Gottes zu sehen, beweist ihre Vollkommenheit. Sie zeigt uns, dass das Heil Gottes ein Werk ist, das Er selbst gewirkt und offenbart hat, damit wir es sehen und genießen können. Dieses Heil ist nicht zum Teil ein Werk Gottes und zum Teil ein Werk des Menschen; dann könnte es nicht das Heil Gottes genannt werden (vgl. Lk 3,6; Apg 28,28).
Das Heil Gottes trägt nichts Menschliches an sich. Menschliche Werke können nur den Blick für das Heil Gottes verdunkeln. „Rede zu den Kindern Israel, dass sie aufbrechen“. Mose selbst scheint zu einem Stillstand gekommen zu sein, denn der Herr fragt ihn „Was schreist du zu mir?“ Mose konnte dem Volk sagen: „Steht und seht die Rettung des Herrn!“ während er selbst noch ziemlich beunruhigt war. Es ist aber nutzlos zu schreien, wenn wir eigentlich handeln sollen, und zu handeln, wenn wir warten sollen. Und doch ist es oft so bei uns; wir versuchen aufzubrechen, wenn wir Stillstehen sollten, und wir stehen still, wenn wir aufbrechen sollten. In den Herzen der Israeliten hätte wohl die Frage entstehen können: „Wohin sollen wir gehen?“ Als eine unüberwindliche Schwierigkeit lag das Meer vor ihnen.
In eigener Kraft konnten sie dieses Problem nicht lösen; aber wir können sicher sein, dass Gott uns nie etwas gebietet, ohne uns die Kraft zum Gehorchen zu geben. Unser praktischer Zustand mag durch das Gebot auf die Probe gestellt werden; aber wenn wir durch die Gnade bereit sind zu gehorchen, empfangen wir dazu auch die Kraft von oben. Als Christus dem Menschen mit der verdorrten Hand gebot, sie auszustrecken, hätte dieser natürlich fragen können: „Wie kann ich eine Hand ausstrecken, die tot ist?“ Er stellte aber keine Fragen, denn aus derselben Quelle kamen sowohl das Gebot als auch die Kraft zum Gehorchen (vgl. Lk 6,6-10).
Gott ebnet den Weg des Glaubens
Ebenso war es mit Israel. Mit dem Gebot, aufzubrechen, bereitete Gott auch den Weg dazu. „Und du, erhebe deinen Stab und strecke deine Hand aus über das Meer und spalte es, dass die Kinder Israel mitten in das Meer hineingehen auf dem Trockenen“ (V. 16). Das war der Weg des Glaubens. Der Herr ebnet uns den Weg, um den ersten Schritt zu tun; und das ist alles, was der Glaube verlangt. Gott gibt nie Anweisung für zwei Schritte auf ein Mal. Ich muss einen Schritt tun, und dann empfange ich Licht für den zweiten. Dadurch bleibe ich dann in ständiger Abhängigkeit von Gott. „Durch Glauben gingen sie durch das Rote Meer wie durch trockenes Land“ (Heb 11,29). Das war der Weg, den die Erlösten des Herrn unter seiner Leitung gingen. Sie durchschritten die Wasser des Todes und machten die Entdeckung, dass gerade diese Wasser ihnen eine Mauer waren zur Rechten und zur Linken (V. 22).
Auf einem solchen Weg konnten die Ägypter nicht folgen. Sie versuchten es zwar, weil sie nach dem Sichtbaren urteilten; bei ihnen war es Sehen und nicht Glauben. „. . . was die Ägypter versuchten und verschlungen wurden“ (Heb 11,29). Ein Mensch wird nie Erfolg haben, wenn er im Unglauben etwas zu tun versucht, was nur im Glauben getan werden kann. Der Weg, auf den Gott sein Volk führt, kann in eigener Kraft nicht betreten werden. Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben (1Kor 15,50); ebenso wenig können sie in den Wegen Gottes wandeln.
Der Glaube ist der alles entscheidende Grundsatz des Reiches Gottes; und er allein macht uns fähig, Nachfolger Christi zu sein. Und Hebräer 11,6 sagt uns, dass es ohne Glauben unmöglich ist, Gott wohlzugefallen. Wir verherrlichen ihn besonders dann, wenn wir ihm ohne Einwände oder Rückfragen folgen; denn das ist der Beweis, dass wir ihm mehr vertrauen als uns selbst. Wenn ich weiß, dass Gott für mich besorgt ist, so kann ich selbst unbesorgt sein und in Ruhe und Sicherheit vorangehen. Im menschlichen Bereich wissen wir, dass, wenn ein Wachthabender auf seinem Posten steht, andere ruhig schlafen können. Wie viel mehr können wir in vollkommener Sicherheit ruhen, da wir wissen, dass Er, der „nicht schlummert und nicht schläft“ (Ps 121,4), sein Auge auf uns gerichtet hat!