Behandelter Abschnitt 1. Mose 25,21-26
Jakob und Esau
Wahl der Gnade
Die Kapitel 27-35 teilen uns die Geschichte Jakobs mit, jedenfalls die besonderen Begebenheiten aus seinem Leben. Der Geist Gottes gibt uns darin eine gründliche Lektion über die Ratschlüsse der unendlichen Gnade Gottes und die Unfähigkeit und Verdorbenheit der menschlichen Natur.
In Kapitel 25 habe ich absichtlich eine Stelle überschlagen, um hier darauf zurückzukommen, damit wir die Mitteilungen Gottes über Jakob vollständig und im Zusammenhang vor uns haben. Wir lesen dort in den Versen 21-23: „Und Isaak bat den Herrn für seine Frau, denn sie war unfruchtbar; und der Herr ließ sich von ihm erbitten, und Rebekka, seine Frau, wurde schwanger. Und die Kinder stießen sich in ihr; und sie sprach: Wenn es so steht, warum geschieht mir dies? Und sie ging hin, um den Herrn zu befragen. Und der Herr sprach zu ihr: Zwei Nationen sind in deinem Leib, und zwei Völkerschaften werden sich scheiden aus deinem Innern; und eine Völkerschaft wird stärker sein als die andere, und der Ältere wird dem Jüngeren dienen“.
Im Propheten Maleachi wird auf diese Stelle Bezug genommen mit den Worten: „Ich habe euch geliebt, spricht der Herr; aber ihr sprecht: ‚Worin hast du uns geliebt? War nicht Esau der Bruder Jakobs?, spricht der Herr. Und ich habe Jakob geliebt; Esau aber habe ich gehasst“ (Mal 1,2.3). Eine zweite Anspielung darauf finden wir in Röm 9,11-13, wo wir lesen: „Selbst als die Kinder noch nicht geboren waren und weder Gutes noch Böses getan hatten (damit der Vorsatz Gottes nach Auswahl bleibe, nicht aus Werken, sondern aus dem Berufenden), wurde zu ihr gesagt: ‚Der Größere wird dem Kleineren dienen‘; wie geschrieben steht: ‚Den Jakob habe ich geliebt, aber den Esau habe ich gehasst‘“.
Wir sehen hier deutlich den ewigen Ratschluss Gottes bezüglich der Gnadenwahl. Der Ausdruck „Gnadenwahl“ ist von großer Tragweite. Er weist jede menschliche Anmaßung zurück und unterstreicht das Recht Gottes, zu handeln, wie Er will. Das ist äußerst wichtig. Das Geschöpf kann nicht wirklich glücklich sein, solange es nicht sein Haupt vor unumschränkter Gnade beugt. Das geziemt dem Menschen, weil er ein Sünder ist und somit kein Recht hat, zu handeln oder Gott etwas vorzuschreiben. Sich auf diesem Boden zu befinden ist deshalb von so großem Wert, weil es sich dann nicht mehr um die Frage handelt, was wir verdienen, sondern darum, was Gott gefällt, uns zu geben.
Der verlorene Sohn konnte wünschen, ein Tagelöhner zu werden, aber wenn es sich um Verdienst handelt, war er nicht einmal würdig, den Platz eines Tagelöhners einzunehmen. Daher blieb ihm nichts anders übrig, als das anzunehmen, was der Vater ihm zu geben für gut fand, und der Vater gab ihm den hohen Platz der Gemeinschaft mit sich selbst. So muss es stets sein. Die Gnade wird das ganze Werk Gottes krönen bis in alle Ewigkeit. Welch ein Glück für uns! Indem wir vorangehen und von Tag zu Tag mehr entdecken, was wir sind, haben wir die unerschütterliche Grundlage der Gnade nötig. Der Ruin des Menschen ist hoffnungslos, und daher muss die Gnade unendlich sein, und unendlich ist sie, indem Gott selbst ihre Quelle, Christus ihr Kanal und der Heilige Geist die Kraft ihrer Anwendung ist. Die Dreieinheit hat sich offenbart in Verbindung mit der Gnade, die einen armen Sünder rettet. „Die Gnade herrsche durch Gerechtigkeit zum ewigen Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn“ (Röm 5,21). Nur in der Erlösung konnte diese Herrschaft der Gnade gesehen werden. In der Schöpfung können wir die Herrschaft der Macht und Weisheit, in der Vorsehung die der Güte und Langmut sehen, aber nur in der Erlösung sehen wir die Gnade herrschen, und zwar auf dem Grundsatz der Gerechtigkeit.
In der Person Jakobs begegnen wir einer treffenden Darstellung der Macht dieser Gnade Gottes, und zwar deshalb, weil er uns ein Beispiel der Macht der menschlichen Natur vor Augen stellt. In ihm sehen wir die Natur in ihrer ganzen Schlechtigkeit, und deshalb zeigt sich die Gnade in ihrer ganzen Schönheit und Kraft. Bereits vor und bei seiner Geburt und während seines ganzen Lebens zeigte sich eine außergewöhnliche Energie der Natur. Wir lesen: „Die Kinder stießen sich in ihr“, und: „seine Hand hielt die Ferse Esaus“ (Kap. 25,22.26), und nach seiner Geburt sehen wir auf seinem ganzen Weg bis zum Wendepunkt seiner Geschichte in Kapitel 32 ohne eine Ausnahme die Offenbarung einer alles andere als liebenswürdigen Natur. Alles dient, wie ein dunkler Hintergrund, nur dazu, die Gnade dessen hervorstrahlen zu lassen, der sich herabließ, den Namen „der Gott Jakobs“ anzunehmen, einen Namen, der der rührende Ausdruck einer freien, bedingungslosen Gnade ist.