Behandelter Abschnitt 1. Mose 12,10-16
Hungersnot - Aufenthalt in Ägypten
Doch Gott antwortet dem Glauben nicht nur, Er prüft ihn auch. Man darf sich nicht einbilden, dass der Mann des Glaubens, nachdem er sein Schiff vom Ufer der Umstände abgestoßen hat, immer stilles Fahrwasser findet. Vielmehr muss er immer wieder rauer See und sturmbringenden Wolken begegnen. Aber alles ist von Gott gnädig vorgesehen, um in ihm eine tiefe und gereifte Erfahrung zu bewirken über das, was Gott für ein Herz ist, das ihm vertraut. Wäre der Himmel stets wolkenlos und das Meer stets glatt, so würde der Gläubige den Gott, mit dem er es zu tun hat, sicher nicht so gut kennenlernen, denn wir wissen, wie leicht das Herz den äußeren Frieden mit dem Frieden Gottes verwechselt. Wenn uns alles nach Wunsch geht, wenn unser Geschäft blüht, wenn unsere Kinder prächtig heranwachsen, wenn unsere Wohnung gemütlich ist und unsere Gesundheit nichts zu wünschen übrig lässt, wie sehr sind wir dann geneigt, den Frieden, der sich auf solche Umstände gründet, mit dem Frieden zu verwechseln, der in der Gegenwart Christi gefunden wird! Der Herr weiß das, und wenn wir statt in ihm in den Umständen ruhen, so erschüttert Er in irgendeiner Weise unsere falschen Stützen.
Auch beurteilen wir so leicht die Richtigkeit eines Weges nach dem Fehlen oder Vorhandensein von Prüfungen. Auch das ist ein großer Fehler. Der Pfad des Gehorsams bringt oft die meisten Versuchungen mit sich. Abraham wurde nicht nur berufen, in dem Land, in das Gott ihn geführt hatte, den Kanaanitern zu begegnen, sondern es war auch eine „Hungersnot im Land“ (V. 10). Hätte er etwa daraus schließen sollen, dass er nicht am rechten Platz war? Sicher nicht, denn dann hätte er danach geurteilt, was seine Augen sahen, und das tut der Glaube niemals. Es war ohne Zweifel eine schwere Probe für sein Herz, eine unbegreifliche Sache für seine Natur, aber für den Glauben war alles einfach und leicht.
Als Paulus nach Macedonien berufen wurde, war das Gefängnis zu Philippi beinahe das Erste, was ihm begegnete. Ein Herz, das nicht in Gemeinschaft mit Gott ist, hätte in dieser Prüfung den Todesstoß für die ganze Sendung gesehen. Aber Paulus bezweifelte keinen Augenblick, dass er auf dem richtigen Weg war, und er war fähig, im Gefängnis „Loblieder zu singen“, in der vollen Gewissheit, dass alles so war, wie es sein musste. Und er hatte Recht, denn in dem Gefängnis zu Philippi befand sich ein Gegenstand der Erbarmungen Gottes, jemand, der menschlich gesprochen niemals das Evangelium hätte hören können, wenn der Prediger nicht gerade dort eingesperrt worden wäre, wo er sich befand. Gegen seinen Willen diente der Teufel als Werkzeug um das Evangelium einem Auserwählten Gottes nahe zu bringen (Apg 16,19-34).
Nun hätte Abraham in der Hungersnot ebenso denken sollen, wie Paulus im Gefängnis. Er befand sich an dem Ort, an den Gott ihn gestellt hatte, und er empfing keinen Befehl, diesen Ort zu verlassen. Freilich war die Hungersnot nicht zu leugnen. Außerdem war Ägypten nahe und bot ihm Befreiung von jedem Druck. Doch der Weg des Dieners Gottes war einfach: Besser in Kanaan darben, wenn es sein soll, als in Ägypten in Überfluss leben! Besser auf dem Pfad Gottes leiden, als auf dem Weg Satans in Gemächlichkeit leben, besser arm mit Christus, als reich ohne ihn. Abram bekam „Kleinvieh und Rinder und Esel und Knechte und Mägde und Eselinnen und Kamele“ (V. 16). Beweis genug würde ein natürliches Herz sagen, dass Abraham richtig handelte, als er nach Ägypten hinab zog. Aber in Ägypten hatte er keinen Altar, keine Gemeinschaft mit Gott.
Das Land des Pharaos war nicht der Ort der Gegenwart des Herrn, und Abraham verlor durch seinen Zug nach Ägypten mehr als er gewann. Nichts kann den Verlust unserer Gemeinschaft mit Gott ersetzen. Die Befreiung von einem zeitweiligen Druck und das Erlangen von Reichtum sind ein armseliger Ersatz für das, was man verliert, wenn man auch nur um Haaresbreite von dem geraden Weg des Gehorsams abweicht. Wie viele unter uns werden das bestätigen können! Wie viele sind, weil sie den Prüfungen und Mühen ausweichen wollten, die mit dem Weg Gottes verbunden sind, in den Strom des gegenwärtigen bösen Zeitlauf geraten und haben sich dadurch Dürre und Armut, Druck und Finsternis für ihre Seelen eingetragen!
Vielleicht haben sie „ihr Glück gemacht“, Reichtümer aufgehäuft und Ehre in der Welt erlangt vielleicht auch eine gute Behandlung von ihrem „Pharao“ erfahren und sich einen Namen und eine Stellung in der Welt erworben. Aber können alle diese Dinge die Freude in Gott, die Gemeinschaft, ein glückliches Herz, ein reines Gewissen, einen Geist des Dankens und der Anbetung, ein lebendiges Zeugnis und einen wirkungsvollen Dienst ersetzen? Wer möchte so etwas behaupten? Und dennoch sind nur zu oft alle diese unvergleichlichen Segnungen für ein wenig Wohlleben, für ein bisschen Einfluss und für ein wenig Geld verkauft worden.
Lasst uns wachsam sein gegen die Neigung, von dem schmalen, aber sicheren, dem oft rauen, aber stets glücklichen und gesegneten Weg des aufrichtigen Gehorsams abzuweichen! Lasst uns mit Sorgfalt und Eifersucht über den „Glauben und ein gutes Gewissen“ wachen (1Tim 1,19), die durch nichts ersetzt werden können! Wenn eine Prüfung naht, so lasst uns auf Gott warten, anstatt nach Ägypten zu gehen! Dann wird die Prüfung nicht ein Anlass zu Straucheln, sondern eine Gelegenheit, unseren Gehorsam zu zeigen. Und wenn wir versucht werden, dem Strom dieser Welt zu folgen, so lasst uns unsere Blicke auf ihn richten, der „sich selbst für unsere Sünden gegeben hat, damit Er uns herausnehme aus der gegenwärtigen bösen Welt, nach dem Willen unseres Gottes und Vaters“ (Gal 1,4).
Wenn Er solche Liebe zu uns hatte und solche Gedanken über den wahren Charakter der gegenwärtigen Welt, dass Er sich selbst dahingab, um uns von der Welt zu befreien, sollten wir ihn dann dadurch verleugnen, dass wir wieder zu dem zurückkehren, wovon sein Kreuz uns auf ewig befreit hat? Gott wolle es verhüten! Möge seine mächtige Hand uns bewahren bis wir Jesus sehen, wie Er ist. Dann werden wir ihm gleich sein und ewig bei ihm bleiben!