Behandelter Abschnitt 1. Mose 8,15 - 9,1
Noah verlässt die Arche
„Und Gott redete zu Noah und sprach: Geh aus der Arche“ (V. 15.16). Derselbe Gott, der gesagt hatte: „Mache dir eine Arche“, und: „Geh in die Arche“, sagt jetzt: „Geh aus der Arche“. „Und Noah ging hinaus . . . und baute dem Herrn einen Altar“ (V. 18-20). Noah gehorcht einfältig dem Wort Gottes. Wir finden hier den Gehorsam des Glaubens und den Gottesdienst des Glaubens. Die beiden Dinge gehen zusammen. Der Altar wird da errichtet, wo kurz zuvor der Ort des Todes und des Gerichts gewesen war. Die Arche hatte Noah und seine Familie wohlbehalten über die Wasser des Gerichts getragen. Sie hatte ihn aus einer alten in eine neue Welt geführt, wo er jetzt seinen Platz als Anbeter10 einnimmt. Und beachten wir, dass der Herr es war, dem er den Altar errichtete.
Der Aberglaube hätte die Arche angebetet, weil sie als Werkzeug der Errettung gedient hatte. Es besteht immer die Neigung des menschlichen Herzens, an die Stelle Gottes seine Anordnungen zu setzen. Nun war zwar die Arche auf die ausdrückliche Anordnung Gottes hin gebaut worden, aber der Glaube Noahs erhob sich über die Arche hinaus zu Gott, der die Arche gab, und als er sie verlassen hatte, baute er einen Altar und betete ihn an, anstatt die Arche als einen Gegenstand der Anbetung und Verehrung zu betrachten. Von der Arche ist ferner keine Rede mehr.
Das alles enthält eine zwar einfache, aber heilsame Lehre. In dem Augenblick, da das Herz die Wirklichkeit Gottes selbst aus dem Auge verliert, gibt es für seine Abirrungen keine Grenzen mehr. Es ist auf dem Weg zur schlimmsten Form der Abgötterei. Für das Urteil des Glaubens ist eine Anordnung nur dann wertvoll, wenn Gott sich darin in lebendiger Kraft der Seele offenbart, d. h. solange der Glaube gemäß der Bestimmung Gottes Christus darin genießen kann. Darüber hinaus hat eine Anordnung keinen Wert, und sobald sie sich auch nur im Geringsten zwischen das Herz und das Werk oder die Person Christi drängt, hört sie auf, eine Anordnung Gottes zu sein, und wird zu einem Werkzeug des Teufels.
Nach dem Urteil des Aberglaubens allerdings ist die Anordnung alles, und Gott wird ausgeschlossen. Man benutzt den Namen Gottes nur noch, um die Anordnung noch wichtiger erscheinen zu lassen und ihr eine große Gewalt über das Herz und einen mächtigen Einfluss auf den Geist des Menschen zu verleihen. So kam es z. B., dass die Kinder Israel die kupferne Schlange anbeteten. Das, was in der Hand Gottes ein Segensmittel für sie gewesen war, wurde ein Gegenstand abergläubischer Verehrung, sobald ihre Herzen sich vom Herrn entfernten, so dass Hiskia sie vernichten musste. Man nannte sie „Nechustan“ (Kupfernes). An sich war sie ja auch nichts anderes als ein „Nechustan“, ein Stück Kupfer. Aber indem Gott sie gebrauchte, war sie ein Mittel reicher Segnung. Der Glaube erkannte sie als das an, was Gott von ihr gesagt hatte. Der Aberglaube aber warf wie immer die Offenbarung Gottes über Bord, vergaß die wirkliche Absicht Gottes bezüglich des Gegenstandes und machte sich einen Gott daraus.
Liegt nicht hierin eine ernste Lehre für unsere Tage? Wir leben in einer Zeit der Anordnungen. Die Atmosphäre, die die bekennende Christenheit umgibt, ist voll von Elementen einer überlieferten Religion, die die Seele von Christus und seinem vollkommenen Heil abzieht. Die menschlichen Überlieferungen leugnen zwar nicht offen die Existenz Christus oder das Kreuz, denn dann würden vielleicht manchen die Augen aufgehen. Das Böse trägt einen weit gefährlicheren Charakter: Man fügt Christus und seinem Werk allerlei Anordnungen hinzu: Der Sünder wird nicht nur durch Christus, sondern durch Christus und die Anordnungen errettet.
Aber auf diese Weise wird Christus ihm geraubt, denn es wird sich am Ende unweigerlich zeigen, dass Christus und Anordnungen im Grunde nichts anderes bedeutet als Anordnungen ohne Christus. „Wenn ihr beschnitten werdet, wird Christus euch nichts nützen“ (Gal 5,2). Es muss entweder Christus ganz sein, oder gar nichts von ihm. Der Teufel sagt den Menschen, dass sie Christus ehren, wenn sie viel aus Gottes Anordnungen machen, denn er weiß nur zu gut, dass sie dadurch in Wirklichkeit Christus völlig beiseite setzen und die Anordnungen vergöttern. Es kann nicht oft genug wiederholt werden, dass der Aberglaube aus den Anordnungen das Wesen der Sache macht, während der Unglaube die Anordnungen verwirft, dass aber der Glaube sie gebraucht gemäß ihrer Einsetzung durch Gott.
Doch habe ich diesen Teil unserer Betrachtung bereits weiter ausgedehnt, als ich beabsichtigte. Ich möchte daher nur noch einen flüchtigen Blick auf Kapitel 9 werfen. Wir finden in diesem Kapitel den neuen Bund, unter den die Schöpfung gestellt wurde, und zugleich das Zeichen dieses Bundes. „Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde“ (Kap. 9,1). So befiehlt also Gott dem Menschen bei seinem Eintritt in die wiederhergestellte Welt, nicht einen Teil der Erde, sondern die ganze Erde zu bevölkern. Nach seinem Willen sollten sich die Menschen über die ganze Oberfläche der Erde ausbreiten und sich nicht auf ihre vereinten Kräfte stützen. Wir werden in Kapitel 11 sehen, wie wenig der Mensch dieses Gebot beachtet hat.
10 Es ist interessant, diesen Gegenstand in Verbindung mit der bedeutungsvollen Anordnung der Taufe zu betrachten. Ein Getaufter ist im Geist und dem Grundsatz nach durch den Glauben aus einer alten in eine neue Welt hinübergegangen. Das Wasser geht über ihn dahin, wodurch angedeutet wird, dass sein alter Mensch begraben, seine alte Natur beseitigt ist. Er ist tot. Das Fleisch mit seinen Sünden, seinen Befleckungen und Neigungen ist begraben in dem Tod Christi und kann nie wieder vor das Auge Gottes kommen. Wenn der Gläubige aus dem Wasser herauskommt, gibt er dadurch der Wahrheit Ausdruck, dass er ein neues Leben besitzt, das Auferstehungsleben Christi. Wie Christus aus den Toten auferstanden ist in der Macht eines neuen Lebens, nachdem Er unsere Sünden ganz weggetan hatte, so kommen auch wir aus dem Wasser hervor und geben dadurch zu erkennen, dass wir durch die Gnade Gottes und den Tod Christi in den Besitz eines neuen Lebens gekommen sind, mit dem göttliche Gerechtigkeit untrennbar verbunden ist: „So sind wir nun mit ihm (Christus) begraben worden durch die Taufe auf den Tod, damit, so wie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in Neuheit des Lebens wandeln“ (Röm 6,4; vgl. Kol 2 und 1Pet 3,18-22). Das alles macht die Taufe zu einer bedeutungsvollen Einrichtung.↩︎