Behandelter Abschnitt 1. Mose 1,2-5
Die Finsternis und das Licht
„Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe“ (V. 2). Das war in Wahrheit ein Ort, wo nur Gott wirken konnte. Da hatte der Mensch noch keinen Platz, bis auch er wie alles andere ein Gegenstand der schöpferischen Macht wurde.
Gott war allein in der Schöpfung. Er schaute aus seiner ewigen Wohnstätte des Lichts herab auf die Wüstenei und erblickte hier die Stätte, wo seine wunderbaren Pläne und Ratschlüsse zur Ausführung kommen sollten, und wo der Ewige Sohn leben, wirken, zeugen, bluten und sterben sollte, um staunenden Welten die herrlichen Vollkommenheiten der Gottheit zu offenbaren. Überall herrschten Finsternis und Unordnung, aber Gott ist ein Gott des Lichts und der Ordnung (1Joh 1,5).
Finsternis und Unordnung, mögen wir sie von einem natürlichen, sittlichen, geistigen oder geistlichen Gesichtspunkt aus betrachten, können in seiner Gegenwart nicht bestehen. „Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern“. Er schwebte gleichsam brütend über dem Ort seines zukünftigen Wirkens. Wahrlich, ein finsterer Ort ein Ort, der dem Gott des Lichts und des Lebens einen unbegrenzten Raum zum Wirken bot. Nur Er konnte die Finsternis erleuchten, Leben hervorbringen, Ordnung an die Stelle des Chaos setzen und zwischen den Wassern eine Ausdehnung schaffen, in der das Leben sich ohne Todesfurcht ausbreiten konnte. Das waren in der Tat Unternehmungen, die Gottes würdig waren. „Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht“ (V. 3). Wie einfach, und doch göttlich! „Denn er sprach, und es war; er gebot, und es stand da“ (Ps 33,9).
Der Unglaube mag fragen: „Wie und wann?“ Die Antwort lautet: „Durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, so dass das, was man sieht, nicht aus Erscheinendem geworden ist“ (Heb 11,3). Das befriedigt eine Seele, die sich belehren lassen will. Die Weltweisheit mag verächtlich darüber lächeln und es Unwissenheit oder Leichtgläubigkeit nennen, die zwar einem barbarischen Zeitalter angemessen, aber unwürdig für Menschen sind, die in einem aufgeklärten Jahrhundert der Weltgeschichte leben, wo uns die Wissenschaft scheinbar mit Tatsachen vertraut gemacht hat, von denen jene inspirierten Schreiber nichts wussten. Welche Weisheit! Welche Gelehrsamkeit! Nein, lieber welche Torheit! Welch ein Unsinn! Welche Unfähigkeit, den Zweck und die Absicht der Heiligen Schrift zu verstehen! Sicher ist es nicht die Absicht Gottes, uns zu Wissenschaftlern auszubilden. Seine Absicht ist es, uns in seine Gegenwart zu führen, und zwar als Anbeter, deren Herz und Verständnis durch sein heiliges Wort belehrt und richtig geleitet werden. Doch das genügt dem so genannten Philosophen nicht. Nein, er verachtet die nach seiner Meinung gewöhnlichen und engherzigen Vorurteile des frommen Jüngers des Wortes und greift vertrauensvoll zum Fernrohr und entdeckt damit ferne Welten. Oder er steigt hinab in die Tiefen der Erde, um ihre Schichten, Bildungen, Versteinerungen usw. zu erforschen, die, wie er meint, im Widerspruch zur Bibel stehen.
Mit solchen „Widersprüchen der fälschlich so genannten Kenntnis“ (1Tim 6,20) haben wir nichts zu schaffen. Wir glauben, dass alle wahren Entdeckungen, sei es im All oder auf der Erde, mit den Mitteilungen des Wortes Gottes stets in Einklang stehen werden. Tun sie es nicht, so sind sie nach dem Urteil eines jeden Freundes der Schrift zurückzuweisen. Das gibt dem Herzen große Ruhe in einer Zeit, die so reich ist an gelehrten Spekulationen und hochtrabenden Theorien, die leider nur zu oft Rationalismus und ausgeprägten Unglauben verraten.
Es ist sehr nötig, dass das Herz bezüglich der Autorität, der Vollkommenheit und der göttlichen Eingebung des heiligen Buches fest gegründet ist, denn darin beruht die einzige wirksame Schutzwehr gegen Rationalismus einerseits und Aberglauben andererseits. Genaue Bekanntschaft mit dem Wort und völlige Unterwerfung unter das Wort sind gegenwärtig die wichtigsten Erfordernisse. Möge der Herr in seiner großen Gnade das eine wie das andere in unserer Mitte reichlich vermehren. „Und Gott sah das Licht, dass es gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht“ (V. 4.5). Hier haben wir die beiden großen Sinnbilder, die im ganzen Wort so häufig Anwendung finden. Die Gegenwart des Lichts macht den Tag aus, seine Abwesenheit die Nacht. In der Geschichte der Seelen finden wir dasselbe.
Es gibt „Söhne des Lichts“ und „Söhne der Finsternis“. Das ist eine scharf bezeichnete, ernste Unterscheidung. Alle, auf die das Licht des Lebens geschienen hat, alle, die wirklich besucht worden sind von „dem Aufgang aus der Höhe“ (Lk 1,78), alle, die den „Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi“ (2Kor 4,6) geschaut haben - alle diese, wer und wo sie auch sein mögen, gehören der ersten Klasse an: Sie sind „Söhne des Lichts“ und „Söhne des Tages“ (1Thes 5,5). Alle aber, die sich noch von Natur in Finsternis, Blindheit und Unglauben befinden, alle, die in ihren Herzen noch nicht die Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit aufgenommen haben - diese alle sind noch in die Schatten geistlicher Nacht gehüllt. Sie sind „Söhne der Finsternis“ und „Söhne der Nacht“.
Lieber Leser! Denke einen Augenblick nach und frage dich in der Gegenwart dessen, der die Herzen erforscht, welcher von diesen beiden Klassen du angehörst. Dass du entweder auf der einen oder auf der anderen Seite deinen Platz hast, bedarf keiner Frage. Du magst arm, verachtet und ungelehrt sein, aber wenn die Gnade ein Band gewirkt hat, das dich mit dem Sohn Gottes, dem „Licht der Welt“, verbindet, dann bist du in Wahrheit ein Sohn des Tages und wirst bald für immer wie ein Stern in der himmlischen Herrlichkeit glänzen, in dem Bereich, deren Zentralsonne das „geschlachtete Lamm“ in Ewigkeit sein wird. Das ist nicht dein eigenes Werk. Es ist das Ergebnis des Ratschlusses und der Wirksamkeit Gottes selbst, der in Jesu und in seinem vollkommenen Opfer dir Licht und Leben, Freude und Frieden geschenkt hat.
Aber wenn du die heilige Wirkung und den Einfluss des göttlichen Lichts noch nicht kennst und deine Augen noch nicht geöffnet worden sind, irgendwelche Schönheit in dem Sohn Gottes zu erblicken, dann bist du - auch wenn du große Intelligenz und alle Schätze der Philosophie besitzt, und alle Ströme menschlicher Weisheit getrunken hast und dein Name alle Gelehrtentitel trägt, die Schulen und Universitäten verleihen können - so bist du dennoch ein „Sohn der Nacht“, ein „Sohn der Finsternis“. Und überrascht dich der Tod in deinem gegenwärtigen Zustand, so fällst du in Finsternis und Schrecken einer ewigen Nacht. Darum lies keine Seite weiter, bevor du völlig klar bist in Bezug auf die Frage, ob du dem „Tag“ oder der „Nacht“ angehörst.