Behandelter Abschnitt Apg 17
Beschreibt uns den ersten Eingang des Evangeliums in Thessalonich. Wir bemerken, wie auffallend dort das Königreich gepredigt wurde. Doch jene Menschen in Beröa besaßen einen noch edleren Charakter, indem sie nicht gekennzeichnet sind durch den prophetischen Stil der an sie gerichteten Lehre, sondern durch ihr eigenes ernstes und einfältiges persönliches Untersuchen des Wortes Gottes.
Zuletzt finden wir den Apostel in Athen. Dort sprach er einen der charakteristischsten Appelle aus, welche uns dieses eindrucksvolle Bibelbuch aufbewahrt hat. Dieser Weckruf wandte sich jedoch keinesfalls an die Verfeinerung und den Intellekt des Menschen. Es gibt nämlich keinen Ort auf seinen Reisen, wo der Apostel mehr zu den Anfangsgründen der Wahrheit herabsteigt als in jener Stadt der Kunst, der Dichtung und höchsten geistigen Aktivität. Er entnahm seinen Text, wie wir vielleicht sagen dürfen, der wohlbekannten Inschrift auf dem Altar, welche lautet: „Dem unbekannten Gott“ (V. 23). Er stellte seinen Zuhörern vor, was sie trotz ihrer prahlerischen Kenntnisse nach ihrem eigenen Eingeständnis nicht wussten. Seine Rede war voller passender Wahrheiten für sie, denn er richtete den Blick auf den einen wahren Gott, welcher die Welt und alle Dinge in ihr erschaffen hat. Diese Wahrheit wurde nie von der Philosophie anerkannt. Auch in unserer Zeit wird sie nicht nur geleugnet, sondern man möchte sie auch, als wenn es möglich wäre, widerlegen. „Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darinnen ist, dieser, indem er der Herr des Himmels und der Erde ist . . . “ (V. 24).
Das ist eine weitere Wahrheit, die der Unglaube nicht anerkennen will, nämlich dass Gott nicht nur der Schöpfer, sondern auch der Herr, der Meister und Ordner aller Dinge ist. Er „wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind.“ Damit befand sich der Apostel im Widerspruch sowohl zu den Nichtjuden als auch den Juden. „Noch wird er von Menschenhänden bedient, als wenn er noch etwas bedürfe“ (V. 25) ein Gegensatz zu aller Religion der menschlichen Natur, wo immer und in welcher Weise auch immer sie besteht. „Da er selbst allen Leben und Odem und alles gibt [Er ist der Geber]. Und er hat aus einem Blute jede Nation der Menschen gemacht.“ Auch hier stand der Apostel im Widerspruch zu den Vorstellungen der Menschen, insbesondere zu jenen des hellenistischen Polytheismus; denn die Einheit der menschlichen Rasse ist eine Wahrheit, die einhergeht mit der Tatsache eines einzigen wahren Gottes.
Überall unter den verschiedenen Menschengruppen konnte man ihre eigenen nationalen Gottheiten erblicken. Darum wurde die falsche Vorstellung vieler Götter verbunden mit der dieser wesensgleichen Behauptung, dass es viele unabhängige Menschenrassen gäbe. So stützten beide Ideen Lieblingsgedanken der heidnischen Welt sich gegenseitig. Die Völker dachten, dass sie in irgendeiner närrischen Weise der Erde entsprungen seien und zwar unabhängig voneinander. Auf der anderen Seite erschließt die Wahrheit einer göttlichen Offenbarung alles, was der menschliche Verstand niemals ergründen kann, und überführt sofort die menschliche Einsicht. Ist es nicht zutiefst demütigend, dass die einfachste Wahrheit über die simpelste Gegebenheit völlig außerhalb des Gesichtskreises des stolzesten Intellekts liegt, der keine Hilfe seitens der Bibel erfährt? Man sollte doch denken, dass der Mensch über seinen eigenen Ursprung Bescheid weiß. Gerade darüber weiß er gar nichts. Zuerst muss er Gott kennen, und dann wird ihm alles klar. „Und er hat aus einem Blute jede Nation der Menschen gemacht, um auf dem ganzen Erdboden zu wohnen.“
Ferner: „Indem er verordnete Zeiten [alles ist unter seiner Leitung und Regierung] und die Grenzen ihrer Wohnung bestimmt hat, dass sie Gott20 suchen, ob sie ihn wohl tastend fühlen und finden möchten, obgleich er nicht fern ist von einem jeden von uns. Denn in ihm leben und weben und sind wir, wie auch etliche eurer Dichter gesagt haben“ (V. 26-28). So führte er als Bestätigung ihre eigenen Dichter gegen sie oder vielmehr ihren Götzendienst an. Seltsamerweise sind die Dichter trotz ihres Phantasiereichtums weiser als die Philosophen. Wie oft stolpern sie in ihren Träumereien über Dinge, die sie sich auf andere Weise niemals hätten vorstellen können! So hatten einige Dichter unter ihnen (Kleanthes und Aratus) gesagt: „Denn wir sind auch sein Geschlecht.“ „Da wir nun Gottes Geschlecht sind, so sollen wir nicht meinen, dass das Göttliche dem Golde oder Silber oder Stein, einem Gebilde der Kunst und der Erfindung des Menschen, gleich sei“ (V. 29). Wie eindeutig wird die Torheit ihrer prahlerischen Einsicht ans Licht gestellt! Was könnte einfacher oder überzeugender sein? Da wir Gottes Geschlecht sind, dürfen wir nicht denken, dass unsere Hände Gott herstellen könnten. Darauf lief aber in Wirklichkeit ihre Praxis hinaus. Götter aus Silber und Gold haben ihren Ursprung in der Kunst und Einbildungskraft der Menschen. „Nachdem nun Gott die Zeiten der Unwissenheit [Welche Worte vor den stolzen Männern Athens!] übersehen hat, gebietet er jetzt den Menschen, dass sie alle allenthalben Buße tun sollen“ (V. 30). Offensichtlich richtet Paulus sich an das Gewissen.
Das ist der Grund, warum er hier Gottes Ruf zur Buße nachdrücklich betont. Es hat keinen Zweck über Wissenschaft, Literatur, Politik oder Religion zu reden. Alte und neue Spekulationen über Philosophie sind genauso nutzlos. Gott erlegt jetzt allen Menschen überall Buße auf. So stellt der Apostel den Weisen mit dem Wilden auf einen Boden, indem er Gott als Richter aller einführt. Offensichtlich muss Gottes Wahrheit aggressiv sein. Sie kann nicht anders, als sich mit jedem Gewissen zu beschäftigen, welches sie irgendwo auf der Erde hört. Das Gesetz mochte seine Rechte über ein besonderes Volk gedonnert haben; die Wahrheit hingegen befasst sich mit jedem Menschen, so wie er vor Gott steht. Auch der Grund für diesen Appell ist sehr ernst: „Weil Er einen Tag gesetzt hat, an welchem er den Erdkreis richten wird“ (V. 31). Welch feierliche Aussicht! Das legte Paulus seinen Zuhörern dringend ans Herz und in einer besonderen Weise, welche dem sittlichen Zustand der Athener angemessen war.
Gott steht im Begriff, die bewohnte Erde (oικoυµενην) in Gerechtigkeit zu richten. Paulus spricht hier nicht vom Richten der Toten, sondern von dem plötzlichen Eingreifen jenes Menschen, der von den Toten auferstanden, sich mit dieser bewohnten Erde beschäftigen wird. Das ist unfraglich die Bedeutung unseres Textes. Der Ausdruck „Erdkreis“ meint den Schauplatz, auf dem der Mensch wohnt, und spricht keineswegs vom Gericht des großen weißen Throns. Sicherlich war alles, was der Apostel den Athenern vorstellte, in bewunderungswürdiger Weise dazu angetan, sie von ihren mythischen Träumen zum Licht der Wahrheit zu erheben, ohne ihre Liebe zur Spekulation irgendwie zu befriedigen. Er wird den Erdkreis richten „in Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat allen den Beweis davon gegeben, indem er ihn auferweckt hat aus den Toten.“
Der Hinweis auf die Auferstehung wurde sofort der Anlass für ungeziemenden Spott. „Als sie aber von Toten-Auferstehung hörten, spotteten die einen, die anderen aber sprachen: Wir wollen dich darüber auch nochmals hören. Also ging Paulus aus ihrer Mitte hinweg“ (V. 32-33). Es gab nur eine geringe Frucht - und sogar nach dem Dienst des Apostels und einer solchen wunderbaren Rede! Einige schlossen sich ihm jedoch an und glaubten, „unter welchen auch Dionysius war, der Areopagit, und ein Weib, mit Namen Damaris, und andere mit ihnen“ (V. 34).
20 Nach den besten Autoritäten muss hier „Gott“ stehen. „Der Herr“ [vgl. engl. „Author. Vers.“ und „Luther-Bibel“ bis wenigstens 1960; Übs.] passt an dieser Stelle nicht zur Lehre. Paulus zeigt ihnen, dass Gott der Herr ist; doch dies ist eine andere Angelegenheit. (W. K.)↩︎