Behandelter Abschnitt Mk 12,32-33
„Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Recht, Lehrer, du hast nach der Wahrheit geredet; denn er ist einer, und außer ihm ist kein anderer; und ihn lieben aus ganzem Herzen und aus ganzem Verständnis und aus ganzer Kraft, und den Nächsten lieben wie sich selbst, ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer“ (V. 32–33).
In seinem Gewissen erkannte er an, dass eine solche Liebe zu Gott und zum Nächsten weit besser ist als alles, worauf die Juden soviel Nachdruck und Wert legten, d. h. die äußeren Formen und Zeremonien des Gesetzes. Aber hier endete er; er erkannte Christus nicht. Darum war ihm die Gnade unbekannt. So konnte der Herr nur zu ihm sagen: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes“ (V. 34). Er war noch draußen; denn allein die Gnade bringt durch die Erkenntnis Christi in das Reich Gottes hinein. Ob jemand weit oder fern vom Reich Gottes ist, macht keinen Unterschied; beides bedeutet Verderben, wenn man nicht hineingeht.
Dieser Schriftgelehrte anerkannte das, was im Gesetz stand; er wusste jedoch nicht, was in Christus war. Er wusste nichts von der Gnade Gottes, welche das Heil brachte. Er erkannte die Verpflichtung gegen Gott und seinen Nächsten an. Er besiegelte, dass das Gesetz gerecht und gut war (und das stimmt!); er erkannte aber nicht, dass Gott sich wirklich in Christus offenbart hat. Danach wagte niemand mehr, Ihn zu befragen. Alles war beantwortet, und sie waren zum Schweigen gebracht.
Jetzt stellte der Herr seine Frage. Sie war nur kurz und ganz anders als die, welche die Menschen gestellt hatten. Die Fragen des Menschen bezogen sich auf die Dinge dieser Erde, auf Unmöglichkeiten in ihren Augen oder auf die Spitzfindigkeit hinsichtlich rivalisierender Pflichten. Christi Frage bezog sich direkt auf die Schriften und darüber hinaus auf das Geheimnis seiner Person – jenem einzigen Band zwischen den Seelen und Gott. Die Frage Christi geschah nicht aus Neugier. Sie wandte sich auch nicht ausschließlich an das Gewissen. Es ging um die Untersuchung der Wege Gottes und die stillschweigend vorausgesetzte Beugung unter die Offenbarung über seine Person.