„Und sie kommen nach Jericho“ (V. 46).
Das war die Stadt, die sich als erste dem Einzug Israels in das Land der Verheißung entgegenstellte und durch die gewaltige Macht Gottes fiel, als sich das Volk seinem Wort durch Josua unterwarf (Jos 6). Es war die Stadt, welche den vorhergesagten Fluch auf den, der sie wiederaufbaute, und seine Söhne brachte (1Kön 16,34). Es war die Stadt, deren Wasser der Prophet einst aus Gnade gesund gemacht und deren Unfruchtbarkeit er weggenommen hatte (2Kön 2,19-22) und die jetzt zum Schauplatz einer bemerkenswerten Entfaltung der wohltuenden Macht als Antwort auf den Glauben wurde, der den verheißenen Samen und König anerkannte. „Und sie kommen nach Jericho. Und als er aus Jericho hinausging mit seinen Jüngern und einer zahlreichen Volksmenge, saß der Sohn des Timäus, Bartimäus, der Blinde, bettelnd am Weg (V. 46). Ich zweifle nicht, dass das dieselbe Begebenheit ist, die in Matthäus 20,29-34 und Lukas 18,35-43 berichtet wird. Doch die Unterschiede sind so groß, dass sie in einigen Lesern Zweifel daran hervorgerufen haben.
In Wirklichkeit sind alle drei Berichte vollkommen. Matthäus berichtet von der doppelten Heilung, wie es seiner Gewohnheit (siehe Kap. 8) und den Anforderungen eines jüdischen Zeugnisses entspricht. Lukas ordnet seinen Bericht so an, dass ein unsorgfältiger Leser annehmen könnte, dass die Heilung geschah, als Er in Jericho hineinzog und nicht als Er heraustrat. Seine sittliche Reihenfolge erforderte es, dass der Bericht von Zachäus und das Gleichnis vom Edelmann nebeneinander gestellt wurden, um die Reichweite der beiden Kommen des Herrn zu verdeutlichen. Deshalb musste die Geschichte von dem Blinden umgesetzt werden.
Trotzdem achtete Lukas sorgfältig darauf, nicht zu sagen: „als Er in die Nähe Jerichos gekommen war“, wie es ähnlich in englischen und anderen Bibeln15 steht, sondern „als Er nahe bei Jericho war“ („᾿εν τ ῀ωͺ ᾿εγγ´ιζειν α ᾿υτ`oν ε᾿ις ᾿Iεριχω`“). Damit sagte er nicht, ob Jesus kam oder ging. Er war einfach in der Nähe von Jericho. Einige Manuskripte geben zur Stelle im Markusevangelium die Lesart: „Der Sohn des Timäus, Bartimäus, ein blinder Bettler, saß . . . “ In der Abschrift vom Sinai steht: „blind und ein Bettler“. Wie üblich berichtet unser Evangelist die Tatsachen und sogar die Namen mit kennzeichnender Genauigkeit.
15 Anm. d. Übers.: damit ist auch die „Elberfelder Übersetzung“ gemeint↩︎