Behandelter Abschnitt Mk 10,18-21
Unser gesegneter Herr wies darum die Ehre, welche die einzig richtige Grundlage dafür missachtete, voll Eifer für die Wahrheit und die Herrlichkeit Gottes zurück. In Wirklichkeit besteht ausschließlich hierin die wahre Liebe zum Menschen. Wenn Er nicht Gott war, dann war Christus nicht gut. Wenn Er gut war, dann war Er Gott.
„Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als nur einer, Gott. Die Gebote kennst du:,Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst kein falsches Zeugnis ablegen; du sollst nichts vorenthalten; ehre deinen Vater und deine Mutter.‘ Er aber sprach zu ihm: Lehrer, dies alles habe ich beachtet von meiner Jugend an. Jesus aber blickte ihn an, liebte ihn . . . “ (V. 18–21).
Die beiden Dinge, die auf des Jünglings Frage folgen, sind auffallend. Zum einen lesen wir von der vergleichsweise ernsten Antwort des Herrn und zum anderen die ausdrückliche Erklärung, dass Er ihn anblickte und liebte. Das erstere zeigt, wie Er mit der liebenswürdigen menschlichen Natur umging, wenn sie in das eindrang, was sie nicht verstand. Das zweite offenbart, wie kein barscher Tadel in Bezug auf die geistliche Güte und auch nicht das Bewusstsein, dass der junge Mann ungläubig war und später traurig hinweggehen würde, seine Liebe für das, was lieblich und anziehend in der menschlichen Natur ist, hemmen konnte.
Unser Herr gab des Jünglings Hochschätzung der Gebote seinen vollen Wert und widersprach nicht, sondern begegnete ihm auf dem eigenen Boden, den er gewählt hatte. Der junge Mann war kein im Herzen zusammengebrochener, überführter Sünder, der fragte, was er tun müsse, um errettet zu werden. Er war ein tadelloser Mensch, der von nichts Bösem in seinem Leben wusste und einzig und allein nach einem noch vorzüglicherem Weg anfragte bei einer Person, die in seinen Augen so überragend ausgezeichnet war wie Jesus. Folglich sagte dieser zu ihm: „Eins fehlt dir: Geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach! (V. 21).
Jesus hatte unendlich mehr getan, denn obwohl Er reich war, ist Er um unsertwillen arm geworden, damit wir durch seine Armut reich würden (2Kor 8,9). Doch dieser Oberste kannte die Gnade unseres Herrn nicht, obwohl ihm seine unaussprechliche sittliche Herrlichkeit nicht verborgen geblieben war. Er kannte seine Gnade nicht, weil er seine wahre Herrlichkeit nicht kannte. Er dachte, als er vor Jesus kniete, wenig daran, dass vor ihm Jemand stand, „der, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,6-8).