„Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Schwache mit Öl und heilten sie“ (V. 13).
Der dritte Punkt, dem wir jetzt unsere Aufmerksamkeit schenken wollen, ist die ernste Geschichte des Gewissens im König Herodes. Er hörte das Gerücht von Jesus und schrieb die Wunder Johannes dem Täufer zu, von dem er annahm, dass er von den Toten auferstanden sei. Unter den Menschen bestanden die üblichen Meinungsunterschiede und Unsicherheiten. Doch das schlechte Gewissen machte Herodes sicher, dass Jesus Johannes war, den er enthauptet hatte. Welch eine Pein verursachte hier das Gewissen! Doch der Fall ist noch verzweifelter, wo das Gewissen durch Religiosität verhärtet ist.
Der Heilige Geist wendet sich hier etwas beiseite, um uns einen Bericht von den Umständen zu geben und zu erklären, warum Herodes so besorgt und verwirrt war. Die gottlose Herodias, die der Vierfürst schuldhaft geheiratet hatte, obwohl sie die Frau seines Bruders war, hatte zunächst vergeblich nach Rache verlangt. Denn trotz seines Tadels stand Johannes als gerechter und heiliger Mann hoch in der Wertschätzung des Herodes. Und wenn Herodes ihn gehört hatte, tat der König vieles; dabei hörte er ihm gerne zu. Aber hier endete der schöne Schein. Satan fand eine Möglichkeit, ihn auf einen Weg zu bringen, von dem es kein Entrinnen gab außer durch Buße und die Anerkennung seiner Sünden. Diese Gelegenheit ergab sich bei einem königlichen Gelage, bei dem die Tochter der Herodias zur Zufriedenheit des Herodes und seiner Gäste tanzte. Dafür gab Herodes mit einem Eid das vorschnelle Versprechen, ihr bis zur Hälfte seines Königreiches zu geben, um was sie bitten mochte.
Jetzt war die Gelegenheit für die rachsüchtige Ehebrecherin gekommen, welche ihre Tochter anwies, sofort um das Haupt Johannes des Täufers auf einer Schüssel zu bitten. Und der König, dessen Furcht vor Johannes aus keiner besseren Quelle kam als die menschliche Natur, wurde zwar sehr betrübt, doch gab er zugunsten des Ansehens bei seinen Gästen nach. Er schickte sofort jemand von der Leibwache, um den Gefangenen hinzurichten, und übergab seinen Kopf an das Mädchen, welches ihn zur Mutter brachte. Welch ein Netz legte Satan vor die Füße eines Mannes, der nicht ohne Gefühl war! Wie kraftlos ist das Gewissen, wenn in der einen Waagschale der Knecht Gottes und in der anderen die arme verpfändete Ehre der Menschen liegt! Wie einfach ist alles in der Gegenwart Gottes! Gelübde an den Teufel werden besser gebrochen als gehalten (V. 14–29).
Der letzte Teil des Kapitels ist ähnlich wie der erste einzigartig voll Belehrung über den Dienst des Herrn. – Zuerst hatten wir das Los des Herrn (V. 1–6). Er wurde nicht nur in seinem Anrecht als König und Messias zurückgewiesen, sondern auch als Knecht Gottes verachtet. Sie hörten seine Lehre und erstaunten sowohl über seine Weisheit als auch seine Macht; doch eines überwog alles andere: „Ist dieser nicht der Zimmermann?“ Ja, Er war es! Anscheinend hat unser Herr wirklich als solcher gearbeitet. Er war nicht nur der Sohn eines Zimmermanns, sondern auch selbst ein Zimmermann. Der Schöpfer des Himmels und der Erde verbrachte einen beträchtlichen Teil seines Aufenthalts auf der Erde Tag für Tag bei dieser niedrigen Arbeit.
Unser Herr wurde von der Ausführung großer Taten abgehalten und wandte sich infolgedessen einem bescheideneren Dienst zu. Obwohl Er durch ihren Unglauben daran gehindert wurde, ein auffallendes Zeugnis seiner Herrlichkeit zu liefern, legte Er seine Hände einigen Schwachen auf und heilte sie. Die Gefühle des Herrn konnten nicht ertötet werden. Er wandte sich schweigend von der Verachtung, die seine mächtigen Taten dort ausschloss, ab und beschäftigte sich mit einigen wenigen unbedeutenden Fällen. Können wir selbst in diesen Umständen die Vollkommenheit Christi als der Knecht übersehen?
Als Nächstes sahen wir die Aussendung der Zwölf. In ihnen gab es zwei Kennzeichen, die schwer zu vereinbaren waren. Sie sollten in Umstände gestellt werden, die sie der Verachtung eines jeden aussetzen würde. Sie sollten kein Geld in ihrem Gürtel besitzen und nicht einmal zwei Leibröcke oder Schuhe mit sich nehmen, sondern Sandalen tragen. Sie sollten ohne Tasche und ohne Verpflegung losgehen. Was könnte hilfloser oder abhängiger aussehen als ihre Lage? Nichtsdestoweniger waren sie als die Boten des Königs ausgesandt worden und infolgedessen mit seiner Kraft versehen. Ein bemerkenswerter Beweis davon war ihre Macht über unreine Geister. „Er fing an, sie zu zwei und zwei [sie hatten Gemeinschaft in ihrem Dienst] auszusenden, und gab ihnen Gewalt über die unreinen Geister“ (V. 7).
Nachdem sie so ausgesandt waren, predigten sie nicht nur, dass die Menschen Buße tun sollten, sondern trieben auch viele Dämonen aus, salbten zahlreiche Schwache mit Öl und heilten sie. Der oberste Gesichtspunkt in den Gedanken des Herrn war der Umgang mit der Macht Satans. Diesbezüglich gibt es unter den Menschen viel Unglauben. Die Welt ist mit materiellen Erfindungen alt geworden. Und während die Zeit auf der Erde verging, haben sich die Menschen so sehr an die Macht gewöhnt, die ihnen über die äußere Natur gegeben worden ist, dass sie unter diesen Umständen dazu neigen, die unsichtbare Macht und die Listen Satans zu vergessen und zu leugnen. Es war deshalb sehr wichtig, dass die Jünger, die von der Autorität Gottes berufen und ausgesandt wurden, bei ihrem Zug durch das Land Israel mit göttlicher Kraft ausgestattet waren, soweit sie um Christi willen verliehen werden konnte.
Aber noch etwas anderes ist im Dienst des Herrn von großer Wichtigkeit. Indem sie die Menschen zur Buße aufriefen, gab es eine überraschende Antwort im Gewissen. Das Wort erreicht das Herz selbst da, wo man es zuletzt erwarten würde, wie in dem Fall des Herodes, der hier vom Geist Gottes als Beispiel vorgestellt wird. Auch wo der Mensch keine Buße tut, gibt es ein Gewissen; und das Wort ist nicht zu schwach, dieses zu erreichen. Die Menschen mögen die Warnung nicht beachten, sie mögen sich von ihr abwenden, sie mögen versuchen, diese zu vergessen, und eine Zeitlang Erfolg damit haben, alle guten Gefühle zu ersticken; doch der Widerhaken ist da. Und wenn auch bei einem starken Menschen eine Wunde lange Zeit nicht tastbar ist, so erscheint doch die alte Wunde in Zeiten der Schwachheit wieder. Was jugendliche Kraft missachten konnte, kann noch vor dem Abschluss des Lebens zu einer ständig wachsenden Not werden.
In Herodes haben wir die Geschichte einer Seele, deren Gewissen vom Wort Gottes erreicht wurde – aber nicht mehr. Wir wissen ganz gut, dass unbekehrte Menschen sich dem Heiligen Geist widersetzen können. Das ist gewöhnlich dort die Antwort, wo man Gottes Wort kennt. Dabei widersteht man nicht nur dem Wort, sondern auch dem Geist Gottes. Deshalb sagte Stephanus in seiner Rede an die Juden: „Ihr widerstreitet allezeit dem Heiligen Geist; wie eure Väter, so auch ihr“ (Apg 7,51).
Der Heilige Geist benutzt weitgehend das Wort Gottes, um das Gewissen zu erreichen; und wer es zurückweist, widersteht sowohl dem Wort als auch dem Geist Gottes. Im Fall des Herodes war es nur das Zeugnis des Johannes; doch es war ein machtvolles Zeugnis, soweit es die Überführung von der Sünde betraf. Johannes der Täufer behauptete nicht, dass er die Erlösung brachte. Sein Hauptaufgabe war, auf Den hinzuweisen, der kommen sollte. Durch ihn wurde jedoch in den führenden Männern ein machtvolles Werk hervorgebracht, wodurch sie erkannten, dass sie ohne den Herrn nicht auskommen konnten. So stellte er den Menschen vor, dass in den Augen Gottes alles verdorben war und dass, weit von blühenden und glücklichen Umständen entfernt, die Axt an der Wurzel des Baumes lag (Lk 3,9).
Das Gericht stand vor der Tür. Jawohl, so war es – nur dass das Gericht, welches der Mensch verdiente, durch die Gnade zuerst auf Christus herabkam. Das war die überraschende Gestalt, in der das göttliche Gericht damals am Kreuz stattfand. Es war ein wirkliches Gericht Gottes. Es war ein Gericht, das zu dieser Zeit nicht auf die Schuldigen fiel, sondern auf den schuldlosen Sohn Gottes, wodurch außerdem die Erlösung vollbracht wurde. Das ganze Werk Christi für die Kirche (Versammlung) Gottes wurde erst vorgestellt, nachdem der Mensch – Israel – sich selbst überlassen worden war. Es ist jetzt die Zeit der Langmut Gottes. Der Welt ist genauso erlaubt, ihren eigenen Weg in der Verwerfung des Evangeliums zu gehen, wie sie vorher Christus kreuzigen durfte. So handelt die Welt heutzutage. Wenn sie bald ihren Höhepunkt erreicht hat, kommt das Gericht.
So wird also das Gewissen in einem Mann gezeigt, der fühlte, was richtig war, und der eine Zeitlang das Wort Gottes gerne hörte. Es gab jedoch keine Buße. Er unterwarf seine Seele nicht der Überzeugung, die einen Augenblick an seiner Seele vorbeizog und die ihm vorstellte, was wahr, gerecht und Gott- gemäß war. Die Folge war, dass die Umstände vom Teufel so benutzt und von Gott zugelassen wurden, dass Herodes die Wertlosigkeit des natürlichen Gewissens sogar in Hinsicht auf die Person, die er als Prophet anerkannt hatte, offen zur Schau stellte. Auf jeden Fall war jetzt alles verloren. Es genügte eine schuldige Stunde bei einem Festessen, wo das Verlangen, einer Seele einen Wunsch zu erfüllen, die genauso schlecht oder noch schlechter war als er selbst, seine Schwachheit umgarnte und ihn an sein Wort fesselte.
Hier endete das natürliche Gewissen. Herodes gab den Befehl, von dem er nicht für möglich gehalten hatte, dass er ihn jemals geben würde. Wir kennen jedoch nur wenig die Macht jenes unreinen und verschlagenen Widersachers, des Teufels. Wir sehen hier das genaue Gegenteil von dem, was der Herr in Gnade durch seine Jünger ausführen ließ. Er gab ihnen Gewalt über die unreinen Geister. Dazu müssen die Menschen Buße tun und die Macht Satans gebrochen werden. Hier dagegen war ein Mensch, der wusste, dass er in einem bösen Zustand war; doch die Macht Satans wurde niemals wirklich gebrochen. Er ging nicht zu Gott im Bewusstsein, dass er sich selbst nicht befreien konnte. Infolgedessen schritt Herodes weiter auf seiner Bahn, bis in jener bösen Stunde die schreckliche Tat zur Ausführung gelangte. Alles war vorbei. Herodes wurde jetzt zweifellos der Verzweiflung oder der Gleichgültigkeit überlassen. Wäre doch bei ihm das Empfinden für die Gnade in Christus vorhanden gewesen! Es gab Gnade genug, um diese und jede andere Sünde auszulöschen. Aber ein Herz, das es ablehnt, sich im Gewissen vor Gott zu beugen, erkennt niemals die Gnade in Christus an.
Nachdem wir so noch einmal ein wenig die Wahrheit in diesem Teil des Kapitels skizziert haben in Hinsicht auf die Grundsätze Gottes für die Leitung im Dienst, können wir weitergehen. Die Apostel versammelten sich bei Jesus und erzählten Ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. Das war eigentlich ganz natürlich. Außerdem ist es heilsam für jeden im Werk des Herrn Beschäftigten, wenn er so mit dem, was getan und gelehrt wurde, zu Jesus geht. Es ist gut, sich zu prüfen und vielleicht alles genau zu berichten. Doch wo können wir das ohne sittliche Gefahr, wenn nicht bei Jesus? Es ist eine Sache, im Dienst für Jesus hinauszugehen; die andere ist jedoch, dass wir zu Jesus zurückkehren und Ihm alles erzählen, was wir tun und reden mussten. Verschiedentlich gibt es Gelegenheiten, wo es gut und angebracht ist, andere mit den wunderbaren Werken Gottes zu ermuntern. Es ist jedoch immer gut und nützlich, damit zum Herrn zu gehen. In seiner Gegenwart besteht keine Gefahr, dass wir uns aufblasen und von uns höher denken, als es sich gebührt. Dort lernen wir, wie klein wir sind und wie mangelhaft selbst das ist, was wir zur Belehrung untereinander am meisten erstreben.
Unser Herr zeigte sein ungeteiltes Interesse und seine Anteilnahme an ihrem Bericht und sagte zu ihnen: Fortsetzung siehe Mk 6,31