Behandelter Abschnitt Ps 78
In Psalm 78 wird das Verhalten Israels anhand der Geschichte des ganzen Volkes durch die göttliche Weisheit erörtert, während zugleich sehr Wichtige Grundsätze vorgestellt werden. Es hatte vor alters nicht nur eine Erlösung stattgefunden, zu der der Glaube seine Zuflucht nahm, sondern es war auch ein Zeugnis gegeben worden und ein Gesetz, um die Wege Israels zu leiten und zu dem Zwecke, dass die Väter sie ihren Kindern kundtun sollten. Doch die Väter waren ein widersetzliches und widerspenstiges Geschlecht gewesen. Nun, das Gesetz und das Zeugnis waren gegeben worden, damit die Kinder ihren Vätern nicht gleich werden möchten; aber sie waren ihnen gleich geworden, und ihre Geschichte wird hier dargestellt. Darum züchtigte Gott sie; es gab eine direkte, offenbare Regierung hinsichtlich ihrer Wege. Trotz alledem fuhren sie fort zu sündigen. In dem Augenblick, da sie gestraft wurden, wandten sie sich zu Ihm zurück, aber sie heuchelten Ihm nur mit ihrem Munde, ihr Herz war nicht fest gegen Ihn, und sie hielten nicht treulich an Seinem Bunde. Er aber war barmherzig und vergab ihnen, Er gedachte daran, dass sie nur Fleisch waren. Doch selbst nach den Wundertaten in Ägypten vergaßen sie Ihn; und als Gott sie in das Land Kanaan gebracht hatte, wandten sie sich dem Götzendienst zu. Als Gott das hörte, ergrimmte Er und verachtete Israel sehr. Auf dem Boden dieser Regierung, unter dem Gesetz und dem Zeugnis, verbunden mit Gnade und Barmherzigkeit, wurde Israel gänzlich aufgegeben, die Wohnung Gottes verlassen, die Bundeslade der Gefangenschaft und den Händen der Feinde überliefert. Auch das Volk wurde dem Gericht preisgegeben. Doch Jehovas Liebe zu Seinem Volke aufgrund der Gnade war nicht vermindert, und das Elend, in das sie geraten waren, ließ diese Liebe hervortreten. Er erwachte gleich einem Schlafenden und schlug Seine Feinde von hinten und gab ihnen ewige Schmach. Aber das war ein Eintreten in Gnade aufgrund Seiner Liebe zu Seinem Volke. Es war nicht Segnung unter Seiner Regierung aufgrund ihres erfüllten Gehorsams, sondern ein Einschreiten der Gnade, nachdem der Ungehorsam auf dem Grundsatz der Regierung, trotz des Mitgefühls und des Erbarmens Gottes, ein völliges Gericht herbeigeführt hatte. Unumschränkte Gnade trat jetzt auf den Schauplatz. Frühere Segnungen hatten Joseph zum natürlichen Erben gemacht; er besaß ein reiches und doppeltes Teil. Doch Gott erwählte Juda, Er erwählte Zion. Das gab diesem Ort seine Wichtigkeit. Es ist der Ort, wo die Liebe in Gnade sich zeigte als alles unter dem Gesetz gefehlt hatte, trotzdem Gott mit der größten erbarmenden Langmut handelte. Er baute Sein Heiligtum. Das wird nicht gerade als Gegenstand der erwählenden Gnade dargestellt; aber Gott erwählte David, als er in den niedrigsten Verhältnissen war, um Sein Volk zu weiden.
In diesem außerordentlich schönen Psalm finden wir Grundsätze von der höchsten Wichtigkeit. Israel, das betrachtet wird als auf den Boden der Regierung am Sinai gestellt, auf den Boden eines Gesetzes, das mit Barmherzigkeit vermischt war, hatte gänzlich gefehlt, war verabscheut und verworfen. Ein völliger Zusammenbruch war geschehen; die Bundeslade, das Bindeglied zwischen Israel und Gott, die Stätte der Versöhnung und zugleich Sein Thron, war in die Hände des Feindes gegeben. Doch Gott, dessen unumschränkte Liebe zu Seinem Volke in Macht zur Befreiung eingeschritten war, hatte Juda, Zion und David erwählt und in Gnade ein Band geknüpft, indem Er rettete, nachdem alles in Verfall geraten war. Der Glaube kann zu den erlösenden Taten Gottes, aber nicht zu dem Verhalten des Menschen unter dem Gesetz zurückkehren. Psalm 78 ist das Gegenstück zu Psalm 77. Doch alles dieses wird in Israel mitgeteilt, um das, was die Gnade in den letzten Tagen bewirken wird, zum Vorschein zu bringen, nämlich die Wertschätzung des Gesetzes in ihren Herzen, die sie anleiten wird, es ihre Kinder zu lehren (vgl. 1Mo 18,17-19 und 2Mo 34). Die Gnade brachte Israel wiederum unter die Bedingung des Gehorsams. Hier bringt die Macht Gottes Rettung, nachdem Israel selbst unter der Gnade gefehlt hat und das Gericht gekommen ist. Gott handelt nach Seinen Gedanken der Liebe. Ausschließlich unter Gesetz hat Israel nie gestanden; die steinernen Tafeln sind nie in das Lager gekommen (vgl. 2Kor 3). Das Angesicht Moses glänzte erst, als er Gott gesehen hatte, nachdem er zum zweitenmal auf den Berg gestiegen und in Gnade angenommen worden war, aber was Israel betrifft, so wurde es dieses zweite Mal wieder unter Gesetz gestellt. Gnade und Gesetz wurden eingeführt, und das bedeutete Tod und Verdammnis. Dies ist unmöglich, wenn ein Stellvertreter da ist; aber diesen Platz konnte Mose natürlich nicht einnehmen. „Vielleicht werde ich Sühnung tun für eure Sünde“, sagte er; und auf dem Berge bat er Gott: „Lösche mich doch aus deinem Buche.“ „Nein“, war die Antwort, „wer gegen mich gesündigt hat, den werde ich auslöschen.“ Das war Gesetz und - wie wir hier sehen und wie in 2Kor 3 bestimmt erklärt wird - Tod und Verderben.