Behandelter Abschnitt Ps 32,1-11
In Psalm 32 kommen wir zu dem, was dem treuen Israeliten noch mehr Not tat als eine äußerliche Befreiung, nämlich die Vergebung der Sünden. Die Größe der Drangsal bringt ihn dahin, sich zu dem Gesetz Gottes zu wenden, führt ihn aber auch zu dem Bewusstsein, dass er es gebrochen hat. Auf Gerechtigkeit in diesem Sinne konnte er sich nicht berufen: er bedurfte der Vergebung, und dass Jehova ihm die Ungerechtigkeit, die auf ihm lag und die er jetzt anerkannte, nicht zurechne. Lang hatte er sich dagegen gesträubt, aber Jehova hatte ihm keine Ruhe gelassen. Er bekennt nunmehr die Sünde, und der Trug ist aus seinem Herzen gewichen. Bis dahin war es unmöglich; er verbarg die Missetat in seinem Herzen. Die Vergebung aus Gnade zieht den Gottesfürchtigen zu Gott. Bei der Flut großer Wasser wird er nicht von ihnen erreicht werden. Jehova ist der Bergungsort für seine Seele, Er behütet, segnet und leitet ihn. Nur werden die Gläubigen ermahnt, weise zu sein durch Gehorsam und nicht unverständig, damit Gott sie nicht durch die Macht Seiner Vorsehungswege leiten müsse.
Man beachte hier, dass, während die Vergebung gepriesen wird (und der Überrest wird ihrer dringend bedürfen), dennoch der große, unterscheidende Zug, der den Überrest von der Masse des Volkes trennt, bestimmt aufrechterhalten wird, nämlich Wahrheit, Gerechtigkeit und Lauterkeit des Herzens. Der „Gesetzlose“ hat viele Schmerzen.
Dem Grundsatz nach kann ein Psalm wie dieser auf die ausgedehnteste Weise angewandt werden; Gott sei dafür gepriesen! Seine prophetische Anwendung gilt dem Überrest, um Wahrheit im Innern hervorzurufen und die Gläubigen durch Güte zu jenem Bekenntnis zu ermutigen, bei dem allein Gott segnen kann; das ist stets der Fall, denn „Vergebung“ und „kein Trug“ gehen miteinander. Die Heiligen des Überrestes werden die völlige Annahme von Seiten Gottes erst dann kennen, wenn sie Ihn anschauen, den sie durchstoßen haben, und der als Jehova zu ihrer Befreiung kommen wird. Lasst uns jedoch unseren Herzen den Hauptgrundsatz dieses Psalmes tief einprägen, dass nämlich die völlige, uneingeschränkte Vergebung, die gänzliche Nichtzurechnung der Sünde, den Trug aus dem Herzen wegnimmt. Ohne das fliehen wir Gott, entschuldigen die Sünde und decken sie zu, wenn wir sie nicht zu rechtfertigen wagen. Aber wenn völlige Vergebung vor unseren Blicken steht, so haben wir Mut, wahr im Herzen zu sein. Wer wird nicht alle seine Schulden angeben, wenn ihre Bezahlung durch einen anderen das einzige ist, um das es sich handelt? Wer wird nicht offen über seine Krankheit reden, wenn die Heilung gesichert ist? Die Gnade bringt Wahrheit in das Herz, das dahin geleitet wird, seine Übertretungen zu bekennen; es findet die ganze Last seiner Sünden weggenommen. Die Demütigen und Frommen werden ermuntert, einem Gott zu nahen, den sie also kennen. „Bei dir ist Vergebung, damit du gefürchtet werdest“ (Ps 130,4). Dieser Psalm will somit den Überrest zu einem aufrichtigen Bekenntnis ermuntern, und sobald dieses vorhanden ist, wird er der vollen Segnung teilhaftig werden. Der Psalm ist gleichsam eine prophetische Vorbereitung und eine Schule für jene Gläubigen, indem er vor ihren Blicken das entwickelt, was noch nicht ganz erfüllt ist, wenn sie dahin gebracht sein werden, sich zu Jehova zu wenden, wovon sie aber wissen, dass es in Erfüllung gehen wird. Darum reden diese Psalmen auch von dem Charakter Jehovas, wie er sich dem Grundsatz nach bei den inspirierten Schreibern und in buchstäblichem Sinne oft bei Christo gezeigt hat, um das Vertrauen der Juden am Tage ihrer Bedrängnis wachzurufen und jede unruhige Seele zu beruhigen. Darum finden wir auch das Sich-Rühmen in der völligen Rettung vermischt mit dem Schreien um Rettung; denn einerseits ist alles prophetisch, und andererseits hat es schon Erfüllungen gegeben.
Bevor wir zur Betrachtung der folgenden Psalmen übergehen, lasst uns beachten, dass die Befreiung des Herzens vom Trug, die durch die völlige Vergebung hervorgebracht wird, zu jener Vertraulichkeit mit Gott führt, die bewirkt, dass wir durch Sein Auge geleitet werden. Wir haben dann dieselbe Gesinnung wie Er, und zwar in der Vollkommenheit Seiner eigenen Natur, in der Er sie offenbart. Vergebung führt zu voller Segnung.