„Warum sind vom Allmächtigen nicht Zeiten für Strafgerichte vorgesehen worden, und warum bekommen seine Getreuen nicht seine Gerichtstage zu sehen?
Man verrückt die Grenzsteine, raubt Herden samt den Hirten (oder: und weidet sie als eigene);
den Esel der Verwaisten treibt man weg, nimmt die Kuh der Witwe als Pfand;
die Armen drängt man vom Wege ab; allesamt müssen die Elenden des Landes sich verkriechen.
Seht nur! Wie Wildesel in der Wüste ziehen sie früh zu ihrem Tagewerk aus, nach Beute ausspähend; die Steppe liefert ihnen Brot (= Nahrung) für die Kinder;
auf dem Felde des Gottlosen müssen sie den Sauerampfer abernten und Nachlese in seinem Weinberge halten;
nackt bringen sie die Nacht zu, ohne Gewand, und haben keine Decke in der Kälte.
Von den Regengüssen der Berge triefen sie und schmiegen sich obdachlos an die Felsen.
Man reißt die Waise von der Mutterbrust weg, und was der Elende an hat, nimmt man zum Pfande.
Nackt gehen sie einher, ohne Kleidung, und hungernd schleppen sie Garben (im Dienst der Reichen);
innerhalb der Mauern der Gottlosen pressen sie Öl, treten die Keltern und leiden Durst dabei.
Aus den Städten heraus lassen Sterbende ihr Ächzen hören, und die Seele von Erschlagenen schreit um Rache; aber Gott rechnet es nicht als Ungebühr an!
Andere (Gottlose) gehören zu den Feinden des Tageslichts: sie wollen von Gottes Wegen nichts wissen und bleiben nicht auf seinen Pfaden.
Ehe es hell wird, steht der Mörder auf, tötet den Elenden und Armen; und in der Nacht treibt der Dieb sein Wesen.
Das Auge des Ehebrechers aber lauert auf die Abenddämmerung, indem er denkt: ‚Kein Auge soll mich erblicken!‘, und er legt sich eine Hülle (oder: Maske) vors Gesicht.
In der Finsternis bricht man in die Häuser ein, bei Tage halten sie sich eingeschlossen: sie wollen vom Licht nichts wissen.
Denn als Morgenlicht gilt ihnen allesamt tiefe Nacht, weil sie mit den Schrecknissen der tiefen Nacht wohlvertraut sind.
Im Fluge fährt er (d.h. der Frevler) über die Wasserfläche dahin; mit dem Fluch wird ihr Erbteil (oder: Grundbesitz) im Lande belegt; er schlägt nicht mehr den Weg zu den Weinbergen ein.
Wie Dürre und Sonnenglut die Schneewasser wegraffen, ebenso das Totenreich die, welche gesündigt haben.
Selbst der Mutterschoß (= die Mutter) vergisst ihn, das Gewürm labt sich an ihm; nicht mehr wird seiner gedacht, und wie ein Baum wird der Frevler abgehauen,
er, der die einsam dastehende, kinderlose Frau ausgeplündert und keiner Witwe Gutes getan hat.
Ebenso erhält Gott Gewalttätige lange Zeit durch seine Kraft: mancher steht wieder auf, der schon am Leben verzweifelte.
Er verleiht ihm Sicherheit, so dass er gestützt dasteht, und seine Augen wachen über ihren Wegen.
Wenn sie hoch gestiegen sind – ein Augenblick nur, so sind sie nicht mehr da; sie sinken hin, werden hinweggerafft wie alle anderen auch; wie eine Ährenspitze werden sie abgeschnitten.
Ist’s etwa nicht so? Wer will mich Lügen strafen und meine Rede als nichtig erweisen?“
Querverweise zu Hiob 24,8 Hiob 24,8
Ich schlief, doch mein Herz war wach. Horch! Da klopft mein Geliebter! „Mach mir auf, meine Schwester, meine Freundin, mein Täubchen, meine Reine (oder: Traute)! Ach, mein Haupthaar ist voll von Tau, meine Locken voll von den Tropfen der Nacht!“
Die sonst Leckerbissen aßen, verhungern auf den Straßen; die sich auf Purpurkissen hegen ließen, betten sich jetzt auf Düngerhaufen;
sie, deren die Welt nicht wert war, haben in Einöden und Gebirgen, in Höhlen und Erdklüften umherirren müssen.