Die Pfingstpredigt des Petrus (V. 22-36)
Ich vermute, dass die Predigt, die der Apostel Petrus am Pfingsttag in Jerusalem hielt, die meistverbreitete Predigt aller Zeiten ist. Wir wissen aus der Heiligen Schrift, dass sich daraufhin dreitausend Seelen zum Herrn bekehrten.
Welchen Charakter hatte diese Predigt, und was war es, was die Menschen so ansprach? Bei dem Versuch, diese Frage zu beantworten, müssen wir natürlich bedenken, dass die Umstände äußerst bemerkenswert waren. Der Herr Jesus Christus hatte dreieinhalb Jahre seines wunderbaren Dienstes im Land Israel erfüllt. Durch seine vielen Wunder hatte Er seine messianische Macht bewiesen, und sein Charakter zeigte, dass Er der Sohn Gottes war. Einige glaubten an Ihn, aber viele lehnten Ihn ab, und die, die Ihn abgelehnt hatten, kreuzigten Ihn. Drei Tage später stand Er aus dem Grab auf, erschien danach vierzig Tage lang einigen Auserwählten und fuhr dann auf in den Himmel. Hiernach kam in Erfüllung der alttestamentlichen Prophezeiung der Geist selbst am Pfingsttag, wie vorhergesagt worden war. In Jerusalem versammelte sich eine große Menschenmenge aus allen Ländern, in die die Juden im Laufe der Jahrhunderte verstreut worden waren. Sie waren gekommen, um die Feste in Jerusalem zu feiern, zuerst das Passahfest und dann das Pfingstfest; und als sie die Botschaft des Petrus hörten, wurde ihnen mit besonderer Kraft ins Bewusstsein geredet.
Nie wieder wird es solche Umstände geben, und das ist ein Grund dafür, dass wir niemals eine Wiederholung dieser Macht oder auch nur eine einzige Predigt erwarten können, die so effektiv sein wird wie diese. Aber wenn wir den Inhalt der Predigt betrachten, wird sie uns zumindest die Art von Predigt nahelegen, die Gott zur Bekehrung von Sündern benutzen kann:
1. Der erste Punkt ist die Einfachheit. An diesem Tag wurde kein einziges Wort gesagt, das ein Kind im Jugendalter nicht hätte verstehen können. Petrus brauchte niemand, der ihm seine Worte erklärte. Seine Zuhörer brauchten nicht wegzugehen und ein Wörterbuch zu Rate zu ziehen. Er kleidete seine Botschaft so, dass sie auch der einfachste, ungebildetste Mensch verstehen konnte.
2. Zweitens ging es in der Predigt des Petrus um den Herrn Jesus Christus. Er hielt Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, hoch, und das ist die Botschaft, die Gott zu segnen versprochen hat. Er hat seine Diener in die Welt gesandt, damit sie das Evangelium verkünden, die gute Nachricht von seinem Sohn. Petrus diskutierte nicht; er ging nicht auf abstruse theologische Probleme ein; er erzählte ihnen vom Tod und der Auferstehung des Herrn Jesus Christus. Als er davon erzählte, berührte der Geist die Herzen seiner Zuhörer mit ungeheurer Überzeugungskraft. Ich fürchte, wir vergessen, dass es diese schlichte, einfache Geschichte ist, die die Menschen erreicht und sie zur Erkenntnis des Heils führt.
Manchmal singen wir:
Will red’n von himmlischen Dingen, die kein Auge jemals gesehn: von Jesus und seiner Größe, von Jesus und seiner Liebe.2
Und doch verbringen wir so viel Zeit damit, über andere Dinge zu sprechen, und so wenig Zeit mit dieser wundersamen Geschichte. Es würde mich nicht überraschen, wenn unsere Zuhörer uns gerne an diese andere Strophe erinnern würden:
Erzähl mir oft diese Geschicht, damit ich sie vergesse nicht.
Der Tau der frühen Morgenstund verflogen ist zur Mittagsstund.3
Das ist es, was die Welt braucht! Das ist es, wonach Männer und Frauen verlangen.
Vers 22
Apg 2,22a: Männer von Israel, hört diese Worte:
Wir sehen, dass Christus am Anfang nicht zu den Nationen kam, sondern „nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“ (Mt 15,24). Obwohl die Jünger bis ans Ende der Welt gehen sollten, sagte Er ausdrücklich, dass sie in Jerusalem beginnen sollten [Apg 1,8]. Jerusalem hatte die größten Vorrechte, und doch hatte es den Sohn Gottes gekreuzigt. Diese Botschaft richtete sich also an ebendas Volk, das Christus verworfen hatte – das Volk Israel.
Apg 2,22b: Jesus, den Nazaräer, einen Mann, von Gott vor euch bestätigt durch mächtige Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte tat, wie ihr selbst wisst – …
Die Bezeichnung „Jesus, der Nazaräer“ spricht von seiner Menschwerdung; sie spricht von der Demut seines Charakters. Er, der über allem steht, der in Ewigkeit gepriesene Gott, beugte sich herab, um ein Zimmermann aus Nazareth zu werden.
Der große japanische Evangelist Kagawa Toyohiko (1888–1960) sagte im Zusammenhang mit den vielen Segnungen, die das Evangelium den Japanern brachte, es habe den Menschen in Japan, selbst denjenigen, die die rettende Botschaft ablehnten, die Würde des arbeitenden Menschen gelehrt. Bevor das Evangelium kam, wurde der arbeitende Mensch mit absoluter Verachtung betrachtet. Als christliche Missionare kamen und die Geschichte des Sohnes Gottes erzählten, der ein Zimmermann wurde und sein Blut am Kreuz für unsere Sünden vergoss, änderte sich die Auffassung der Menschen über die arbeitende Klasse. Das war überall auf der Welt so. Als Jesus kam, war das werktätige Volk kaum mehr als Sklaven. Aber heute gibt es in den zivilisierten Nationen kaum noch echte Sklaverei. Einige sind durch grausame und unbarmherzige Gesetze versklavt, aber die Ankunft der Botschaft des Evangeliums ändert die Haltung gegenüber denen, die sich abmühen und arbeiten, völlig. Jesus von Nazareth mühte sich ab. Gott salbte Jesus von Nazareth, „der umherging, wohltuend und alle heilend, die von dem Teufel überwältigt waren“ (Apg 10,38).
Petrus geht anfangs nicht über diese Tatsache hinaus, dass Jesus Mensch wurde. Zunächst geht er nicht auf die Gottheit Christi ein. Er sagt: „ein Mann, von Gott vor euch bestätigt durch mächtige Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte tat“. Mit anderen Worten: Petrus sagt ihnen, dass dieser Mann der Messias ist. Gott hatte sein Siegel auf Ihn gedrückt. Er war derjenige, den die Propheten verkündet und von dem die Psalmisten gesungen hatten, und was taten sie mit Ihm? Ich möchte dir die Frage stellen: Was hast du mit Ihm getan? Du weißt, warum Er kam und warum Er starb. Was hast du mit Ihm getan? Hast du dein Herz geöffnet, um Ihn zu empfangen? Glaubst du an Ihn als deinen Retter? Wenn nicht, bist du genauso schuldig und in mancher Hinsicht sogar noch schuldiger als diejenigen in jenen Tagen. Was taten diese?
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↩︎Anm. d. Red.: Übersetzt aus dem Lied „Tell me the old, old story“ (1866) von Arabella Catherine Hankey (1834–1911): I love to tell the story | of unseen things above; | of Jesus and His glory, | of Jesus and His love.
3 Anm. d. Red.: Übersetzt aus dem Lied „Tell me the old, old story“ (1866) von Arabella Catherine Hankey (1834–1911): Tell me the story often, | for I forget so soon. | The early dew of morning | has passed away at noon.↩︎