Abgefallene Fürsten und Priester
Mich 3,1: Und ich sprach: Hört doch, ihr Häupter Jakobs und ihr Fürsten des Hauses Israel: Ist es nicht an euch, das Recht zu kennen? –
Der zweite Teil des Buches beginnt mit einer Aufforderung an die Häupter und Fürsten Israels, auf den Tadel des Propheten zu hören. Es wird nicht mehr das einfache Volk angesprochen, sondern die Fürsten oder Richter (Mich 3,1-4) und die Propheten (Mich 3,5.6). Dann werden beide zu einer Gruppe zusammengefasst, wobei die Priester als „Häupter des Hauses Jakob“ mit einbezogen werden (Mich 3,9-12).
Es ist sehr ernst, wenn die Führer des Volkes Gottes es in die Irre gehen lassen und wenn die, die ein Bollwerk für die Wahrheit sein sollten, sich davon abwenden und „verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her“ (Apg 20,30).
Gerade die, die das Gericht hätten kennen sollen und die von Gott erweckt worden waren, um die Nation in Gerechtigkeit zu regieren, führten die Masse in die Irre. In der Geschichte der Kirche und Israels war das oft der Fall. Daher ist es unabdingbar, alles, was gelehrt und praktiziert wird, an dem untrüglichen Maßstab, dem unfehlbaren Wort Gottes, zu prüfen. Wenn Christen sich damit zufriedengeben, als „Laien“ bezeichnet zu werden, und ihre geistlichen Belange in die Obhut ihrer Führer geben, sind sie selbst schuld, wenn sie auf falsche Wege geführt werden. Jeder ist selbst dafür verantwortlich, sich in der Gottseligkeit zu üben und die Dinge zu prüfen, die vom Wort Gottes abweichen.
Zu oft werden Führer anmaßend und hochmütig, weil sie sich selbst als „Klerus“ betrachten, dem es zustehe, mit dem „Dienst“ seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie vergessen dabei, dass „Dienst“ bedeutet, zu dienen und nicht über Besitz zu herrschen. Kein Hochmut ist schlimmer als geistlicher Hochmut. Keine Anmaßung ist mehr zu verabscheuen als kirchliche Anmaßung. Doch es fehlt nie an eitlen, selbstbezogenen Menschen, die schnell bereit sind, sich selbst hochklingende Titel und Befugnisse anzueignen, wenn die Leute es so haben wollen. Und es ist in der Tat ernst, dass es meist das Volk selbst ist, das dafür verantwortlich gemacht werden muss. Das liegt daran, dass sie bereitwillig das Ipse dixit1 irgendeines begabten, nichtinspirierten Mannes akzeptieren, anstatt selbst im Wort Gottes zu forschen, um darin den Weg zu finden, der für sie vorgezeichnet ist.