Behandelter Abschnitt Hos 7,8-10
Hos 7,8-10: 8 Ephraim vermischt sich mit den Völkern; Ephraim ist wie ein Kuchen geworden, der nicht umgewendet ist. 9 Fremde haben seine Kraft verzehrt, und er weiß es nicht; auch ist graues Haar auf sein Haupt gesprengt, und er weiß es nicht. 10 Und der Stolz Israels zeugt ihm ins Angesicht; und sie kehren nicht um zu dem HERRN, ihrem Gott, und bei all dem suchen sie ihn nicht.
Dieser Abschnitt betont, dass sich das Volk seines Zustandes nicht bewusst war. Das Volk war wie ein in den Ofen gelegter Kuchen, den eine Hausfrau vergessen hatte. Weil er nicht umgedreht wurde, verbrannte der Kuchen auf der einen Seite völlig. Was den wirklichen Zustand des Volkes vor Gott anbelangte, so war es nahezu ahnungslos. Die Masse schenkte den Warnungen des Propheten keinerlei Beachtung und ging sorglos ihre eigenen Wege. Denn für sie war es selbstverständlich, dass alles so war, wie es sein sollte, obwohl in Wirklichkeit alles falsch war.
Es ist ebendiese vermeintlich unbewusste Abtrünnigkeit, die auch heute bei vielen ein so trauriges Merkmal ist. Man befindet sich nicht in der Nähe des Herrn, und behauptet doch – ja, ist sogar davon überzeugt –, dass alles gut ist. Wie viele gleichen doch einem Kuchen, der nicht gewendet wurde! Diese Einseitigkeit verrät einem wachsamen, sehenden Auge, dass in vielen Fällen etwas radikal falsch ist. Häufig sehen Gläubige in der Wahrheit in erster Linie eine Lehrfrage, während sie sich zugleich erlauben, völlig nachlässig zu sein, wenn es um das tagtägliche Ausleben dieser Wahrheit geht. Sie sind wie ein Kuchen, der nicht gewendet wurde: auf der einen Seite schwarz und auf der anderen Seite der rohe Teig. Lehrmäßig mögen sie sehr genau sein. Aber was die Praxis anbelangt, sind sie eher locker und gleichgültig.
Bei anderen ist es hingegen umgekehrt: Sie legen viel Wert auf Erfahrungen bzw. die Praxis, besitzen jedoch eine geringe oder gar keine Wertschätzung für das, was leichtfertig als „trockene Lehre“ bezeichnet wird. Aber die Worte „Halte fest das Bild gesunder Worte“ (2Tim 1,13) sind ebenso wichtig wie ein Leben auf eine gottwohlgefällige Art und Weise. Denn die Lehre ist zweifellos die Grundlage aller Praxis. Folglich wird sich unsere Erfahrung als äußerst fehlerhaft erweisen, wenn sie nicht das Ergebnis einer Kenntnis der Gedanken Gottes ist, die uns sein Wort offenbart.
Lasst uns niemals vergessen, dass Wahrheit und Praxis ebenso zusammengehören wie unsere Stellung und unser Zustand, die nicht voneinander getrennt werden dürfen.
Der erste schwere Fehler Ephraims war, dass es sich mit fremdem Volk vermischte. Gott hatte Israel dazu berufen, abgesondert zu leben und nicht zu den Völkern gerechnet zu werden. Aus der Vermischung mit den Völkern, von denen sie einst abgesondert worden waren, resultierte immer nur Böses. Es war „das Mischvolk“, das Israel in der Wüste zuerst Schwierigkeiten bereitete. Sie murrten und verlangten statt nach dem Brot aus dem Himmel nach den Fleischtöpfen Ägyptens. Das Himmelsbrot ist ein Sinnbild von unserem Herrn Jesus Christus, der in Gnade herabkam, um den Hunger seines Volkes zu stillen (vgl. 2Mo 16; 4Mo 11; Joh 6). Oder denken wir an Bileam, der das Volk nicht verfluchen konnte, weil Gott es gesegnet hatte. Er lehrte Balak, einen Fallstrick vor die Kinder Israels zu legen: Er brachte sie dazu, sich mit den Töchtern Moabs zu vermischen. Als Folge davon brach ein schreckliches Gericht über sie herein, das nur durch den Speer von Pinehas abgewehrt wurde.
Die Vermischung mit Fremden führte auch zu der Katastrophe von jenem mächtigen Nasiräer: von Simson. Er gab das Geheimnis seiner Stärke preis, als er im Schoß Delilas lag. Ach, wie viele tapfere Diener Gottes sind seitdem auf ähnliche Weise schwach geworden wie alle Menschen!
Die böse Praxis der Vermischung kann durch die gesamte Geschichte des auserwählten Volkes hindurch verfolgt werden. Sie gipfelte schließlich darin, dass sie vom Herrn im Gericht verstoßen wurden. Sie wurden unter die Nationen zerstreut, bis sie die Gesellschaft der Fremden leid wurden, die ihre Kraft verzehrten und sie ins Verderben stürzten.
Dies ist eine wichtige und heilsame Lektion für uns, die wir mit einer höheren Berufung berufen sind. Gott fordert uns auf, uns von einer gottlosen Welt und einer verdorbenen Kirche abzusondern. Die Gleichgültigkeit gegenüber der Trennung von Reinem und Unreinem hat eine beklagenswerte Wirkung auf das Zeugnis und die Erfahrung von Tausenden. Wie langsam wir doch lernen. Oh, wenn wir doch Herzen hätten, die sich an den Herrn klammerten und sein Wort beherzigen würden: „Geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab“ (2Kor 6,17)!
Klammern wir uns besser nicht an eine vergebliche Hoffnung: Wir können niemand reformieren und wiederherstellen, der nicht aus Gott geboren ist, indem wir mit einer solchen Person Gemeinschaft pflegen oder eine innige Verbindung eingehen. Das wäre so, als würde man versuchen, Sperlingen oder Hänflingen – indem man einen Kanarienvogel mit ihnen in einen Käfig setzt – beizubringen, wie ein Waldlaubsänger zu singen. Das Ergebnis wäre lediglich, dass der Kanarienvogel seinen Gesang verlernen würde, während die Spatzen weiter zwitschern würden wie bisher. Ach, wie viele einst so frohe Gläubige haben doch ihr Lied verlernt, weil sie sich mit den Weltmenschen und der Weltkirche vermischt haben!
So jemand mag sich der Freiheit und großer Aufgeschlossenheit rühmen und sich dabei wie Ephraim genauso wenig des wahren Zustandes bewusst sein. Aber die geistlich Gesinnten schütteln betrübt ihre Köpfe. Sie sagen: „Fremde haben seine Kraft verzehrt, und er weiß es nicht; auch ist graues Haar auf sein Haupt gesprengt, und er weiß es nicht.“
Graues Haar ist ein Zeichen schwindender Kraft. Es verrät, dass es mit dessen Besitzer bergab geht – Altern und Vergänglichkeit haben eingesetzt. Aber Ephraim war sich, wie manche andere abtrünnige Herzen, überhaupt nicht seines wahren Zustandes bewusst. In einem solchen Fall mögen andere die grauen Haare „an ihm hier und dort“ bemerken: eine Nachlässigkeit hier, eine Gleichgültigkeit dort; eine zunehmende Vorliebe für weltliche Gesellschaft; immer weniger Zeit, die im Gebet und mit dem Wort Gottes verbracht wird; eine wachsende Liebe für seichte und alberne Beschäftigungen; und ein immer weniger häufiges Bekennen des Namen Jesu sowie eine zunehmende Neigung, sinnlose Gespräche zu führen (vgl. 1Tim 4,15.16).
Außerdem geht damit immer auch eine Anmaßung lässiger Überlegenheit einher: „Und der Stolz Israels zeugt ihm ins Angesicht.“ Aber es wird erst dann zu einer Hinwendung zu Gott und zu dem Verlangen kommen, Gottes Sichtweise über all das zu erfahren, wenn es durch Gottes Zucht zu einem Zerbruch kommt.