Behandelter Abschnitt Phlm 20-21
Phlm 20.21: Ja, Bruder, ich möchte gern Nutzen an dir haben im Herrn; erquicke mein Herz in Christo. Da ich deinem Gehorsam vertraue, so habe ich dir geschrieben, indem ich weiß, dass du auch mehr tun wirst, als ich sage.
Der Apostel wusste wohl, dass es so sein würde, wie Verse 20 und 21 aufdecken. Tatsächlich war sein Vertrauen zu Philemon so groß, dass er von ihm erwartete, dass er sogar darüber hinausging, was er bezüglich seiner Behandlung von Onesimus ihm eindringlich ans Herz legte. Eine wunderbare Anerkennung für Philemon! Kein Wunder, dass Paulus ihn mit
„unserem teuren Geliebten“ [King James Version, im Folgenden KJV; Phlm 1] ansprach.
Indem wir wissen, welch furchtbarer Schaden an dem gerechten Namen Christi unter Gottes Volk in Verbindung mit ähnlichen Ereignissen entsteht, empfinden wir, dass wir nicht genügend diesen wichtigen Brief betonen können. Es geht um folgende Punkte:
Bezüglich der verletzenden Partei: eine Rückkehr in aller Demut zu dem Verletzten mit Bekenntnis und Anerkennung von dessen Rechten bezüglich Wiedergutmachung.
Bezüglich der verletzten Partei: die Aufnahme des bereuenden Verletzenden in Gnade, mit der vollstmöglichen Anerkennung von allem, was Gott in ihm gewirkt hat; ob es durch Bekehrung, wie im Fall Onesimus, sei oder durch Wiederherstellung, wie es der Fall mit vielen von uns sein könnte.
Bezüglich der vermittelnden Partei: ein Fehlen von allem, was einem diktatorischen Geist nahekommt, verbunden mit glühender Liebe sowohl für den Verletzten als auch für den Verletzenden, sich ausdrückend in einer von Höflichkeit und Taktgefühl gekennzeichneten Weise.
Wir dürfen diesen Brief nicht abschließen, ohne die auffallende Weise zu bemerken, in der die ganze Geschichte veranschaulicht, was Mittlerschaft bedeutet und einschließt; sie veranschaulicht wirklich die Aussage: „Gott ist einer und einer Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus“ (1Tim 2,5). Gott ist der Eine, der „verletzt“ wurde durch die Sünde, der Mensch ist der Verletzende (Übertreter), der Mensch Christus Jesus ist der Mittler.
Wir können uns in Onesimus und seiner traurigen Geschichte wiederfinden. Wir waren auch „unnütz“. Wir taten Gott „Unrecht“ und waren folglich seine Schuldner, indem wir schuldeten, was wir nicht bezahlen könnten. Wir „wichen auch ab“ von Ihm, da wir Ihn fürchteten und uns wünschten, so weit wie möglich von seiner Anwesenheit entfernt zu sein. Unsere Entfremdung war die Frucht der Sünde.
Paulus’ Vermittlung zwischen Philemon und Onesimus veranschaulicht, obwohl nur schwach, was Christus getan hat. Können wir nicht fast den Heiland hören, der so spricht, als Er auf dem Kreuz unsere Ungerechtigkeiten auf sich lud und das Gericht aufnahm, das wir verdienten? Sollen wir Ihn nicht für immer preisen, dass hinsichtlich allem, was uns aufgrund unserer Sünden zuzuschreiben war, Er zu Gott sagte: „Rechne es mir an“?
Es gibt jedoch diesen Unterschied, dass, während Paulus schreiben musste: „Ich will [engl. auch „werde“] bezahlen“, unser auferstandener Erretter nicht das Futur [Zukunftsform] verwendet. Sein Wort zu uns im Evangelium als die Frucht seines Todes und seiner Auferstehung lautet: „Ich habe bezahlt.“ Er ist „unserer Übertretungen wegen hingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden. Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott“ (Röm 4,25; 5,1). In diesem Punkt weicht deshalb die Veranschaulichung weit von der Wirklichkeit ab.
Unsere Veranschaulichung scheitert auch darin, dass Gott keine solche Überredung benötigt zur vollständigen Ausübung der Gnade wie im Fall Philemons. Er ist selbst die Quelle der
Gnade. Er benötigt jedoch eine gerechte Grundlage, auf der seine Gnade erwiesen werden kann, so wie Paulus Philemon einen gerechten Grund für Gnade liefert durch die Übernahme aller Verpflichtungen von Onesimus. Mittlerschaft schließt die Annahme solcher Verpflichtungen ein, wenn sie völlig und wirksam ausgeübt werden soll, denn nur dann kann Gnade durch Gerechtigkeit regieren.
Preis sei Gott für die wirksame Mittlerschaft unseres Herrn Jesus, deren Ergebnisse ewig sind. Diesbezüglich hilft uns wieder unsere Veranschaulichung:
In der ersten Stelle ist Paulus’ Wort bezüglich Onesimus: „Nimm ihn auf“ [die KJV übersetzt Philemon 12: „den ich zurückgesandt habe: nimm ihn deshalb auf, das ist mein Inneres“]. Er sollte nicht ignoriert und noch weniger zurückgewiesen, aber aufgenommen werden. Wie völlig und wirklich hat Gott uns, die geglaubt haben, aufgenommen.
In der zweiten Stelle war das Wort „dass du ihn für immer aufnehmen solltest“ [KJV; Phlm 15] Früher waren die Beziehungen zwischen Onesimus und seinem Herrn von einer Weise, die gebrochen werden konnte und die in der Tat durch das Fehlverhalten von Onesimus gebrochen wurden. Jetzt sollte es neue Beziehungen von einer Ordnung geben, die nicht gebrochen werden könnten. Es ist gerade so in Gottes gnädigem Handeln mit uns. Als die Frucht des Werkes Christi stehen wir vor Ihm in Beziehungen, die unfehlbar sind und ewig.
Drittens äußert Paulus an Philemon eine Bitte, die sich so anhört, als könne dieser ihr beim besten Willen nicht entsprechen. „Wenn du mich nun für deinen Genossen hältst“, sagt er, „so nimm ihn auf wie mich“ (Phlm 17). Philemon hätte erwidern können: Beim besten Willen, das kann ich einfach nicht. Aufnehmen will ich ihn, auch aufnehmen für immer. Aber es wäre bloß Heuchelei, so zu tun, als ob ich mich dazu durchringen könnte, ihn so aufzunehmen, wie ich dich, mein lieber Paulus, aufnehmen würde. – Das, was Philemon kaum, wie wir uns zu denken erlauben, getan haben konnte, hat Gott getan. Jeder Gläubige, von Paulus selbst bis hinab zu uns und hinab zum Schwächsten von uns und zu jenen ganz zuletzt Bekehrten, hat keine andere Stellung vor Gott als „angenehm gemacht in dem Geliebten“ (Eph 1,6). Wir sind in aller Annahme und allem Gefallen von Christus selbst angenommen – eine erstaunliche, unbeschreibliche Sache und völlig unglaublich, würde sie nicht so im Wort Gottes festgelegt sein.
Darin ist die Veranschaulichung gänzlich zu Ende gelangt wie auch hinsichtlich der zugrundeliegenden Tatsachen, die das Ganze beherrschen. Wie zuvor bemerkt, war das Bindeglied zwischen Paulus, dem Vermittler, und Onesimus, dem Verletzenden (Übertreter), Liebe. Zwischen Paulus und Philemon, der verletzten Partei, war es Partnerschaft.
Wenn wir im Glauben zu dem verherrlichten Menschen Christus Jesus aufsehen, dem einen Mittler, erkennen wir bewundernd an, dass sein „Bindeglied“ mit Gott das der Partnerschaft ist, da Er Gott ist. Er ist deshalb groß genug, „seine Hand auf uns beiden zu legen“ (Hiob 9,33). Er kann seine Hand auf Gott selbst legen, weil Er sein „Genosse“ ist (Sach 13,7). Und doch hat Er seine Hand auf uns zu unserem ewigen Segen gelegt. Er hat uns in seine eigene Stellung und Beziehung gebracht, indem Er uns in der Kraft seiner ewigen Liebe verbindet.
Dennoch müssen wir hier wieder bemerken, wie der Vergleich abweicht, da Gott, der Vater, ebenso liebt wie Christus, der Sohn. Des Vaters Liebe und die Liebe Christi sind wunderbar ineinander verflochten.