Behandelter Abschnitt Jes 8
Jesaja 8
Die am Ende von Kapitel 7 angezeigte Verwüstung sollte ohne Verzögerung eintreffen. Der Prophet schildert hier die Zeichen dafür und lässt es von treuen Zeugen bestätigen. Der Sohn des Propheten und eine große Gedenktafel stehen vor den Augen des Volkes, um es vor den Ereignissen zu warnen, die sich zu ihrer Zeit buchstäblich erfüllten, und zwar bei der Einnahme Samarias und der Gefangennahme seiner Bewohner durch die Hand Salmanesers, des Königs von Assyrien (2Kön 17).
Die Geduld Gottes mag lange dauern, aber es kommt ein Tag, an dem Er das Gericht unwiderruflich ausführt. Seine Heiligkeit verlangt es: „Heilig, heilig, heilig ist der Ewige der Heerscharen“, riefen die Seraphim in Kapitel 6. Diese Heiligkeit kann das Böse nicht ertragen.
Der Prophet lenkt unsere Gedanken über die unmittelbaren Ereignisse hinaus: Er führt uns zum Ende der Tage. Er zeigt uns noch viel schrecklichere Gerichte als die, die schon stattgefunden haben. Sie werden sich am Ende auf das Land Immanuels ergießen, weil das Volk sein Vertrauen auf Menschen gesetzt und die Wasser der Gnade, die ihnen durch den göttlichen „Siloah“, den Gesandten, gebracht wurden, verachtet hat.
Wir wissen, was geschehen ist: Das Volk hatte für Ihn nicht die geringste Wertschätzung übrig und verwarf Ihn. Aber ein armer, blinder Bettler hatte geöffnete Augen und war imstande, den Sohn Gottes, seinen „Gesandten“ zu sehen.
Weil die Wasser der Gnade verachtet wurden, sind es nun die Wasser des Gerichts, „die mächtigen und großen“, die das Land überfluten und „bis an den Hals“ reichen werden; ein Gericht, das sowohl Juda als auch Israel treffen wird. In diesem Abschnitt sucht das Volk, anstatt zu Gott umzukehren und seine Schuld einzugestehen, eine Stütze bei den Menschen. Mit wenigen Worten wird seine Torheit geschildert: „Tobt, ihr Völker!“ Und was ist das Resultat dieser Auflehnung? „Ihr werdet zerschmettert!“ – „Gürtet euch!“ Resultat: „Ihr werdet zerschmettert!“ – „Beschließt einen Ratschlag!“ Resultat: „Er soll vereitelt werden“ – „Redet ein Wort.“ Resultat: „Es soll nicht zustande kommen.“
Trotz aller zur Schau gestellten Macht und dem Abschließen von allen möglichen Bündnissen, trotz aller Kriegsvorbereitungen und aller Beratungen hat das Volk keinen Frieden. Ganz im Gegenteil, überall herrscht Furcht. Angst vor Verschwörungen und Schrecken erfüllen alle Herzen. Es ist eine Zeit der Drangsal. Es gibt Schlingen, Fallstricke, Zerschmetterungen, und schließlich folgt die Gefangenschaft. Unglückliches Volk! Es sinkt immer tiefer hinab. Verlassen vom Verstand, fragt es nicht nach seinem Gott und wendet sich den Geisterbeschwörern und Wahrsagern, der Macht Satans selbst zu! … Es zieht hungernd umher, es ist verärgert und verflucht seinen König und seinen Gott. Es blickt zum Himmel auf, aber der Himmel scheint ihm verschlossen. Er ist für das Volk wie eine Buchrolle, die sich zusammenrollt, in der niemand mehr etwas lesen kann. Weil es also keine Hoffnung mehr findet und nicht weiß, wie es die Rettung von Gott erlangen kann, richtet es seine Augen auf die Erde. Wird es da Hilfe finden? Nein, hier sind Drangsal und Finsternis, angstvolles Dunkel. Das alles gleicht den Vorboten der äußeren Finsternis, wo das Weinen und das Zähneknirschen ist. Ihr, die ihr euch heute von Gott abwendet, lest diese Seiten und denkt darüber nach, wir bitten euch darum!
Inmitten dieser verwüsteten Umgebung sehen wir einen treuen Überrest, der mit einem besonderen Namen bezeichnet wird: die Jünger. Sie rechnen mit dem Herrn, auch wenn Er sein Angesicht vor den Augen des Hauses Jakobs verbirgt. Er ist für sie wie ein Heiligtum. Vom ungläubigen Volk werden sie für besondere Leute gehalten, ein Wunder inmitten der Übrigen. Aber der Herr ist mit ihnen, Er stärkt, ermutigt und belehrt sie. Er sagt ihnen: Handelt nicht wie dieses Volk, fürchtet nicht ihre Furcht, erschreckt nicht. Nur Einer soll eure Furcht und euer Schrecken sein. Der Herr der Heerscharen ist es, der alles lenkt und alles zu eurer Befreiung mitwirken lässt.
Scheint es nicht, dass diese Seite für die heutige Christenheit geschrieben ist? Sie befindet sich in gleichen Umständen wie Israel zur Zeit Jesajas. Das Gericht, das seit bald zweitausend Jahren durch das Evangelium Gottes vom Himmel her kundgemacht worden ist, wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Es wird jeden Tag durch treue Zeugen, Diener Christi, die das Evangelium weitertragen, angekündigt. Da sich der Heilige Geist jetzt noch auf der Erde befindet, ist Er nicht wie ein großes Schild an der Tür des Hauses Gottes selbst, das mit lauter Stimme verkündet, dass die Welt „von Sünde und von Gerechtigkeit und von Gericht“ überführt ist (Joh 16,8)?
In der Weltgeschichte hat man nie so viele Staatenbündnisse, politische und militärische Verbindungen und Kriegsvorbereitungen gesehen wie heute, während man zur gleichen Zeit große Friedenskundgebungen veranstaltet. Trotzdem herrschen Angst und Beklemmung in den Herzen. Friede und Sicherheit sind nirgends zu finden. Aber weshalb sollten wir uns beunruhigen und aufregen, da Gott uns doch im Voraus sagt, was das Resultat sein wird: ein vollständiger Zusammenbruch. Und doch sehen wir bei den Menschen nicht den geringsten Wunsch, zu Gott umzukehren und Ihm ihre Fehler und ihre Verkehrtheit zu bekennen. Die große Masse der Menschen sieht keine andern Hilfsquellen als jene, die im Menschen zu finden sind. Der Himmel scheint ihnen verschlossen, und sie kümmern sich überhaupt nicht darum. Die Kraft des Irrtums, die vorausgesagt wurde, scheint bereits zu wirken, und Finsternis bedeckt eine leere und verödete Erde.