Behandelter Abschnitt Heb 6,9-12
So ist es jetzt in der Christenheit. Was ist es im Allgemeinen anderes als Land, das den Regen getrunken hat, der oft über es kommt, aber statt fruchtbare Kräuter hervorzubringen, Dornen und Disteln trägt? Nach Gottes Wort ist es deshalb verworfen und dem Fluch nahe (Lk 17,28-37; Röm 11,21.22; 1Kor 10,1-15; 2Thes 2; 2Tim 3 und 4; Off 17). Soll es nicht verbrannt werden? Siehe dazu 2. Thessalonicher 1,7-10. Die scheinbare Macht ist längst auf den Nullpunkt herabgesunken; aber die schreckliche Tatsache ist, dass die Klassen und die Massen sich gleichermaßen von der Wahrheit des Evangeliums entfernen und in eine abergläubische Nachahmung des verblassten und verdammten Judentums oder in eine noch kühnere Rückkehr zum Heidentum in Form seiner ungläubigen Philosophie verfallen. Und der Rückschritt in beide Richtungen ist in unserer Zeit erstaunlich schnell und unverblümt.
Aber der Apostel dachte nicht so an die, die stehen, und sei es noch so schwach, während andere weggehen. Die Beständigkeit im Guten ist von Gott, der die Seinen nicht ohne andere Zeichen des Lebens gelassen hat. Denn die Bäume sind nicht tot, die ein wenig Frucht tragen. Und dazu werden wir in den folgenden, ermutigenden Worten angehalten.
Wir sind aber in Bezug auf euch, Geliebte, von besseren und mit der Errettung verbundenen Dingen überzeugt, wenn wir auch so reden. Denn Gott ist nicht ungerecht, euer Werk zu vergessen und die Liebe, die ihr für seinen Namen bewiesen habt, da ihr den Heiligen gedient habt und dient. Wir wünschen aber sehr, dass jeder von euch denselben Fleiß beweise zur vollen Gewissheit der Hoffnung bis ans Ende, damit ihr nicht träge werdet, sondern Nachahmer derer, die durch Glauben und Ausharren die Verheißungen erben (6,9–12).
Dass wir uns von allen anderen Abhängigkeiten lossagen, außer von Christus als unserem Herrn und Erlöser, ist der Glaube, der die Seele rettet, der einzige unveränderliche Ruhepunkt für jeden, der sich seiner Sünden und der Schlechtigkeit der Natur, die sie hervorbrachte, bewusst ist, so bereit wie immer, auszubrechen, wenn wir nicht durch Gottes Gnade in dem Geheimnis bewahrt werden, dass wir mit Christus der Sünde gestorben und daher frei sind, der Gerechtigkeit zu leben. Andere können das nicht sehen, aber sie können und sollen im Christen die Früchte des Geistes sehen; wie hier der Apostel, nachdem er so feierlich ermahnt hatte, die Gläubigen durch die „besseren Dinge“ ermutigen konnte, von denen er im Blick auf sie überzeugt war. „Verbunden“ ist eine häufige Bedeutung des verwendeten Begriffs (ἐχόμενα). Hier wird er, wie oft im gewöhnlichen Griechisch, durch den Zusammenhang verändert und bedeutet nicht „nachfolgend“, sondern „zur“ oder „im Zusammenhang mit“ der Erlösung. Gott ist die Liebe, und die „Liebe“ ist von Gott, der an der Wirklichkeit des „Werkes“ mehr Gefallen findet als an den Vorstellungen, die mit dem Menschen beginnen und enden; und was ist von ihm zu halten? „Lasst ab vom Menschen, in dessen Nase nur ein Odem ist!“ (Jes 2,22). Er, der allein nützt, ist allen nahe, die Ihn anrufen. Wenn aber der Glaube der Eingang zu allem Göttlichen ist, so wirkt er durch die Liebe und legt so Zeugnis für andere ab. Auch sind es nicht nur die, die glauben und lieben, die jede gute Frucht begrüßen, sondern „Gott ist nicht ungerecht“, wenn er vergisst, was seine Gnade hervorbringt: „euer Werk zu vergessen und die Liebe, die ihr für seinen Namen bewiesen habt, da ihr den Heiligen gedient habt und dient“ (V. 10). So wird unser Herr, wenn er als Sohn des Menschen auf seinem Thron sitzt, zu den Heiden, die zu seiner Rechten sind, sagen: „... insofern ihr es einem der geringsten dieser meiner Brüder getan habt, habt ihr es mir getan“ (Mt 25,40).
Aber es ist falsch und töricht zu sagen, dass Liebe ohne Glauben sein kann. Doch das annehmbare Werk ist das, was man seinem Namen gegenüber zeigt, und ganz besonders im Dienst an seinen Heiligen. Man kann allen Glauben als Gabe haben, so dass man Berge versetzen kann; aber ohne Liebe ist man nichts. Ja, wenn ich alle meine Habe zur Speisung der Armen austeile, und wenn ich mit Mut und Eifer meinen Leib der Verbrennung preisgebe, aber nicht Liebe habe, so nützt es mir nichts. Christus ist der wahre Prüfstein. „Jeder, der den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, hat auch den Vater“ (1Joh 2,23). Dann: „Jeder, der den liebt, der geboren hat, liebt auch den, der aus ihm geboren ist“ (1Joh 5,1). Und weiter: „Hieran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten“ (1Joh 5,2). Das ist zwar keine aristotelische Logik und auch keine Wissenschaft, aber es ist die einzig wahre und göttliche Nächstenliebe. Und wie sie bei diesen gläubigen Hebräern bekannt war, so sieht der Apostel sie weitergehen. Denn die Liebe, die aus Gott ist, ist nicht blind, sondern sie sieht klar, wenn das Auge einfältig ist.
Und doch gab es einen Mangel, den er gern behoben sehen möchte. „Wir wünschen aber sehr, dass jeder von euch denselben Fleiß beweise zur vollen Gewissheit der Hoffnung bis ans Ende“ (V. 11). Er war weit davon entfernt, die Hoffnung mehr zu vernachlässigen als den Glauben, denn die Liebe ist die größte und bleibt in voller Ausübung, wenn Glaube und Hoffnung im Glanz der himmlischen und ewigen Frucht verschwinden. Denn wir sind noch hier auf der Erde, wenn auch durch den Glauben vom irdischen Heiligtum befreit, und haben das Recht, den Himmel als unser eigentliches Vaterland zu betrachten; denn Christus ist dort unser Leben, und der Heilige Geist ist hier, um uns die gegenwärtige Freude, das Unterpfand des Erbes, zu geben. Darum müssen wir uns von den gegenwärtigen Dingen, die wir sehen, fernhalten, indem wir unsere Augen auf die ewige, unsichtbare Herrlichkeit richten (2Kor 4). Und wir rechnen falsch, wenn wir nicht mit dem Apostel rechnen, dass die Leiden dieser Zeit nicht wert sind, mit der Herrlichkeit verglichen zu werden, die an uns offenbart werden soll. „Eine Hoffnung aber, die gesehen wird, ist keine Hoffnung; denn was einer sieht, was hofft er es auch? Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir mit Ausharren“ (Röm 8,24.25).