Abraham wurde die Verheißung gegeben, nicht das Gesetz. Abraham wusste nichts vom Gesetz, noch sein Nachkomme und sein Sohn; dennoch konnten sie nicht leugnen, dass Abraham den Segen bekam. Damit steht er hier auf einem neuen Boden. Es ist nicht nur so, dass Menschen, die Glauben haben, den Segen bekommen – doch warum nicht auch den Glauben an das Gesetz? Der letzte Teil des Kapitels greift diese Frage auf und zeigt, dass Gott Verheißungen gegeben hat; und die Frage ist, wie man Gottes Gesetz mit seinen Verheißungen in Einklang bringen kann. Wozu hat Er diese beiden Dinge gegeben? Waren sie dazu bestimmt, denselben Zweck zu erfüllen? Ruhten sie auf demselben Prinzip? Der Heilige Geist klärt diese Fragen.
Er sagt nicht: „und den Nachkommen“, als von vielen, sondern als von einem: „und deinem Nachkommen“, welcher Christus ist (3,16b).
Hier wird deutlich, dass sich die Anspielung auf zwei verschiedene und bedeutende Ereignisse in Abrahams Geschichte bezieht. Diese beiden Ereignisse betrafen erstens Abraham allein (1Mo 12) und zweitens Isaak, oder vielmehr Isaak allein (1Mo 22). In 1. Mose 22 wird sowohl auf die zahlreichen Nachkommenschaft als auch auf den einzelnen Nachkommen Bezug genommen. Mit der zahlreichen Nachkommenschaft verbindet Gott das Besitzen des Tores ihrer Feinde – das heißt, die jüdische Vorherrschaft, aber das ist nicht das, was man als Christ erwirbt. Ich will nicht, dass meine Feinde gestürzt werden, sondern dass sie zu Christus gebracht werden. Aber die Juden als solche werden durch Christus nach und nach nicht nur Segen haben, sondern sie werden ihre Feinde niederschlagen. Israel wird auf der Erde erhöht werden, was Gott den Nationen nie versprochen hat.
In 1. Mose 22 sind die beiden Dinge ganz unterschiedlich. Wo von der Nachkommenschaft ohne Anspielung auf die Zahl gesprochen wird, kommt der Segen der Heiden ins Spiel; wo aber gesagt wird, dass sie sich vermehren werden wie die Sterne und der Sand, da ist der Charakter eindeutig jüdischer Vorrang. Das ist, glaube ich, das Argument des Apostels. Wo Christus, der durch Isaak vorgebildet wird, gemeint ist, heißt es einfach „dein Nachkomme“, ohne ein Wort von Nachkommen, die so zahlreich sind wie die Sterne oder der Sand. „Abraham aber waren die Verheißungen zugesagt und seinem Nachkommen“ (V. 16a), und zwar von der Segnung der Nationen, und nicht bloß von der Niederwerfung der Nationen. Die Verheißungen wurden zuerst Abraham gegeben, und dann wurden sie in seinem Nachkommen bestätigt. „Er sagt nicht: ,und den Nachkommenʻ, als von vielen, sondern als von einem: ,und deinem Nachkommenʻ, welcher Christus ist“ (V. 16b). Er geht um Christus als den, den Isaak vorbildet.
Erinnern wir uns an die Umstände, unter denen Gott die Verheißung in Isaak als Vorbild für Christus gegeben hat! In 1. Mose 22 ist Isaak bereit, als Opfer dargebracht zu werden, und Abraham wusste bis zum letzten Augenblick nicht, ob sein Sohn sterben würde. Drei Tage lang stand Isaak sozusagen unter dem Urteil des Todes. Abraham hatte Vertrauen in Gott, der ihm versprochen hatte, dass er durch Isaak das Land besitzen würde; und er war daher sicher, dass sich die Verheißung gerade durch diesen Isaak erfüllen musste. Es ging nicht darum, dass Sara einen anderen Sohn bekommen würde, sondern um diesen Sohn, seinen einzigen Sohn. Er war sich daher völlig sicher, dass Gott ihn auferwecken und ihm wieder zurückgeben würde, um das Haupt der jüdischen Familie zu sein. Das ist ein schönen Vorbild dafür, dass Gott seinen eigenen Sohn nicht verschont. Abraham hatte seinen Sohn so gut wie geopfert, und Gott gab Isaak nicht nur wieder zurück, sondern gab auch die Verheißung: „und in deinem Nachkommen werden sich segnen alle Nationen der Erde“ (1Mo 22,18). So erhalten wir unseren Segen in dem auferstandenen Christus. Der gestorbene und auferstandene Christus ist vollkommen frei, die Nationen zu segnen.
Solange Er nur auf der Erde lebte, sagte Er: „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt“ (Mt 15,24), aber als Er auferstand, war alles anders. Dementsprechend beauftragt Er seine Jünger: „Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern“ (Mt 28,19). Und so hat Er vorhergesagt, dass das Evangelium unter allen Völkern verkündet werden müsse. Der Apostel lenkt die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass dieser frühere Ausspruch nicht die zahlreichen Nachkommen einbezieht, als Gott von der Segnung der Nationen sprach, sondern den einen Nachkommen, Isaak, als das Vorbild von Christus, und zwar von Christus, nachdem Er im Tod gewesen und auferstanden war. Die Bedeutung dessen ist sehr weitreichend; denn während Christus auf der Erde war, stand Er selbst unter dem Gesetz. Doch was hatte Er als Auferstandener aus den Toten mit dem Gesetz zu tun? Das Gesetz hat keine Autorität über einen Menschen, wenn er gestorben ist.