Behandelter Abschnitt Röm 16,17-18
Es ist jedoch nicht alles die Freude der Liebe in diesen abschließenden Botschaften des Apostels. Die Größe seines Herzens hatte mit Freude alles zur Kenntnis genommen, was wahr, würdig, gerecht, rein, lieblich und wohllautend war; wenn es irgendeine Tugend und irgendein Lob gab, dachte er an diese Dinge, als er an die Gläubigen in Rom schrieb, und er schrieb ein Andenken Christi auf jeden Namen, der vor seinen Geist kam. Aber es gab auch ganz andere Dinge, Menschen von einer anderen Gesinnung und einem anderen Zustand, die ganz im Gegensatz zu Christus standen. Es bedurfte aber der Kraft des Geistes, um diese in ihren Anfängen zu erkennen und sowohl den Charakter als auch das Ende all dieser Wege zu ergründen. Denn ich kann die Vorstellung von Olshausen nicht annehmen, dass die Personen, vor denen der Apostel die Gläubigen in Rom warnt, dort noch nicht in Erscheinung getreten wären. Der Umstand, dass wir erst am Ende des Briefes eine kurze, allgemein gehaltene Ermahnung gegen Spaltungen finden, ist noch lange kein Beweis dafür, dass es die betreffenden Personen in Rom gar nicht gab. Das ist nicht der Weg des Geistes Gottes. Er mag prophetisch sprechen, aber er geht von einer tatsächlichen Grundlage der Feindschaft gegen den Herrn und der Gefahr für die Gläubigen aus. Natürlich würde sich das Übel immer schlimmer entwickeln, aber in den Briefen besonders und in der Schrift im Allgemeinen, gab es zu dieser Zeit moralisches Unheil vor seinen Augen, das seine Sorge um die Gläubigen hervorrief, wozu er ihnen eine Ermahnung gibt.
Ich ermahne euch aber, Brüder, auf die zu achten, die Zwiespalt und Ärgernis anrichten, entgegen der Lehre, die ihr gelernt habt, und wendet euch von ihnen ab. Denn solche dienen nicht unserem Herrn Christus, sondern ihrem eigenen Bauch, und durch süße Worte und schöne Reden verführen sie die Herzen der Arglosen. Denn euer Gehorsam ist zu allen hingelangt. Daher freue ich mich über euch; ich will aber, dass ihr weise seid zum Guten, aber einfältig zum Bösen. Der Gott des Friedens aber wird in kurzem den Satan unter eure Füße zertreten. Die Gnade unseres Herrn Jesus [Christus] sei mit euch! (16,17–20).
Die mangelnde Unterwerfung des Geistes ist eine gefährliche Sache unter denen, die öffentlich oder privat lehren, ganz gleich, ob nur privat oder öffentlich. Es ist die von Christus abgetrennte Wahrheit und jenes Bewusstsein der göttlichen Autorität und der Abhängigkeit von der Gnade, die wir alle brauchen, um uns auf dem rechten Weg zu halten, am meisten vielleicht diejenigen, die lehren. Nur wenige Menschen stehen in einer solchen Gefahr, in göttlichen Dingen geistig aktiv zu sein; und das nicht nur aus Selbstüberschätzung, sondern aus dem Wunsch heraus, das Verlangen nach dem Neuen unter den Gläubigen selbst zu befriedigen. Die Erregung des Neuen ist dazu angetan, den natürlichen Verstand mitzureißen, besonders bei den Schwachen, zum Schaden aller, sowohl der Lehrer als auch derer, die belehrt werden. Die göttliche Offenbarung, nicht menschliche Gedanken darüber, bewirkt allein die Herrlichkeit Christi und das Wohl der Gläubigen. Wie der Heilige Geist sie zu diesem Zweck geschrieben hat, so kann Er allein sie in der Praxis verwirklichen. Die geistige Tätigkeit sammelt sich um ihre eigene Quelle und bildet eine Schule; die vom Geist gewirkte Wahrheit richtet das Fleisch in seiner schillerndsten Form, nährt den neuen Menschen und baut den Leib Christi zur Ehre Gottes auf.
Die Brüder werden also aufgefordert, sich vor solchen zu hüten, die diese Zwiespalte und Ärgernisse anrichteten. Das, was sie bereits gelernt hatten, sollte als Prüfung für diese gewagten Aussagen dienen, die die Natur unter dem Vorwand der völligen Verurteilung verhätschelten. Auch die Askese ist nicht die Verleugnung des Ichs, noch weniger ist sie Christus. Die scheinbar entgegengesetzte Schlinge, durch die Wahrheit im großen Stil Gutes in der Welt zu tun, ist noch offensichtlicher vom Kreuz entfernt und ihm zuwider. Was auch immer die Form des Widerspruchs zu der Lehre sein mag, die wir gelehrt wurden, die Pflicht der Gläubigen ist es, sich abzuwenden; denn solche dienen nicht unserem Herrn Christus, sondern ihrem eigenen Bauch: So verächtlich charakterisiert der Heilige Geist ihr Werk, mag es noch so raffiniert im Aussehen sein, mag es noch so laut mit seiner eigenen überlegenen Geistlichkeit prahlen. Aber nicht der ist bewährt, der sich selbst empfiehlt, sondern der, den der Herr empfiehlt. Dennoch sind die Herzen der Arglosen in Gefahr, durch das Einleuchtende und die Schönrednerei dieser Parteimacher getäuscht zu werden, und werden entsprechend gewarnt. Denn der Geist des Gehorsams, der jenen Lehrern fehlte, setzte sie den Belehrten aus, wenn er nicht von Wachsamkeit begleitet war; ich sage nicht Misstrauen, denn das ist ein unverschuldetes Übel und die Frucht eines verdorbenen Herzens, nicht die heilige Tat des Glaubens, eifrig für die Ehre des Herrn und das Wohl der Gläubigen.
Wenn also die in Rom durch ihren Gehorsam auffielen, so war das für den Apostel nur ein Grund, das, was wahrhaftig von Gott ist, nicht abzuschwächen, sondern durch das, was ebenso ist, zu schützen. „Daher freue ich mich über euch; ich will aber, dass ihr weise seid zum Guten, aber einfältig zum Bösen“ (V. 19). Das ist das göttliche Heilmittel, so wie es unser Herr selbst in Matthäus 10,16 bildlich ausgedrückt hat; es verbindet die Klugheit der Schlange mit der Einfalt oder Harmlosigkeit der Taube. Die menschliche Weisheit versucht, sich durch eine gründliche Kenntnis der Welt und aller bösen Wege zu schützen. „Dies ist nicht die Weisheit, die von oben herabkommt, sondern eine irdische, sinnliche, teuflische. … Die Weisheit von oben aber ist erstens rein, dann friedsam, milde, folgsam, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ungeheuchelt“ (Jak 3,15.17). Sie braucht die Bekanntschaft mit dem Bösen nicht zu pflegen; sie kennt das Gute in Christus, sie ist zufrieden und betet an. Sie hört und liebt die Stimme des guten Hirten; die Stimme eines Fremden kennt sie nicht und wird ihr nicht folgen. Und dies, wie es dem einfachsten, zur Erkenntnis Gottes gebrachten Gläubigen entspricht, so mag es heute sein, so wird es allein das weiseste, weil es nur den Herrn verherrlicht, wie es ja auch der einzige Weg der Sicherheit für uns ist, die wir so sind wie wir sind und in einer solchen Welt. Denn in ihr hat das Böse noch die Oberhand, obwohl der Gläubige das Geheimnis des Sieges über sie hat, die bereits im Kreuz Christi besiegt wurde.
Noch erscheint nichts von diesem Sieg im Ganzen, was auch immer das Zeugnis des Glaubens sein mag, auch damals nicht ohne äußere Zeichen für den Unglauben; aber mitten im Kampf wird das Herz getröstet und ermutigt, denn „der Gott des Friedens aber wird in kurzem den Satan bald unter eure Füße zertreten“ (V. 20a). Die erste Offenbarung der Gnade mag unserer Ungeduld als langwierig erscheinen, aber der Glaube kann sich auf das Wort bald stützen. Treu ist Er, der uns berufen hat und es geredet hat, der es auch tun wird. Das lässt das Gebet des Apostels wieder aufleben: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch!“ (V. 20b). Sie brauchten sie, wie auch wir.