Das ist der neue Platz des positiven Segens, der uns gegeben ist, wenn wir uns durch den Glauben so sehen. Das ist die gegenwärtige praktische Folge, wie wir auch gesehen haben, was für uns zukünftig ist. „Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen“ (V. 14) – nicht die Sünde als personifizierter Herrscher jetzt, sondern keine Sünde in irgendeiner Form oder einem Maß.
Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz9, sondern unter Gnade (6,14).
Dies schließt die vorangegangene Erörterung ab und bereitet einen neuen Schritt vor, der in der folgenden Argumentation zu finden ist.
Welch ein gesegneter Trost bis hierher und wie kompromisslos festgelegt in dem Teil, der den Missbrauch der Barmherzigkeit Gottes und der Freiheit des Christen durch das Fleisch widerlegt! „Denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade“ (V. 14).
Es ist schmerzlich zu sehen, wie solche, die bekennen, an das Evangelium zu glauben, und die sowohl Christus als auch sein Werk wertschätzen, sich der Kraft seines Wortes entziehen und versuchen, dem Christen die Unterwerfung unter das Gesetz aufzudrängen, die der Geist hier ausdrücklich verneint. Das Gesetz ist die Kraft der Sünde; denn durch seine Zwänge und Verbote kann es das Fleisch nur reizen. Es gibt niemals Kraft zur Heiligkeit, genauso wenig wie zum Leben: Die Gnade, nicht das Gesetz, belebt, rettet und stärkt. Wenn die Gläubigen unter dem Gesetz sein könnten, müsste die Sünde über sie herrschen.
Es ist vergeblich zu sagen, dass der Apostel hier davon spricht, dass wir in Christus für gerecht erklärt werden. Das ist nicht der Fall: Er spricht über den Lebenswandel des Christen als Antwort auf den Einwand, dass die Gnade dazu neigt, nachlässige Verhaltensweisen gutzuheißen. Es geht also um eine Lebensregel, um ihr Prinzip und ihre Quelle. Solche, die Einwendungen hatten, waren damals wie heute dem Irrtum verfallen, anzunehmen, dass das Gesetz, obwohl es nicht in der Lage ist, die Vergebung der Sünden zu geben, der Grundsatz der Gerechtigkeit für den Christen ist. Rechtfertigung von der Sünde, nicht von den Sünden, ist der Punkt, um den es geht, und wie das Blut Christi die Sünden des Gläubigen vor Gott abwäscht, so wird er von der Sünde gereinigt; nicht einfach dadurch, dass Christus für ihn gestorben ist, sondern dadurch, dass er mit Christus gestorben ist. Denn der, der gestorben ist, ist von der Sünde gerechtfertigt. Es geht um die Natur und folglich um den Wandel des Gläubigen; und das Heilmittel ist hier, wie überall, in Christus; aber es ist im Tod mit Ihm, wovon die Taufe das Zeichen ist.
Es kann auch keine weniger heilige Lehre geben als die Vorstellung, die unter den Puritanern wie auch unter anderen, die noch weniger einsichtig sind und ein weniger frommes Verlangen haben, so weit verbreitet ist, dass der Tod Christi die verdammende Kraft des Gesetzes für den Glauben weggenommen hat, aber den Christen als ein Leitfaden seiner Wege unter ihm belässt. Ein Gesetz, das nicht mehr das Abweichen von sich selbst oder die, die sich seiner schuldig gemacht haben, verurteilen kann, ist gegenstandslos. Es gehört zum Wesen des Gesetzes, nicht nur die Pflicht vorzuschreiben, sondern jede Übertretung seiner Forderungen zu verurteilen. Deshalb lehrt unser Apostel an anderer Stelle: „Denn so viele aus Gesetzeswerken sind [d. h. so viele Menschen, die auf dem Grund oder Prinzip der Werke des Gesetzes sind, nicht nur so viele, die das Gesetz gebrochen haben] sind unter dem Fluch“ (Gal 3,10).
Es ist also eine falsche Lehre und wirklich widersinnig in ihrer Grundlage, dass das Gesetz seinen Stachel oder seine verdammende Macht für die, die unter ihm stehen, verloren hat. Das ist nicht der Segen der Erlösung. Das Gesetz ist nicht tot. Es behält seine ganze Kraft gegen die Bösen, wie der Apostel zeigt. Es ist nichts Böses, sondern etwas Vortreffliches, wenn es rechtmäßig angewendet wird; aber den Gerechten und Gläubigen wird es unrechtmäßig auferlegt. Der Christ, auch wenn er Jude gewesen wäre, ist nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade; und dies nicht durch den Tod des Gesetzes, der nicht sein kann und nicht sein wird, sondern durch seinen eigenen Tod mit Christus. Wie ein Toter nicht mehr sündigen kann, so gilt das Gesetz nicht für jemanden, der als tot angesehen wird. So betrachtet Gott den Christen, der nicht nur versöhnt, sondern mit Christus gestorben ist; und der Glaube betrachtet den, der ihn besitzt, wie Gott es tut. So bleibt das Gesetz unantastbar; und die Befreiung des Christen besteht nicht in der Schwächung oder gar Milderung des Gesetzes, sondern in der Veränderung des Platzes, den die Gnade gibt. Der Gläubige ist mit Christus gestorben und wird so von der Sünde gerechtfertigt und vom Gesetz befreit. Nebukadnezars Schmelzofen verbrannte nicht weniger, obwohl die drei Hebräer unversehrt blieben. Der Fluch fiel auf den gekreuzigten Christus; der Gläubige ist in dem auferstandenen Christus. „Also ist jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind“ (Röm 8,1).
9 Die Kommentatoren quälen sich, diese Worte mit ihren eigenen Ansichten in Einklang zu bringen, die sie verurteilen; aber sogar Calvin und Beza geben zu, dass es sich um ein Gesetz handelt, ein moralisches Gesetz (nicht das Gesetz unserer Glieder, noch der Zeremonien, noch weniger ein nationales oder politisches Gesetz). „Quare non est dubium, quin hic aliquam ab ipsa Domini Lege manumissionem indicare voluerit“, sagt Ersterer (in loco). Das heißt, der Zusammenhang entscheidet für ihn zweifelsfrei, dass der Apostel hier eine gewisse Freiheit von dem Gesetz des Herrn selbst andeuten wollte. Aber seine Erklärung ist ganz und gar unvollkommen und ungesund, da sie sich in bloße natürliche Gedanken einfügt und ihnen nachhilft und so dazu beiträgt, den niedrigen Zustand der Praxis herbeizuführen, der sogar unter dem frommen Teil der Reformierten herrscht. „Damit sie nicht durch das Bewusstsein ihrer Schwachheit verzagen, kommt er ihnen zur rechten Zeit zu Hilfe, indem er einen Trost einschiebt, der sich aus der Erwägung ergibt, dass ihre Werke jetzt nicht durch das strenge Kriterium des Gesetzes geprüft werden, sondern dass Gott, indem er ihre Unreinheit aufhebt, sie freundlich und gütig annimmt ... Nicht unter dem Gesetz zu sein, bedeutet also, dass wir nicht mehr dem Gesetz ausgesetzt sind, das vollkommene Gerechtigkeit verlangt und den Tod über alle ausspricht, die in irgendeiner Weise davon abgewichen sind.“ Der Gedanke ist, dass wir, wenn wir unter der Gnade stehen, von den strengen Anforderungen des Gesetzes befreit sind. So wird die Gnade zu einer Art gemildertem Gesetz, was genau das ist, was das Fleisch sich wünschen würde – ein Gesetz, das vorschreibt, aber keine Macht hat, zu verurteilen. Dass dies von sich aus zu Nachlässigkeit führen muss und daher im Prinzip wirklich antinomisch ist, scheint offensichtlich und sicher. Es ist eine ungerechtfertigte Vermischung von Gesetz und Gnade, die den wahren Charakter und die Reichweite beider zerstört. Die Wahrheit ist, dass Christus die Gläubigen, die unter dem Gesetz waren, vom Fluch erlöst hat; aber Er hat in keiner Weise den Fluch des Gesetzes weggenommen. Unsere Segnung ist aus Glauben, damit sie aus Gnade sei; aber das Gesetz, wie die Schrift sagt, ist nicht aus Glauben. Wie wir durch den Glauben gerechtfertigt wurden, so wandeln wir auch durch ihn; denn wir sind nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade. Wer sich des Mordes enthält, nur weil das Gesetz es verbietet, der ist ein böser Mensch und nicht gläubig.↩︎