Der Apostel scheint durchgehend kaum seine gewöhnliche geistliche Atmosphäre zu atmen. Das kommt im Folgenden noch deutlicher zum Ausdruck:
Da Paulus aber wusste, dass der eine Teil von den Sadduzäern, der andere aber von den Pharisäern war, rief er in dem Synedrium: Brüder, ich bin ein Pharisäer, ein Sohn von Pharisäern; wegen der Hoffnung und Auferstehung der Toten werde ich gerichtet (23,6).
Hier zeigt sich der Kern der Sache. Der Apostel nutzt die Kluft zwischen den beiden großen Parteien der Juden aus, um den Standpunkt einzunehmen, der die Rechtgläubigen und Gottesfürchtigen zu seinen Gunsten gewinnen würde: „Brüder, Ich bin ein Pharisäer, ein Sohn von Pharisäern“, rief er. War dies wieder entsprechend der Höhe der Wahrheit, die er predigte und liebte? Es war unbestreitbar wahr; aber war es Christus alles in allen? War es nicht vielmehr ein kluger Appell, der sicher die Menge vor ihm spaltete, damit er selbst auf einen Boden abrutschte, der ganz und gar niedriger war als es seine Gewohnheit war?
Dennoch lag hier Wahrheit und wichtige Wahrheit vor allen: „wegen der Hoffnung und Auferstehung der Toten werde ich gerichtet“ (V. 6). Dies fügt sich durchaus in die Apostelgeschichte ein. Lukas beginnt hier, wie sein Evangelium mit der Auferstehung und Himmelfahrt endet, und gibt dem Zeugnis des auferstandenen Herrn durchweg vollen Raum. Der Apostel bestand überall konsequent auf der Hoffnung und Auferstehung der Toten. Sie war mit Christus, dem Sohn des Menschen, verbunden; aber er führt verkündigt nicht direkt die volle Wahrheit über seine Person, ebenso wenig wie er hier die Auferstehung aus den Toten vorstellt. Die Auferstehung aus den Toten ist dennoch eine große und notwendige Wahrheit; und daran hielten nicht die Sadduzäer, die jetzt an der Macht waren, sondern die Pharisäer auf ihre Weise fest.
Der Apostel kannte die Auferstehung in einem unvergleichlich größeren Maß. Für ihn war sie untrennbar mit dem verherrlichten Christus verbunden, dem Haupt der Versammlung, der wirklich sein Leben und sein Zeugnis war; und dafür ertrug er die übliche Ablehnung und die Leiden. Aber in Jerusalem findet man den Apostel nicht in der gleichen Kraft wie anderswo. Die Atmosphäre des Ortes hatte seinen Einfluss; in all diesen Angelegenheiten finden wir ihn keineswegs in jenem himmlischen Licht, das in seiner gewohnten Bahn so sehr leuchtet.