Behandelter Abschnitt Apg 21,27-36
Es war ein einzigartiger Anblick: Paulus reinigte sich, um zu zeigen, dass er ordentlich wandelte und das Gesetz hielt. Er wandelte offensichtlich nach den Gedanken der anderen, was Gott nicht mehr verherrlicht, als es den Menschen befriedigt.
Als aber die sieben Tage beinahe vollendet waren, sahen ihn die Juden aus Asien im Tempel, brachten die ganze Volksmenge in Erregung und legten die Hände an ihn und schrien: Männer von Israel, helft! Dies ist der Mensch, der alle überall belehrt gegen das Volk und das Gesetz und diese Stätte; und zudem hat er auch Griechen in den Tempel geführt und diese heilige Stätte verunreinigt. Denn sie hatten vorher Trophimus, den Epheser, mit ihm in der Stadt gesehen, von dem sie meinten, dass Paulus ihn in den Tempel geführt habe. Und die ganze Stadt kam in Bewegung, und es entstand ein Volksauflauf; und sie ergriffen Paulus und schleppten ihn aus dem Tempel, und sogleich wurden die Türen geschlossen. Und während sie ihn zu töten suchten, kam an den Obersten der Schar die Meldung, dass ganz Jerusalem in Erregung sei; der nahm sofort Soldaten und Hauptleute mit und lief zu ihnen hinab. Als sie aber den Obersten und die Soldaten sahen, hörten sie auf, Paulus zu schlagen. Dann näherte sich der Oberste, ergriff ihn und befahl, ihn mit zwei Ketten zu binden, und erkundigte sich, wer er sei und was er getan habe. Die einen in der Volksmenge aber riefen dieses, die anderen jenes; da er aber wegen des Tumults nichts Gewisses erfahren konnte, befahl er, ihn in das Lager zu führen. Als er aber an die Stufen kam, geschah es, dass er wegen der Gewalttätigkeit der Volksmenge von den Soldaten getragen wurde; denn die Menge des Volkes folgte und schrie: Weg mit ihm! (21,27–36).
Kein treuerer Diener des Herrn als Paulus hat je gelebt. Das verhinderte jedoch nicht die Auswirkungen einer falschen Haltung. Er hatte sich aus übergroßer Liebe zum alten Volk Gottes von denen entfernt, zu denen der Herr ihn gesandt hatte. Auf Veranlassung anderer hatte er versucht, sie bis zum Äußersten zu versöhnen, aber die Wirkung entsprach in keiner Weise dem Wunsch des Jakobus oder des Paulus. Können wir sagen, dass es beim Hinaufgehen nach Jerusalem eine solche Nachfolge Christi gab, wie er sie den Gläubigen gern ans Herz legte? „Seid meine Nachahmer, wie auch ich Christi“ (1Kor 11,1).
Als der Herr zu seinem letzten und ereignisreichen Besuch hinaufzog, wie groß war der Unterschied! Er „trieb alle hinaus, die im Tempel verkauften und kauften; und die Tische der Wechsler und die Sitze der Taubenverkäufer stieß er um“ (Mt 21,12); Er heilte die Blinden und Lahmen, die zu Ihm kamen. Dort verwirrte Er die, die seine Autorität herausforderten; Er stellte den Stolzesten unter ihnen vor Augen, dass sie den Zöllnern und Huren, die sie verachteten, unterlegen waren; Er stellte ihre vergangene und gegenwärtige Geschichte im Licht Gottes dar, so dass sie nicht umhinkonnten, das elende Verderben zu erkennen, das ihrer Bosheit drohte, und die Übergabe des Weinbergs Gottes an andere Weingärtner, die Ihm die Früchte zu ihrer Zeit liefern würden. Und ungeachtet ihrer Feindschaft fürchteten sie die Menge, weil sie ihn für einen Propheten hielten. Und als die obersten religiösen Führer nacheinander kamen, um Ihn zu versuchen, brachte Er sie zum Schweigen, die Pharisäer, Sadduzäer und Herodianer, und beendete die ganze Szene mit der großen Testfrage für die Juden, wie Davids Sohn, der Er unbestreitbar ist, Davids Herr sein könne. Es ist eine Frage, die kein Jude damals beantworten konnte, genauso wenig wie von jenem Tag an bis heute. Daher konnte Er nur Wehklagen über ihren gegenwärtigen Zustand aussprechen und auf ihren erwiesenen Untergang hin das Reich prophezeien, das Er selbst als der Sohn des Menschen, der in den Wolken des Himmels mit Macht und großer Herrlichkeit kommt, einführen wird.
Zweifelsohne wurde Er nicht weniger verworfen und gekreuzigt, aber Er war der treue Zeuge. Es gab nicht den Schatten eines Kompromisses: Er sagte nichts, tat nichts, zeigte nichts, als die Wahrheit zur Ehre Gottes. Er bezeugte das gute Bekenntnis vor Pontius Pilatus, der Hohepriester Israels hatte sich gemeiner und grausamer gezeigt als die hartherzigsten Heiden, die den Herrn zur Kreuzigung verurteilten.
Doch gewiss liebte der Apostel den Herrn und entsprach seiner Gesinnung wie kein anderer, auch nicht unter den Aposteln; dennoch war er ein Mensch, und das menschliche Gefühl in seiner schätzenswertesten Form verrät ihn in (ich will nicht sagen: im Gegensatz zu, sondern) einer Ablenkung von unserem Herrn in Jerusalem. Für Christus, wie tief seine Erniedrigung auch sein mochte, doch welcher Triumph war mit seinem Sterben verbunden, das Er dort vollbrachte!
Für Paulus war es nicht der Tod in Jerusalem, sondern der Hass, der ihn in die Hände der Heiden überlieferte, nicht um bereits zu sterben, sondern nur ein Gefangener zu sein, obwohl das, was ihm schließlich unter den Heiden widerfuhr, sein wahrer Ruhm war, und er litt dort einfach und ausschließlich als Zeuge für die Wahrheit. Er hatte den Wunsch seines Herzens, die Gemeinschaft mit den Leiden Christi, indem er seinem Tod gleichgestaltet wurde.