Behandelter Abschnitt Joh 21,20-23
Der glühende Geist des Petrus, der durch die ernste Andeutung des Herrn entzündet wurde, ergreift die Gelegenheit, sich nach jemandem zu erkundigen, der so eng mit Ihm verbunden ist wie der geliebte Jünger. Es ist schwer, in dieser Frage die Eifersucht der Aktiven auf das besinnliche Leben zu erkennen, von der frühe und mittelalterliche Schriftsteller viel sagen. Aber der Herr gibt ihm die Korrektur, die er brauchte.
Petrus wandte sich um und sieht den Jünger nachfolgen, den Jesus liebte, der sich auch bei dem Abendessen an seine Brust gelehnt und gesagt hatte: Herr, wer ist es, der dich überliefert? Als nun Petrus diesen sah, spricht er zu Jesus: Herr, was wird aber mit diesem? Jesus spricht zu ihm: Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach! Es ging nun dieses Wort unter die Brüder aus: Jener Jünger stirbt nicht. Aber Jesus sprach nicht zu ihm, dass er nicht sterbe, sondern: Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? (21,20–23).
Es war wirklich liebevolles Interesse an jemandem, der mit ihm enger verbunden war als sein eigener Bruder Andreas durch das Band der gemeinsamen Zuneigung zu Jesus und von Jesus. Das machte Petrus neugierig, etwas über Johannes zu erfahren, jetzt, da sein eigenes irdisches Schicksal gerade offenbart wurde. Aber der gnädige Herr, wenn Er auch in seiner eigenen Sanftmut den neugierigen Geist seines Dieners tadelte, lieferte doch reichlich Stoff zum Nachdenken in dem Rätsel, das Er Petrus vorlegt. Man kann leicht sehen, wie oberflächlich die Vorstellung von Augustinus und vielen seit seiner Zeit ist, dass der Herr nicht mehr meinte, als dass Johannes ein langes und ruhiges Alter erreichen würde, im Gegensatz zu Petrus, der im Alter gewaltsam erschlagen wurde wie sein eigener Bruder Jakobus in der Jugend. Petrus sollte dem Herrn ausdrücklich bis in den Tod folgen, soweit dies möglich war. Nicht so Johannes, der dem Willen des Herrn treu ergeben bleiben sollte, bis Er kam. „Wenn ich will, dass er bleibe“ und so weiter.
Es ist überflüssig zu sagen, dass in der Art und Weise, wie davon gesprochen wurde, ein offensichtliches und absichtliches Geheimnis liegt; und einige haben angenommen, dass hier auf die Zerstörung Jerusalems und das Gericht des jüdischen Gemeinwesens angespielt wird; denn in einem solchen Gedanken steckt sicherlich mehr als ein bloßer friedlicher Tod im hohen Alter. Denn der Tod ist in keinem wirklichen Sinn das Kommen des Herrn, sondern eher das Gegenteil, unser Gehen zu Ihm. Wir wissen jedenfalls, dass es Johannes gegeben war, den Sohn des Menschen zu sehen, der die Versammlungen richtet, und Visionen zu haben, nicht nur von Gottes Vorsehung für die Welt, ob Juden oder Heiden, sondern auch von der Wiederkunft des Herrn im Gericht über die abtrünnigen Mächte der Erde und den Menschen der Sünde, um das lange vorhergesagte Reich Gottes aufzurichten und die Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge, mit der noch höheren Herrlichkeit im neuen Jerusalem.
Aus den Worten des Herrn, die schnell verdreht wurden, scheint die Synagoge ihre Fabel vom wandernden Juden und die Christenheit ihren Priester Johannes gemacht zu haben, um die Gemüter zu unterhalten, die die Wahrheit entweder durch die Ablehnung Christi oder durch die Hinwendung zum Aberglauben verloren hatten.
Doch aus Vers 23 lernen wir, und das ist von großer praktischer Bedeutung, wie gefährlich es ist, der Tradition zu vertrauen, selbst der ältesten, und wie gesegnet es ist, den untrüglichen Maßstab von Gottes geschriebenem Wort zu haben. Der Spruch, der in apostolischen Zeiten unter den Brüdern verbreitet wurde, schien eine ganz natürliche, wenn nicht gar notwendige Schlussfolgerung aus den Worten unseres Herrn zu sein. Aber wir tun nicht gut daran, eine schlussfolgernde Aussage vorbehaltlos zu akzeptieren, noch weniger, uns in ein System hineinziehen zu lassen, das auf solchen Schlussfolgerungen aufgebaut ist. Wir haben das Wort des Herrn, und der Glaube beugt sich ihm zu seiner Freude und zur Ruhe zu Gottes Ehre. Der Irrtum schleicht sich leicht in die erste Entfernung von dem, was Er sagt, ein, wie der Apostel uns hier belehrt, dass der Herr nicht behauptete, dass jener Jünger nicht sterben solle, sondern: „Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme“ (V. 23). Doch diejenigen, die diesen primitiven Irrtum zuließen, waren keine Feinde, waren keine grimmigen Wölfe oder Männer, die verkehrte Dinge redeten, um die Jünger hinter sich herzuziehen. Es war unter den Brüdern, dass die Tradition, unbegründet und irreführend, verbreitet wurde. Wunder waren nicht hinderlich, noch Gaben, noch Macht, noch Einheit. Der Irrtum entstand durch das Nachdenken, statt sich an das Wort des Herrn zu halten. Die Brüder gaben den Worten aus Mangel an Unterordnung unter Gott und aus Misstrauen in sich selbst eine Bedeutung, anstatt einfach ihre wahre Bedeutung zu empfangen. Kein Wunder, dass ein anderer großer Apostel uns Gott und dem Wort seiner Gnade empfiehlt; denn wenn wir in schlichter Abhängigkeit von ihm selbst vollen Nutzen aus seinem Wort ziehen können, so können wir Ihn nicht gebührend ehren, wenn wir sein Wort geringachten. Und wenn wir auch durch den Heiligen Geist auf diese Weise bewahrt und gesegnet werden, so ist doch auch Er in keiner Weise der Maßstab der Wahrheit (während er in jeder Hinsicht Kraft ist), sondern Christus, wie er im geschriebenen Wort offenbart ist.