Behandelter Abschnitt Lk 18,18-30
Als Nächstes kommt der junge und reiche Oberste, der lieber traurig von Christus wegging, als die Selbstherrlichkeit aufzugeben, die mit seinem umfangreichen Besitz verbunden war. „Und ein gewisser Oberster fragte ihn und sprach: Guter Lehrer, was muss ich tun, um ewiges Leben zu erben? Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als nur einer, Gott. Die Gebote kennst du: ,Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst kein falsches Zeugnis ablegen; ehre deinen Vater und deine Mutter.‘ Er aber sprach: Dies alles habe ich beachtet von meiner Jugend an. Als aber Jesus es hörte, sprach er zu ihm: Noch eins fehlt dir: Verkaufe alles, was du hast, und verteile es an die Armen, und du wirst einen Schatz in den Himmeln haben; und komm, folge mir nach! Als er aber dies hörte, wurde er sehr betrübt, denn er war sehr reich. Als aber Jesus sah, dass er sehr betrübt wurde, sprach er: Wie schwer werden die, die Vermögen haben, in das Reich Gottes eingehen! Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr eingehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes eingehe“ (V. 19–25).
Der Fall ist klar. Der junge Oberste hatte kein Sündenbewusstsein, keinen Glauben an Christus als Retter, noch weniger glaubte er an eine göttliche Person, die es ja sein muss, um Sünder zu retten. Er wandte sich an Jesus als den besten Ausdruck des Guten im Menschen, den höchsten in der Klasse, zu der er sich selbst nicht als Gelehrten zählte. Der Herr antwortet ihm auf den Grund seiner Frage. Fragte er den Herrn als den guten Meister oder Lehrer, durch welches Tun er das ewige Leben erben sollte? Er berief sich auf sein eigenes Tun; er sah nicht, dass er verloren war und die Errettung brauchte. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass der Mensch als solcher nichts taugt, es gab keinen guten, nein, keinen einzigen. Dass Jesus der Sohn Gottes und der Sohn des Menschen war, gesandt, um zu retten, war für ihn eine unbekannte Wahrheit. Der Herr führt die Gebote der zweiten Tafel an: Doch sein Gewissen war nicht erweckt: „Dies alles habe ich beachtet von meiner Jugend an.“ „Noch eins fehlt dir“, sagte Jesus zu dem selbstzufriedenen und doch unzufriedenen Obersten, der sich bewusst war, dass er das ewige Leben nicht hatte und keine feste Sicherheit für die Zukunft besaß: „Verkaufe alles, was du hast, und verteile es an die Armen, und du wirst einen Schatz in den Himmeln haben; und komm, folge mir nach!“ Das Gewissen, das sich gegen die Prüfung des Gesetzes gewehrt hatte, versagte bei der ersten Berührung Jesu. „Als er aber dies hörte, wurde er sehr betrübt, denn er war sehr reich.“
Doch wie unendlich weit blieb die Forderung hinter dem zurück, was wir in dem Meister kennen und haben, der in der Tat gut ist, der in der Tat Gott ist, der niemals anderen eine Last auferlegt hat, die Er nicht selbst getragen hatte, der eine unermesslich größere trug, und zwar unter Umständen, die Ihm selbst eigen waren, und zu Zwecken, die der Ehre Gottes zugutekommen, und mit dem Ergebnis, dass jedes sündige Geschöpf auf der Erde ein Zeugnis der Gnade ohne Grenzen und des Segens ohne Einschränkung erhält, wo Er aufgenommen wird! Für den Obersten war es überwältigend, unmöglich, die Vernichtung all dessen, was er schätzte; denn in der Tat war es jetzt offensichtlich, dass er seinen Reichtum, das Geld, den Mammon liebte, was er vorher nie in sich selbst vermutet hatte; aber da war es die ganze Zeit gewesen, entdeckt jetzt in Gegenwart dessen und durch den, der, da er reich war, um unseretwillen arm wurde, damit wir durch seine Armut reich würden (2Kor 8,9). Der Oberste schätzte seine Stellung und seinen Besitz. Er konnte es nicht ertragen, nichts zu haben und nichts zu sein. Oh, was für ein Gegensatz zu Ihm, der „es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,6-8).
Wie klar ist doch, dass weltlicher Wohlstand oder Reichtum, die Frucht der Treue nach dem Gesetz, eine Gefahr ersten Ranges für den Menschen im Blick auf die Ewigkeit ist! Und Jesus versäumte es nicht, den Jüngern, die durch unvernünftigen Egoismus nur langsam lernten, diese eindringliche Moral zu vermitteln. Sie wussten noch nicht, wozu die Christen berufen sind, nämlich Gott als geliebte Kinder nachzuahmen und in der Liebe zu wandeln nach dem Vorbild Christi (Eph 5,1.2).
Es ist alles andere als unmöglich, dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt. „Und wer kann dann errettet werden?“ (V. 26), sagten die, die einen Satz hörten, der ihren geheimen Wünschen so sehr zuwiderlief. Jesus antwortete: „Was bei Menschen unmöglich ist, ist möglich bei Gott“ (V. 27). Es gibt keine andere Hoffnung auf Errettung. Sie ist von Gott, nicht von Menschen. Doch die Rettung hat Gott alles gekostet, ja, seinen eigenen Sohn. „Und wenn der Gerechte mit Not errettet wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen?“ (1Pet 4,18). Und warum sollte man sich über die Gefahr wundern, die einem reichen Mann durch den ungerechten Mammon droht? Niemand kann zwei Herren dienen. Glücklich der, der durch die Gnade den Reichtum nur in den Dienst Christi stellt und den wahren Reichtum in der ewigen Herrlichkeit sein Eigen nennen kann! „Petrus aber sprach: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlassen hat um des Reiches Gottes willen, der nicht vielfach empfängt in dieser Zeit, und in dem kommenden Zeitalter ewiges Leben“ (V. 28–30). Petrus sprach so schnell von ihren Verlusten für Christus, der doch gewiss vergelten wird, wie es nur Gott kann, sowohl jetzt als auch in der Ewigkeit nach dem Reichtum seiner Gnade.