Behandelter Abschnitt Mk 7,1-3
In diesem Kapitel ist die Situation völlig verändert. Es geht nicht mehr um die Erfüllung der Verheißung und auch nicht mehr nur um das Zurückweichen vor der bedrückenden Grausamkeit dessen, der damals an der Stelle der äußeren Autorität war. Wir haben hier den Herrn, der moralisch mit den religiösen Führern Jerusalems umgeht und sie richtet, die in ihrem Selbstvertrauen und Stolz es unternahmen, seine Jünger und Ihn selbst mit ihnen zu beschuldigen.
Sie selbst aber waren es, die das Wort Gottes durch ihre Tradition unwirksam gemacht hatten. Damit befinden wir uns auf einem Boden besonderer Wichtigkeit in dieser Zeit, und zwar zu allen Zeiten in der Christenheit. Denn es hat nie eine Zeit gegeben, in der diese Gefahr nicht bestanden hätte, seit das Wort Gottes der Kirche teilweise oder ganz gegeben wurde. Als die Apostel starben, begannen sich die Traditionen rasant zu vermehren. Da das Wort Gottes, insbesondere das Neue Testament, nicht in der Form eines bloßen Befehls vorliegt, gab es in der Christenheit eine besondere Offenheit für den Einfluss der Tradition. Im jüdischen System war alles durch Regeln geordnet. Es war die natürliche und offensichtliche Art und Weise der jüdischen Haushaltung, dass Gott ihren ganzen Umgang miteinander regelte, positive Anordnungen für die gesamte Politik gab, seinem Volk kaum etwas offenließ, sondern ihre privaten und öffentlichen Verpflichtungen vorschrieb, ob persönlich, familiär oder sozial – ihre religiösen Pflichten ebenso wie ihre politischen. In der Tat wurde alles zu einem klaren Gebot gemacht, und doch ist selbst in diesem System das Herz des Menschen so unverbesserlich darin, sich von dem lebendigen Gott zu entfernen, dass wir sogar dort die Führer der Juden finden, die das Volk von diesen ausdrücklichen Geboten Gottes abbringen, indem sie es unter die Autorität ihrer eigenen Tradition stellen.
Wie kommt es, dass es diese fortwährende Tendenz im Herzen des Menschen gibt, und besonders bei denen, die den Platz der Führer des Volkes Gottes einnehmen, ganz gleich wann oder wo man es betrachtet, sein Wort durch ihre Tradition zu verdrängen? Es ist so, weil die Tradition dem Menschen Bedeutung gibt, Raum für die Überlegenheit eigenen Ichs lässt. Die Folge ist, dass nicht nur die religiösen Führer so gern ihre Selbstherrlichkeit befriedigen, indem sie eigene Regeln aufstellen, sondern auch das Volk liebt es, dass es so ist. Diese schmerzliche Tatsache wird im gesamten Wort Gottes hervorgehoben. So waren im ganzen Alten Testament nicht nur die Priester immer rebellisch, sondern auch das Volk: Der Mensch ordnete sich Gott nie unter, sondern hat sich immer wieder von Gott entfernt, auf welche Weise Er sie auch immer erprobt hat. So kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Herrn und den jüdischen religiösen Fanatikern.
Und es versammelten sich bei ihm die Pharisäer und einige der Schriftgelehrten, die von Jerusalem gekommen waren (7,1).
Sie hatten die höchste Autorität, soweit es die Erde betraf; sie kamen aus der heiligen Stadt der alten Religion, bekleidet mit dem Ansehen des göttlichen Gesetzes und der Autorität.