Aber da ist noch etwas anderes. Indem man sich vor einem voreiligen und harten Urteil hütet, könnte es zum Missbrauch der Gnade kommen. Und der Herr verbindet dies sofort mit dem ersteren:
Gebt nicht das Heilige den Hunden; werft auch nicht eure Perlen vor die Schweine, damit sie diese nicht etwa mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen (7,6).
Wir müssen sorgfältig bedenken, dass der Herr hier nicht davon spricht, dass das Evangelium Sündern verkündigt wird. Gott bewahre uns davor, dass wir die Gnade Gottes nicht in jedes Viertel unter dem Himmel tragen, denn nichts Geringeres als das sollte der Wunsch und die Bemühung jedes Kindes Gottes sein. Alle sollten den Geist aktiver Liebe haben, der zu anderen ausströmt, ein energisches Verlangen nach der Rettung und dem Segen der Seelen; denn es wäre ein trauriger Mangel, wenn es nicht darüber hinausginge, dass Menschen zu Christus gebracht werden. Das Streben, in Christus hineinzuwachsen und Ihn in allen Dingen zu verherrlichen, den Willen Gottes zu erkennen und zu tun, ist unsere Berufung. In diesem Vers greift der Herr nicht die Frage auf, ob das Evangelium wahllos hinausgeht; wenn es nämlich einen Unterschied gibt, dann passt das Evangelium am besten zu denen, die „Hunde“ genannt werden, was für die Juden ein Bild für alles Abscheuliche war. Wenn der Apostel von Dieben, Habsüchtigen und Trunkenbolden und so weiterspricht, sagt er: „Und solches sind einige von euch gewesen; aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes“ (1Kor 6,11).
Man könnte fragen: Ist nicht die Schlechtigkeit des einen Menschen größer als die des anderen? Auf einer irdischen Plattform könnte man sagen: In jeder Hinsicht; aber Gott macht bei der Errettung von Menschen diese Unterscheidungen nicht. Wenn der Apostel von den Gläubigen aus den Juden spricht, sagt er, sie seien „Kinder des Zorns“ gewesen, wie auch andere (Eph 2,3). Es mag unter ihnen hochmoralische Charaktere gegeben haben. Waren sie dadurch besser für die Gnade Gottes geeignet? Ach, wo jemand eine Rechtfertigung für sich selbst in dem findet, was er ist, kann nichts gefährlicher sein. Der Apostel selbst war ein Beispiel für genau diese Sache. Es ist eine harte Sache für einen Mann, der auf seine Rechtschaffenheit gebaut hatte, sich der Wahrheit zu beugen, dass er nur auf dem Boden eines Zöllners und Sünders in den Himmel kommen kann. Aber so muss es sein, wenn die Seele die Erlösung von Gott durch den Glauben an Jesus empfangen soll.
Der Herr hält das Evangelium also keineswegs zurück, dass es nicht in alle Viertel hinausgeht. Er spricht vielmehr von den Beziehungen seines eigenen Volkes zu den Unheiligen. Für diese soll der Gläubige nicht die besonderen Schätze ausbreiten, die das Teil der Christen sind. Das Evangelium ist der Reichtum der Gnade Gottes für die Welt. Aber neben dem Evangelium haben wir die besondere Zuneigung Christi zu der Versammlung, seine liebevolle Fürsorge für seine Diener, die Hoffnung auf seine Wiederkunft, die herrlichen Aussichten der Versammlung als seine Braut und so weiter.
Wenn wir über diese Dinge, die wir die Perlen der Heiligen nennen können, mit denen sprechen würden, die offensichtlich keine Christen sind, befinden wir uns auf falschem Boden. Wenn wir auf Pflichten der Gläubigen in weltlicher Gesellschaft bestehen, dann geben wir das, was heilig ist, den Hunden. Es gibt eine barmherzige Versorgung für „Hunde“– die Brosamen, die vom Tisch des Meisters fallen. Und so groß ist die Gnade Gottes uns gegenüber, dass wir die Brosamen, die unser Teil sind, die wir ebenfalls Hunde aus den Heiden waren, als das Beste von allem erkannt haben.
Was auch immer die dem Juden verheißenen Wohltaten sein mögen, die Gnade Gottes hat im Evangelium vollere Segnungen hervorgebracht, als Israel je verheißen wurde. Was kann Israel mit der mächtigen Befreiung Gottes, die wir jetzt kennen, vergleichen? Das Bewusstsein, von aller Sünde völlig gereinigt zu sein; die Gerechtigkeit Gottes in Christus ein für alle Mal für uns zu haben; durch einen zerrissenen Schleier schon jetzt Zugang zu Ihm als Vater zu haben; und durch den in uns wohnenden Heiligen Geist zu seinem Tempel gemacht zu werden. Wie der Herr selbst zu der Frau von Samaria sagte: „Wenn du die Gabe Gottes kenntest und wüsstest, wer es ist, der zu dir spricht: Gib mir zu trinken, so hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben“ (Joh 4,10). Wo nun Christus empfangen wird, von wem auch immer, da ist diese Fülle des Segens, und die Quelle ist im Inneren des Gläubigen.
So können wir sehen, wie weit und vollkommen seine Gnade ist, während sie es verbietet, bestimmte Dinge wahllos unter die Gottlosen zu werfen. Jede Handlung, die eine Gemeinschaft zwischen einem Gläubigen und einem Ungläubigen in sich schließt, ist falsch. Nehmen wir zum Beispiel die Frage der Anbetung und die Angewohnheit, die ganze Runde der Andacht Anbetung zu nennen. Anbetung setzt die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn voraus, und in ihr die Gemeinschaft untereinander. Aber das System, das sich auf einen einfachen Ritus gründet, der vorgibt, alle zu erneuern, Gläubige und Ungläubige in einer gemeinsamen Form vereint und es Anbetung nennt, wirft das, was heilig ist, vor die Hunde.
Ist es nicht ein kaum verhüllter Versuch, die Schafe und die Hunde auf denselben Boden zu stellen? Das ist vergeblich. Man kann nicht die Feinde Christi und die, die Ihm angehören, vor Gott vereinen. Man kann nicht die, die das Leben haben, und die, die es nicht haben, als ein Volk vereinen. Der Versuch, dies zu tun, ist Sünde und eine ständige Entehrung des Herrn. Jedes Bemühen um eine Anbetung dieses gemischten Charakters ist im Widerspruch zu diesem sechsten Vers.
Auf der anderen Seite ist die Verkündigung des Evangeliums, wenn sie von der Anbetung getrennt gehalten wird, richtig und gesegnet. Wenn der Tag des Gerichts über die Welt kommt, wo wird der schlimmste Schlag fallen? Nicht auf die offen profane Welt, sondern auf Babylon, denn Babylon ist die Verwechslung dessen, was von Christus ist, mit dem Bösen – der Versuch, eine Gemeinschaft zwischen Licht und Finsternis herzustellen. Der Herr sagt: „Geht aus ihr hinaus, mein Volk, damit ihr nicht ihrer Sünden teilhaftig werdet und damit ihr nicht empfangt von ihren Plagen“ (Off 18,4). Teilhaber an ihren Sünden zu sein, ist eine ernste Angelegenheit für Gott. Es ist die Annahme eines gemeinsamen Grundes, auf dem sich die Kirche und die Welt vereinigen können. Doch das eigentliche Ziel Gottes ist das, wofür Christus gestorben ist. Es bestand darin, dass Er ein abgesondertes Volk für sich haben wollte, um durch sein Weihe für Gott ein Licht in der Welt zu sein – kein Zeuge des Stolzes, der sagt: „Bleib für dich und nahe mir nicht, denn ich bin dir heilig!“ (Jes 65,5), sondern der Brief Christi, der der Welt sagt, wo das lebendige Wasser zu finden ist, und sie auffordert, zu kommen: „... wer will, nehme das Wasser des Lebens umsonst“ (Off 22,17).
Wo wir die Religion der Welt nicht mit der Anbetung verwechseln, die von seinem Volk zu Gott emporsteigt, da werden wir auch die echte Trennungslinie haben – wo wir richten sollen und wo nicht. Es wird einen aktiven Dienst an der Welt mit dem Evangelium geben, aber eine sorgfältige Trennung der Versammlung von der Welt. Das gilt auch für den Einzelnen. Dennoch nutzen Personen das Wort Gottes, das sagt: „Wenn jemand von den Ungläubigen euch einlädt und ihr wollt hingehen“ (1Kor 10,27)und so weiter. Lasst uns beachten, wie wir hingehen und wozu. Wenn du selbstbewusst hingehst, wirst du Christus nur entehren; wenn du dir selbst gefällst, ist das ein schlechter Grund; wenn du anderen Leuten gefällst, ist es kaum besser.
Es mag Gelegenheiten geben, bei denen die Liebe Christi jemand zwingen mag, zu gehen und in einer weltlichen Gesellschaft ein Zeugnis für seine Liebe abzulegen, doch wenn wir wüssten, wie leicht Worte gesagt und Dinge getan werden können, die eine Gemeinschaft mit dem bedeutet, was Christus zuwider ist, würde es Furcht und Zittern geben. Doch wo Selbstvertrauen ist, kann niemals die Kraft Gottes sein.