Behandelter Abschnitt Zeph 1,14-18
So soll jener Tag, der Tag Christi, einen Aspekt in Bezug auf die haben, die jetzt Christen sind, die mit Ihm in der Herrlichkeit in den Himmeln sein werden. Aber es ist der Tag Christi, der einen Christen ganz besonders betrifft. Der Tag des Herrn ist in der Schrift immer der Tag, der sich mit der Welt, mit den lebenden Menschen und ihren Werken auf der Erde und schließlich mit der Gestalt und den Elementen des Universums selbst befasst, aber Letzeres eher am Ende seines Tages als an seinem Anfang, wie wir aus dem Vergleich mehrerer Schriftstellen entnehmen.
Nahe ist der große Tag des Herrn; er ist nahe und eilt sehr. Horch, der Tag des Herrn! Bitterlich schreit dort der Held. Ein Tag des Grimmes ist dieser Tag, ein Tag der Drangsal und der Bedrängnis, ein Tag des Verwüstens und der Verwüstung, ein Tag der Finsternis und der Dunkelheit, ein Tag des Gewölks und des Wolkendunkels, ein Tag der Posaune und des Kriegsgeschreis gegen die festen Städte und gegen die hohen Zinnen. Und ich werde die Menschen ängstigen, und sie werden umhergehen wie die Blinden, weil sie gegen den Herrn gesündigt haben; und ihr Blut wird verschüttet werden wie Staub, und ihr Fleisch wie Kot; auch ihr Silber, auch ihr Gold wird sie nicht retten können am Tag des Grimmes des Herrn; und durch das Feuer seines Eifers wird das ganze Land verzehrt werden. Denn ein Ende, ja, ein plötzliches Ende wird er mit allen Bewohnern des Landes machen (1,14–18).
Nichts kann deutlicher sein. Es ist eindeutig ein Gericht, und zwar in Bezug auf die bewohnte Welt. Der Tag Christi hat auch eine unterscheidende Bedeutung, und zwar im Hinblick auf die Belohnung der Heiligen, die in der Zwischenzeit für den Herrn gearbeitet oder gelitten haben werden. Ihnen wird dann alles wiedergutgemacht werden. Es ist möglich, dass dies übersehen worden ist: Was ist nicht übersehen worden? Ausgezeichnete Menschen haben in ihrem Wunsch, der Gnade in der Erlösung und unserer Rechtfertigung durch den Glauben ihren Raum zu geben, hin und wieder versäumt, Raum für ein anderes, ebenso klares Prinzip zu lassen. Der Apostel Paulus würde, wenn er gewogen würde, uns durch den Geist sowohl groß im Herzen als auch frei von der Verwirrung der Dinge halten, die gegensätzlich sind. Er ist es, der darauf besteht, dass wir „aus Gnade gerettet werden“, und dass jeder aber „seinen eigenen Lohn empfangen“ wird nach seiner eigenen Arbeit (1Kor 3,8). Nicht nur wird Gott durch unsere Rechenschaft über alles, was Christus betrifft, gerechtfertigt werden, sondern die Wege und die Arbeit und das Leiden mit Christus derer, die sein sind, werden ihren gebührenden Platz und ihre Darstellung in der Herrlichkeit des Reiches nach und nach haben.
Der Apostel hatte diese Gewissheit als Maßstab und Prüfung der Gegenwart vor Augen. Siehe das in 1. Korinther 4‒7; 11 und 15, um nur einen Brief zu nennen; und dieser enthält nicht die meisten Hinweise auf die Verflechtung der Zukunft mit dem ganzen gegenwärtigen Leben. Dieser Tag rückt noch mehr vor seinen Geist, je mehr er sich dem Ende seiner eigenen Arbeit nähert, obwohl wir wissen, dass er von Anfang an nicht versäumt hatte, das Reich zu predigen. Ich bewundere die übergroße Weite des Paulus, wie man sie wohl bei jedem bewundern darf, der frei von Laschheit und ihrer Nachahmung ist und geistige Fähigkeit unter Beweis stellt. Es steht dem Christen nicht an, eng zu sein. Doch wer kann sich der Neigung entziehen, bei diesem oder jenem so zu sein? Sei gewiss, dass es nicht nur eine Schwäche, sondern eine Gefahr ist, wo immer es auch sein mag. Ich gebe jedoch zu, dass selbst die Enge in und für Gottes Wahrheit weit besser ist als jene lockere Ungewissheit und der falsche Liberalismus in göttlichen Dingen, die in dieser bösen Zeit immer mehr zur Falle werden.
Nimm das Gegenteil davon beim Apostel und seiner Verkündigung. Gerade der Mann, dem alle das Evangelium der Gnade Gottes am meisten verdanken, hat wie kein anderer die besondere Zeitspanne vorgestellt, die man das Evangelium der Herrlichkeit Christi nennt. Zugleich predigte er das Reich Gottes so entschieden wie möglich. Er fürchtete sich nie vor dem unwissenden Aufschrei, dass dies eine Niedertracht sei. Tatsache ist, dass eilige und kleine Gemüter das sagen, die unfähig sind, mehr als eine Idee aufzunehmen, und dazu neigen, sich an dieser einen zu berauschen. Der Apostel hingegen zeigt jene ausgezeichnete Größe und Beweglichkeit, die jeder Botschaft, die Gott offenbart hat, ihren Platz gibt, die nicht vorgibt, in der Schrift zu wählen, sondern das Zeugnis Gottes, so wie es gegeben wird, dankbar aufnimmt und weitergibt. Es scheint mir, dass wir die Erweckung der Wahrheit, die die Gnade bewirkt hat, wirklich herabsetzen, wenn wir der Vorstellung Raum geben, dass diese oder jene Wahrheit die einzige Wahrheit für den Tag ist. Die Besonderheit unseres Segens besteht darin, dass wir – so verachtenswert es für den Unglauben auch aussehen mag – zu der Überzeugung gelangt sind, dass keine Wahrheit zu kurz kommt und dass alle Wahrheit für diesen Tag ist. Ich halte dies für einen wichtigen Punkt für uns, um die Kleinlichkeit zu vermeiden, sich einen faktischen Wert für das auszudenken oder zu suchen, was uns gerade mit besonderer Kraft deutlich wird.
Es ist eine Schlinge, die umso mehr gefürchtet werden muss, als sie schon immer zur Bildung von Sekten geführt hat, weil ein aktiver Verstand sich an einen Lieblingsbegriff oder sogar eine Wahrheit klammert (oder vielmehr davon gefangengenommen wird). Ich betrachte es also als eine im Wesentlichen sektiererische Voreingenommenheit. Der wahre und besondere Segen dessen, was Gott uns jetzt in diesen Tagen gegeben hat, ist nicht so sehr das Festhalten an dieser oder jener Wahrheit, die höher ist als die, die andere annehmen, obwohl das wahr ist, sondern das Herz, das für die Wahrheit in ihrem ganzen Umfang offen ist und das mit Christus persönlich verbunden ist, als das einzig mögliche Mittel der Befreiung, wenn wir durch Gnade in der Kraft des Geistes darin wandeln, von jeder Art von Kleinlichkeit. Es wird sich auch herausstellen, dass es praktisch für die Heiligkeit äußerst wichtig ist, weil wir so schwach sind, dass wir dazu neigen, nur das anzunehmen, was uns gefällt und was zu der Zeit zu unserem eigenen Charakter, unseren Gewohnheiten, unserer Stellung, unseren Umständen und unserer Fähigkeit passt; was wir aber wollen, ist zu erkennen, zu beurteilen und so von uns selbst frei zu werden; nicht das, was jemals das Fleisch schont, sondern das, was uns gibt, unsere Glieder auf der Erde zu kasteien, sowie das, was in göttlicher Liebe zu den wechselnden Bedürfnissen der Menschen um uns her passt, und vor allem zu seiner Ehre, der uns nicht nur einen bestimmten Teil seines Geistes gegeben hat, sondern den ganzen Geist. So ist, wie es gut gesagt wurde, die eigentliche Besonderheit der rechten Haltung ihre Universalität. Das heißt, sie ist nicht bloß ein besonderer Teil oder eine besondere Seite der Wahrheit, wie gesegnet sie auch sein mag, sondern die Wahrheit in ihrer ganzen Fülle als der göttlich gegebene Schutz vor besonderen Ansichten und die Mitteilung der übergroßen Größe der Gnade Gottes und Wahrheit und der Wege für uns in der Welt. „Alles ist euer“ (1Kor 3,21.22). Alles, was durch Unterscheidungsmerkmale dazu neigt, Partei zu ergreifen, indem es das eigene Ich oder die eigenen Ansichten praktisch in den Mittelpunkt rückt, ist selbstverschuldet.
Deshalb denke ich, bei allem Festhalten an der großartigen Hoffnung auf die himmlische Herrlichkeit Christi und dem, was damit verbunden ist, nämlich die Versammlung in ihrer himmlischen Beziehung und ihren Vorrechten, ist jeder andere Aspekt an seinem Platz von großer Bedeutung. Wiederum ist der Einzelne genauso wichtig wie der Leib, und in gewissem Sinn sogar wichtiger. Vor allem Christus zu achten, ist meiner Meinung nach von unvergleichlich größerer Bedeutung als der Christ oder der Leib. In der Tat ist der Weg, der sowohl dem Leib als auch dem einzelnen Heiligen am meisten nützt, die ständige Aufrechterhaltung der Herrlichkeit Christi, und zwar dann nicht mehr als der erhabene Mensch im Himmel, sondern als göttliche Person in der Fülle seiner Gnade auf der Erde, aber dennoch als der abhängige und gehorsame Mensch, der niemals seinen eigenen Willen oder etwas anderes als die Herrlichkeit seines Vaters suchte, der Ihn gesandt hat.
Und da wir das Thema berühren, lasst mich nur die beiläufige Bemerkung machen, die für die hilfreich sein kann, die einen Zugang zu Gottes offenbartem Geist wünschen, dass ein Satz in 1. Johannes 1,1, der trotz seiner eindeutigen Bedeutung zu oft missverstanden wird – „Was von Anfang an war“ – sich nicht auf Christus in der Ewigkeit oder im Himmel bezieht, sondern auf Ihn auf die Erde: So völlig falsch ist das Prinzip, die Aufmerksamkeit nur auf das zu richten, was das nächstgelegene Objekt oder der höchste Standpunkt zu sein scheint. Die Wahrheit ist, dass der Fallstrick darin liegt, dass das mächtige Erlösungswerk und die Stellung, die Christus eingenommen hat, in seinen sich daraus ergebenden Konsequenzen für uns zu sehr betrachtet werden kann. Das, was uns in eine besondere Glückseligkeit bringt, steht so in der Gefahr, wichtiger zu werden als das, was Gott, den Vater, sogar moralisch verherrlicht hat. Für Letzteres dürfen wir nicht auf unseren himmlischen Platz und unsere Vorrechte schauen, sondern auf die Person und das Werk Christi in seinem ganzen Umfang. Hier ist die Offenbarung Christi auf der Erde von großer Bedeutung. Es ist der Anfang seiner Gegenwart und seines Weges hier. Im Anfang war Er (Joh 1), bevor alle Dinge geschaffen wurden. Der eingeborene Sohn im Schoß des Vaters machte Ihn kund. Das Werk legt den Grund für eine Verbindung mit Ihm; aber seine Offenbarung hier ist der Anfang, von dem aus Gott sich in Gnade offenbarte. Zu gegebener Zeit folgten die Erlösung und die Vereinigung mit Ihm in den himmlischen Örtern und alles andere. Wir müssen also Raum für die ganze Wahrheit lassen. Wenn man sich nur mit einem bestimmten Punkt der Wahrheit beschäftigt, kann sehr großer Schaden für jemanden selbst und für andere entstehen.
Ein paar Worte zu einem oft angesprochenen Thema, dem Unterschied zwischen dem Evangelium der Gnade und dem Evangelium der Herrlichkeit, mögen hier angebracht sein. Das Evangelium der Gnade Gottes ist der größere Ausdruck; das Evangelium von der Herrlichkeit Christi ist ein Teil davon. Es ist daher ein Fehler, die beiden in Gegensatz zu setzen, obwohl wir sie unterscheiden und zu gegebener Zeit verwenden können, so wie wir beide im Wort Gottes verwendet finden. Aber dass das eine ein Fortschritt gegenüber dem anderen ist, ist ein Fehler. Das Evangelium der Gnade Gottes schließt das Evangelium der Herrlichkeit Christi ein, während es noch viel mehr umfasst. Es umfasst die Entfaltung der Erlösung, wie wir sie zum Beispiel im Römerbrief haben, – „Versöhnung durch sein Blut“; es umfasst seinen Tod und seine Auferstehung mit ihren immensen Folgen. Auf der anderen Seite, wenn man nur das Evangelium der Herrlichkeit betrachtet, kann all dies ausgelassen werden; diejenigen, die von dem, was für sie neu ist, mitgerissen werden, sind sogar in Gefahr, das Tiefste zu vernachlässigen, ohne es zu beabsichtigen. Hüten wir uns also davor, ein System zu errichten, statt der Wahrheit unterworfen zu sein. Natürlich würde das jeder gottesfürchtige Mensch unbewusst tun; aber an sich ist es immer ein ernstes Merkmal.