Behandelter Abschnitt Amos 3,2a-2b
Was ist die Begründung, die Gott hier gibt? „Nur euch habe ich von allen Geschlechtern der Erde erkannt“ (V. 2a). Es ist offensichtlich, dass sie jetzt herausgegriffen und nicht mit den Heiden vermischt werden. Aber die Schlussfolgerung ist äußerst ernst. Weil sie so abgesondert waren, um den Herrn zu erkennen, weil sie nur als sein Volk bekannt waren, „darum werde ich alle eure Ungerechtigkeiten an euch heimsuchen“ (V. 2b). Das Maß der Beziehung ist immer auch das Maß der Verantwortung. Je näher man herzugebracht wird, desto stärker sind die Gründe und desto höher der Charakter, aufgrund derer man sich im Gehorsam den göttlichen Ansprüchen gerecht werden muss.
Das ist eine unumstößliche moralische Wahrheit. In menschlichen Beziehungen ist es nicht anders. Ein Mann würde seiner Frau übelnehmen, was er bei einer anderen nicht einmal bemerken würde; er könnte mit Recht und aus tiefstem Herzen eine Art von Unterordnung bei seinem Kind, eine andere Identifikation mit den Gedanken und Interessen der Familie bei seinem Sohn fordern, als es bei jedem anderen angemessen wäre. Das Versagen eines vertraulichen Dieners ist selbst in den Augen der Weltmenschen unvergleichlich schwerwiegender als das eines Gelegenheitsarbeiters. Und so ist es in allen Einzelheiten des täglichen wie auch des geistlichen Lebens. Daher war unter dem Gesetz die Sünde eines Herrschers weitaus tadelnswerter als die eines Menschen aus dem allgemeinen Volk; die Sünde des gesalbten Hohenpriesters hatte eine größere Bedeutung und schwerwiegendere Folgen als die irgendeines anderen Menschen in Israel. Wir finden diese Unterscheidung dort, wo Gott die verschiedenen Opfer für die Sünde vorstellt (3Mo 4). Es ist eine moralische Notwendigkeit. Es kann keinen irreführenderen Gedanken geben, als dass alle Einzelpersonen genau auf der gleichen Stufe stehen, und dass folglich alle Sünden genau die gleiche Straffälligkeit haben, ganz gleich, was die Einzelnen getan haben mögen. Er steht im Widerspruch zu dem, was jeder wohlgeordnete Verstand zu erkennen vermag, wenn es ihm vorgestellt wird, und steht sicherlich in direktem Gegensatz zu dem klaren Wort Gottes. Tatsache ist, dass wir uns in verschiedenen Beziehungen befinden; und je enger die Beziehung ist oder je größer die Vorrechte sind, desto bedauerlicher ist die Untreue in dieser Beziehung und gegenüber diesen Vorrechten.