Behandelter Abschnitt Hos 6,8-10
Die Region Gilead, die jenseits des Jordans lag, wird als nächstes erwähnt. Eine Stadt dieses Namens ist nicht bekannt; wenn es keine gibt, wird der Name durch ein kühnes Bild für ihre gemeinsame Vereinigung in Korruption und Gewalt gegeben. „Gilead ist eine Stadt von Übeltätern, voll Blutspuren“ (V. 8). Und das ist noch nicht das Schlimmste: Denn die Priester schlossen sich heimlich zusammen, um zu überfallen und zu zerstören. Die, die eine Stadt der Zuflucht und aktive Fürsprecher für die Notleidenden hätten sein sollen, waren selbst die Rädelsführer im Bösen und in jeder Hinsicht die Schuldigsten von allen: Sie „morden auf dem Weg der nach Sichem [oder: mit Zustimmung], ja, sie verüben Schandtat“ (V. 9). Das war der herzzerreißende Kummer. Wäre es unter den Heiden gewesen, wäre es nicht so überraschend: „Im Haus Israel habe ich Schauderhaftes gesehen: Dort ist Ephraims Hurerei, Israel hat sich verunreinigt“ (V. 10).
Das Kapitel schließt mit der Zusicherung souveräner Barmherzigkeit seinerseits, der die Ungerechtigkeit gemäß der Heiligkeit seiner Natur richten muss. „Auch über dich, Juda, ist eine Ernte verhängt, wenn ich die Gefangenschaft meines Volkes wenden werde“ (oder besser: zurückbringen ließ) (V. 11). Es ist unmöglich, dies auf die Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft anzuwenden; denn es ist auffallend zu beobachten, dass die Propheten nach der Gefangenschaft nie von den zurückgekehrten Juden als mein Volk sprechen, außer in Vorhersagen zukünftiger Glückseligkeit unter ihrem Messias, der in Herrlichkeit und Macht über die Erde regiert. Die Rückkehr der Juden durch den Erlass des Kyros war ein beispielloses Ereignis, das der Politik des Ostens zuwiderlief und nur durch die Macht zu erklären ist, die im Gewissen des babylonischen Eroberers durch das göttliche Wort und (vielleicht) das persönliche Gewicht Daniels wirkte. Aber diejenigen, die zurückkehrten, wurden nie mein Volk genannt. Sie warten auf einen anderen und besseren Tag, an dem die Juden auf den blicken werden, den sie durchbohrt haben (vgl. Kap. 1–3). Denn dieser Tag erwartet die wirkliche Erfüllung von Psalm 126,1.5, wenn die Ernte der Freude nach vielen und langen Schmerzen kommen wird.