Im nächsten Vers kommt ein wichtiger Grundsatz, zu dem ein paar Worte gesagt werden müssen:
Und du, Daniel, verschließe die Worte und versiegle das Buch bis zur Zeit des Endes. Viele werden es durchforschen, und die Erkenntnis wird sich mehren (12,4).
Daniel wird hier mitgeteilt, dass die Dinge, die er gesehen hatte, und die Mitteilungen, die er gehört hatte, obwohl sie zweifellos von Gott waren, vorläufig nicht bekanntgemacht werden sollten. Alles sollte ein versiegeltes Buch sein bis zu einem künftigen Tag; mit einem Wort, bis zur Zeit des Endes. In einem späteren Vers stellt Daniel die Frage: „Mein Herr, was wird das Ende davon sein?“ Und die Antwort lautet: „Geh hin, Daniel; denn die Worte sollen verschlossen und versiegelt sein bis zur Zeit des Endes. Viele werden sich reinigen und weiß machen und läutern; aber die Gottlosen werden gottlos handeln; und alle Gottlosen werden es nicht verstehen, die Verständigen aber werden es verstehen“ (V. 8‒10).
So wird uns deutlich gezeigt, dass das Verstehen der Worte Gottes eine geistliche Sache ist und nicht nur eine Sache des Intellekts. Wenn es so wäre, dann könnten die Bösen genauso viel verstehen wie die Gerechten. Es wird ausdrücklich gesagt, dass alle Gottlosen es nicht verstehen werden; „die Verständigen aber werden es verstehen.“ Das heißt, diese Verständigen, von denen wir schon gehört haben.
Beachte die Wichtigkeit dieser Aussage. Im letzten Kapitel der Offenbarung wird der Prophet Johannes am Ende seiner Prophezeiung angesprochen. Der Gegensatz ist sehr auffällig. Im letzten Kapitel von Daniel wird Daniel gesagt, dass alles verschlossen und versiegelt werden soll bis zur Zeit des Endes. Im letzten Kapitel der Offenbarung wird Johannes gesagt: „Versiegle nicht die Worte der Weissagung dieses Buches; denn die Zeit ist nahe“ (22,10). Mit anderen Worten, es gibt einen genauen Gegensatz zwischen der Anordnung, die den beiden Propheten gegeben wurde. Für den jüdischen Propheten ist alles versiegelt bis zur Zeit des Endes. Für den christlichen Propheten ist nichts versiegelt: alles ist offen. Wie kommt das? Die Antwort ist, dass die Versammlung – der Christ – immer in der Zeit des Endes sein soll. Die Gabe des Heiligen Geistes hat alles verändert. Seit dieser Zeit ist dem Christen nichts mehr versiegelt. Alle Gedanken, die Zuneigung, die Ratschlüsse Gottes, ja, seine Geheimnisse über die Welt, in den Schriften der Wahrheit, sind ihm durch die Kraft Gottes geöffnet.
Der Christ, auch wenn man den Schwachen und Unwissenden nimmt, hat den Heiligen Geist in sich wohnen. Deshalb sagt Johannes in seinem Brief an die Unmündigen: „Und ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisst alles“ (1Joh 2,20). Alle Gelehrsamkeit der Welt kann einen Menschen niemals dazu bringen, die Bibel zu verstehen; wenn aber jemand aus Gott geboren ist, ist er fähig, alles zu verstehen, was Gott offenbart: Er muss nur weitergeführt und vollkommener unterwiesen werden. Der Apostel spricht nicht von den tatsächlichen Anforderungen des Kindes, die sehr gering sein können. Wessen rühmen wir uns also, und sollten wir uns rühmen? Wir rühmen uns Gottes, der uns ein so erstaunliches Privileg gegeben hat. Wer den Geist Gottes hat, hat darin eine göttliche Fähigkeit, in die Dinge Gottes einzudringen. Er muss sich nur in den richtigen Beziehungen befinden, von Gott abhängig sein und sein Wort wertschätzen, und was von Gott ist, wird sich offenbaren und als göttlich erweisen. Das hängt damit zusammen, dass der Geist Gottes der Versammlung in einem besonderen Sinn gegeben ist, den nicht einmal die Propheten kannten. Denn obwohl sie den Geist hatten, um sie zu inspirieren, wie wir es natürlich nicht haben, so haben wir doch den Heiligen Geist, der immer in uns wohnt; das ist eine Folge davon, dass wir geistige Einsicht haben, „den Geist Christi“, den sie nicht hatten.
Und deshalb, du wirst dich vielleicht erinnern, vergleicht der Geist Gottes in 1. Petrus 1 den Zustand des Christen jetzt mit dem der Heiligen, ja, der Propheten selbst, zur Zeit des Alten Testaments. Er zeigt uns, dass sie „... forschend, auf welche oder welcherart Zeit der Geist Christi, der in ihnen war, hindeutete, als er von den Leiden, die auf Christus kommen sollten, und von den Herrlichkeiten danach zuvor zeugte; denen es offenbart wurde, dass sie nicht für sich selbst, sondern für euch die Dinge bedienten, die euch jetzt verkündigt worden sind durch die, die euch das Evangelium gepredigt haben durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist“ (1Pet 1,11.12). Das heißt, wir stehen in der gegenwärtigen Erkenntnis und im Genuss von Dingen, die ihnen mitgeteilt wurden, die aber nicht sie betrafen, sondern uns zur Zeit des Neuen Testaments. Dies ist sehr wichtig. Sie hatten die Verheißung, und das war für sie die Rettung. Aber wir haben viel mehr: Wir haben positiven, vollendeten Segen – uns ist Erlösung nicht nur verheißen, sondern bewirkt. Und der Christ ist nun, durch die Gnade von allen Fragen über seine Sünden befreit, frei, in die gesegneten Dinge Gottes einzutreten.
Daher sagt Gott jetzt: Du sollst das Buch nicht versiegeln. Die Zeit des Endes ist die Zeit, in der wir betrachtet werden, das Ende ist moralisch gekommen. Und deshalb warten wir zu jeder Zeit auf das Kommen des Herrn. Wo das jüdische Denken vorherrscht, halten die Menschen immer Ausschau nach einer vorausgehenden Zeit großer Not. Sie sehen nicht, dass Gott sowohl mit Israel als auch mit der Versammlung eine Absicht hat; dass Er, wenn Er uns an unseren eigenen Platz in der himmlischen Herrlichkeit versetzt hat, die Juden wieder aufnehmen wird; und dass sie, nicht wir, durch die große Drangsal gehen und die festgesetzten Zeichen sehen müssen, die die nahe Ankunft des Menschensohns auf die Erde ankündigen.