Dieses Kapitel zeigt uns also die Verwandlung aller Macht, Autorität und Herrlichkeit, die Gott den Menschen gegeben hat, in ein Mittel zur Befriedigung ihres eigenen Stolzes. Die Folge davon ist, dass ihnen jegliches Verständnis für die Gedanken Gottes genommen wird. Nebukadnezar hatte bemerkenswerte Visionen und Offenbarungen von Gott. Aber was haben sie genützt? Er hatte diese Warnung gehabt, die persönlichste von allen. Aber was nützte sie ihm? Daniel hatte ihm geraten, mit seinen Sünden durch Gerechtigkeit und mit seinen Ungerechtigkeiten durch Barmherzigkeit gegenüber den Elenden zu brechen. Er beherzigte ihn nicht. Zwölf Monate vergingen, in denen er in seinem Stolz all die Größe und Pracht, mit der er umgeben war, sich selbst und dem Werk seiner eigenen Hände zuschrieb. Das große Babylon war das, was er für das Haus des Königreichs gebaut hatte, „durch die Stärke meiner Macht und zu Ehren meiner Herrlichkeit.“ Sofort wird das Urteil über ihn selbst wirksam; und was damals buchstäblich für ihn als Einzelperson galt, war auch moralisch für die heidnischen Mächte als Ganzes wahr. Der Charakter der Heiden würde durchweg ohne Erkenntnis Gottes und ohne Unterwerfung unter ihn sein.
In demselben Augenblick wurde das Wort über Nebukadnezar vollzogen; und er wurde von den Menschen ausgestoßen, und er aß Kraut wie die Rinder, und sein Leib wurde benetzt vom Tau des Himmels, bis sein Haar wuchs wie Adlerfedern und seine Nägel wie Vogelkrallen (4,30).
In Vers 13 heißt es: „Sein menschliches Herz werde verwandelt und das Herz eines Tieres werde ihm gegeben“. Jeder Gedanke an Gott war völlig verloren. Er hatte nicht mehr Ahnung von Gott als das Tier auf dem Feld. Auch ein natürlicher Mensch hat ein Gewissen. Aber Nebukadnezar verlor jeden Gedanken; er wurde auf die Nicht-Intelligenz eines Tieres reduziert. Der Mensch wurde geformt, um das Wesen auf der Erde zu sein, das zu Gott aufschaut und in Abhängigkeit von Ihm steht. Das ist seine Herrlichkeit. Ein Tier genießt sozusagen das, was seine eigene Sphäre des Genusses ist, gemäß der Fähigkeit, die Gott ihm von Natur aus verliehen hat, aber es hat keine Vorstellung von dem Gott, der es und alle Dinge gemacht hat. Der Mensch schon. Das heißt, die Erkenntnis Gottes ist der große wesentliche Unterschied zwischen Mensch und Tier, wenn man jetzt sozusagen praktisch von der Wahrheit sprechen darf, die die Geschichte lehren soll. Ich glaube, dass uns diese Geschichte, wenn wir sie als Vorbild lesen, zeigt, dass die heidnischen Mächte die Anerkennung Gottes in ihrer Regierung aufgeben würden. Sie mögen seinen Namen nach außen hin benutzen, aber was das Anerkennen Gottes als die Quelle all ihres Besitzes betrifft, so würde es völlig aus ihrem Denken verschwinden; und so ist es geschehen.
Aber es gab eine physische Veränderung, die in Nebukadnezars Fall wirklich stattfand. Reduziert auf den Zustand eines Tieres, verlor er das, was einen Menschen auszeichnet – jede Anerkennung Gottes. Er hatte das Herz eines Tieres, wie es hier gesagt wird. Er hatte nichts von dem Charakter und der Herrlichkeit eines Menschen. Der Mensch wird hier auf der Erde als das Bild und die Herrlichkeit Gottes vorgestellt. Er ist dafür verantwortlich, Gott bekanntzumachen; und er kann es nur tun, weil er zu Gott aufschaut. Es gibt solche, die äußerlich den Anschein eines Menschen haben, aber „der Mensch, der in Ansehen ist, bleibt nicht; er gleicht dem Vieh, das vertilgt wird“ (Ps 49,13). Dies erhielt seine bemerkenswerteste Bestätigung im Fall Nebukadnezars; aber dasselbe gilt im Prinzip für jeden Menschen, der sich selbst und nicht Gott vor Augen hat. Genau das war bei dem babylonischen König der Fall. Er verstand nichts. Er schrieb alles sich selbst zu und nicht Gott; und so wird er durch eine schreckliche Vergeltung auf den erbärmlichsten Zustand reduziert. Niemals hat ein Heide eine solche Herrlichkeit und Majestät besessen wie Nebukadnezar; aber in einem Augenblick ist alles verändert. Auf dem Höhepunkt seines Stolzes fällt das Urteil Gottes über ihn, „und er wurde von den Menschen ausgestoßen, und aß Gras wie die Rinder“ und so weiter. Aber all dies hatte seine Grenze. Es sollte sein, „bis sieben Zeiten“ über ihm vergingen. „Zeiten“ wurde vielleicht eher als Jahre verwendet, weil dieses Gericht über Nebukadnezar das Vorbild für den Zustand ist, in den die heidnischen Mächte während des gesamten Verlaufs ihres Reiches gebracht werden. Daher wurde vielleicht eher ein symbolischer Begriff gewählt als einer des gewöhnlichen Lebens. Die Heiden würden, trotz der von Gott geschenkten höchsten Macht, in ihrer Regierung keine entsprechende Anerkennung von Ihm finden. Sie würden ihre Macht für ihre eigenen Zwecke und Interessen einsetzen. Wann hat man je davon gehört, dass es das große Ziel der Politik einer Nation war, sich wirklich und ehrlich dem Willen Gottes anzupassen, seit sie ihre Macht erhalten haben? Ich bin mir nicht bewusst, dass es jemals auch nur in Erwägung gezogen wurde. So wahrhaftig trifft dieses Bild auf den ganzen Lauf der Heiden zu.