Behandelter Abschnitt Hes 20,15-22
Als sie Ägypten verlassen hatten, war Israel nicht besser als zuvor; ja, ihre Bosheit wurde noch offensichtlicher und weniger entschuldbar. Denn sie waren in der Einsamkeit der Wüste in der Nähe des Herrn, und doch suchten sie falsche Götter; sie hatten seine Satzungen und Ordnungen, aber sie wandelten nicht danach, sondern verachteten sie. Sie hatten seine Sabbate als Zeichen zwischen Ihm und ihnen, aber sie entweihten sie sehr. So wurde der Herr erneut gereizt, Israel in der Wüste zu vernichten, wie Er es zuvor in Ägypten tun wollte: Sein eigener Name, gegen den sie so stolz und beharrlich sündigten, war ihr Schutz und ihre Verteidigung.
Und ich erhob ihnen auch meine Hand in der Wüste, dass ich sie nicht in das Land bringen würde, das ich ihnen gegeben hatte, das von Milch und Honig fließt (die Zierde ist es von allen Ländern), weil sie meine Rechte verwarfen und nicht in meinen Satzungen wandelten und meine Sabbate entweihten; denn ihr Herz wandelte ihren Götzen nach. Aber mein Auge verschonte sie, dass ich sie nicht verdarb und ihnen nicht den Garaus machte in der Wüste.
Und ich sprach zu ihren Kindern in der Wüste: Wandelt nicht in den Satzungen eurer Väter und haltet ihre Rechte nicht und verunreinigt euch nicht mit ihren Götzen. Ich bin der HERR, euer Gott: Wandelt in meinen Satzungen und haltet meine Rechte und tut sie und heiligt meine Sabbate, damit sie zum Denkzeichen seien zwischen mir und euch, damit ihr wisst, dass ich der HERR bin, euer Gott.
Aber die Kinder waren widerspenstig gegen mich; sie wandelten nicht in meinen Satzungen und hielten meine Rechte nicht, um sie zu tun, durch die der Mensch, wenn er sie tut, leben wird; sie entweihten meine Sabbate. Da gedachte ich meinen Grimm über sie auszugießen, meinen Zorn an ihnen zu vollenden in der Wüste. Aber ich zog meine Hand zurück und handelte um meines Namens willen, damit er nicht entweiht würde vor den Augen der Nationen, vor deren Augen ich sie herausgeführt hatte (20,15–22).
Der Herr war von Mitleid ergriffen, aber Er musste seine Autorität, die Rechtmäßigkeit seiner Urteile und den besonderen Wert seiner Sabbate5 zwischen Ihm selbst und ihnen aufrechterhalten. Vergeblich! Die Kinder in der Wüste waren so schlecht wie ihre Väter, die gefallen waren; und nichts als seine eigene Sorge um den Namen, den sie entweihten, stand zwischen Israel und der Zerstörung. Aber jetzt wurde die Hand, die zum Zweck der Barmherzigkeit und Güte über die Nachkommenschaft des Hauses Jakobs erhoben wurde, in der Wüste über sie erhoben, noch bevor sie das Land Kanaan betraten, damit Er sie unter die Nationen versprengen und sie in die Länder zerstreuen würde (vgl. 3Mo 26 und 5Mo 28,32). Als es jedoch darum ging, die lange aufgeschobene Warnung in die Tat umzusetzen, sagt Amos ausdrücklich, dass die Gefangenschaft und Zerstreuung des Volkes wegen ihrer götzendienerischen Rebellion gegen den Herrn in der Wüste geschahen: „Habt ihr mir vierzig Jahre in der Wüste Schlachtopfer und Speisopfer dargebracht, Haus Israel? Ja, ihr habt den Sikkut, euren König, und den Kijun, eure Götzenbilder, getragen, das Sternbild eures Gottes, die ihr euch gemacht hattet. So werde ich euch über Damaskus hinaus wegführen, spricht der Herr, Gott der Heerscharen ist sein Name“ (Am 5,25–27).
Einige haben in Vers 25 Schwierigkeiten gefunden, und das seit jeher sowohl bei den Schreibern der Bibel als auch bei den Lesern. Aber die Lösung liegt in dem einfachen Prinzip, dass Gott in seiner Regierung sein schuldiges Volk als Vergeltung züchtigt und die Geißeln sein Eigen nennt, auch wenn die Instrumente seinem Geist und Herzen völlig fremd sein mögen. Nein, es gilt sogar für den Heiligen Gottes, für Christus selbst, der, als Er der völligen Verwerfung und dem Leiden durch die Menschen preisgegeben war, darin als von Gott geschlagen bezeichnet wurde (Ps 69; Sach 13). Es ist ein großer und schwerer Irrtum, dass die Satzungen, die nicht gut waren, und Verordnungen, nach denen sie nicht leben konnten, Gottes eigene bedeuteten, in denen sie verpflichtet waren, gehorsam zu wandeln. Das würde in der Tat bedeuten, dass die Schrift hoffnungslos undurchsichtig ist und Gott der Urheber des Bösen ist. Das ist nicht der Fall: Was auch immer das Ergebnis für den Sünder sein mag, der Apostel ist sehr energisch, wenn er das Elend sogar eines bekehrten Menschen in seinen Bemühungen nach dem Guten und gegen sein eigenes Böses unter dem Gesetz beweist, um das zu rechtfertigen, was in sich selbst heilig, gerecht und gut ist. Sicherlich widersprechen sich also der jüdische Prophet und der Apostel Paulus nicht, aber solche, die den Ausdruck „Satzungen, die nicht gut waren“ (V. 25) anwenden, missverstehen die Sache, um die es geht. Der wahre Bezug ist die bittere Knechtschaft seines Volkes unter die verdorbenen und zerstörerischen Vorschriften der Heiden, sogar bis zur Demoralisierung ihrer Haushalte und der grausamsten Hingabe ihrer Erstgeborenen an den Moloch, den „schrecklichen König“. Wenn sie also Gottes Namen und Sabbate verunreinigten, so verunreinigte Er sie in ihren Gaben: So groß war die Erniedrigung Israels durch die Abkehr von dem wahren Gott (V. 24.25). Das lässt für mich keinen Zweifel an der wahren Aussagekraft von Vers 25 aufkommen.
5 Es ist wichtig zu bemerken, dass die Beachtung des Sabbats nicht von moralischer Natur ist wie die anderen neun Worte oder Gebote; denn diese beurteilt man als von sich aus richtig, als an sich richtig, den Sabbat nur, weil Gott ihn seinem eigenen Volk als Zeichen seines Bundes mit Israel auferlegt. Während also zum Beispiel Götzendienst und Diebstahl immer böse sind, hat der Herr selbst bei der Vollendung des Erlösungswerkes einen anderen Tag als Ausdruck der Gemeinschaft des Christen mit dem Vater und dem Sohn, als eine Art Erstlingsfrucht, eingeführt und bestätigt. Welche Unwissenheit, dies zu beanstanden, was wirklich Gottes Weisheit und Gnade ist! Ach, nicht einmal alle Gläubigen haben eine solche Erkenntnis Gottes. Und doch ist es nur einer der Beweise, wie weit die Christenheit gefallen ist; und Menschen, die es verstehen sollten, reden immer noch vom christlichen Sabbat, als ob die Sabbate des Herrn nicht aufgenommen und vorgeschrieben worden wären als ein Zeichen, damit Israel den Herrn erkennen sollte, der sie heiligte. Wir aber stehen als Christen auf dem Boden der vollbrachten Erlösung und der neuen Schöpfung, nicht der alten, und versammeln uns daher am ersten Tag der Woche, nicht am letzten wie die Juden.↩︎