Behandelter Abschnitt Jes 4,5-6
Die Übersetzung von J. D. Michaelis lautet: „durch den gerechten Eifer der Gerichte und durch einen vernichtenden Wind“. Der Rationalismus sinkt noch tiefer als der Aberglaube. Die Wahrheit allein bewahrt die Würde des göttlichen Wortes. Es geht nicht um die Versammlung, sondern um Israel und um ihre Reinigung durch das Gericht, wenn die offenbarte Gegenwart des Herrn folgen wird, und ihre Sicherheit nicht weniger als ihre Herrlichkeit sein wird.
Vitringas Anwendung des Geistes des Gerichts und des Geistes der Vernichtung auf den Heiligen Geist, der den Herrscher und die Diener der Kirche in der Unterscheidung leitet, ist die alte Quelle endlosen Irrens – die Abkehr von der jüdischen Schrift zu einem wesentlich christlichen Gegenstand. Es ist offensichtlich der Tag des gerechten Gerichts auf der Erde und besonders in ihrer Metropole, Jerusalem, obwohl man nicht einen Augenblick lang leugnet, dass hier das Wirken des Geistes gemeint ist, sondern in gerichtlicher Macht. Zuerst wird die Reinheit bewirkt, dann leuchtet die Herrlichkeit über Zion auf.
Und der Herr wird über jede Wohnstätte des Berges Zion und über seine Versammlungen eine Wolke und einen Rauch schaffen bei Tag, und den Glanz eines flammenden Feuers bei Nacht; denn über der ganzen Herrlichkeit wird eine Decke sein. Und eine Hütte wird sein zum Schatten bei Tag vor der Hitze und zur Zuflucht und zur Bergung vor Sturm und vor Regen (4,5.6).
Wie einst die Wolkensäule die Stiftshütte der göttlichen Gegenwart bedeckte, so wird der Herr über jede Wohnung des Berges Zion und über ihre Versammlungen eine Wolke und Rauch bei Tag und den Schein einer Feuerflamme bei Nacht schaffen; denn über der ganzen Herrlichkeit wird ein Baldachin sein.
Der Versuch, diese Offenbarungen der kommenden Herrlichkeit für Israel nach der läuternden Prüfung auf das Evangelium zu beziehen, bedeutet in höchstem Maß eine Verdrehung der Schrift. Während der gegenwärtigen Dispensation sind sie, was das Evangelium betrifft, um unseretwillen Feinde; während sie, was die Erwählung betrifft, um der Väter willen geliebt sind (Röm 11,28). Wenn jener Tag kommt, wird die Fülle der Nationen hineingekommen sein, und so wird ganz Israel errettet werden. Es ist ein völliger Wechsel von diesem Tag der Gnade zum Tag des Gerichts für die Lebenden, wenn Christus regiert, was auch immer die Barmherzigkeit Gottes für die Geretteten aus Israel und den Nationen ist. „An jenem Tag wird der Herr einer sein und sein Name einer“. Dann wird die Befreiung, nicht die Zerstörung, der noch seufzenden Schöpfung stattfinden. „Das ganze Land wird sich umwandeln wie die Ebene, von Geba bis Rimmon, das südlich von Jerusalem liegt; und Jerusalem wird erhaben sein und an seiner Stätte wohnen, vom Tor Benjamin bis zur Stelle des ersten Tores und bis zum Ecktor, und vom Turm Hananel bis zu den Keltern des Königs“ (Sach 14,9.10). Es ist weder die Vergangenheit noch die Gegenwart, auch nicht der ewige Zustand, sondern das Tausendjährige Reich. Es ist eine Epoche der Herrlichkeit, in der der Herr die Himmel erhören wird, und sie werden die Erde erhören, und die Erde wird das Korn und den Wein und das Öl erhören, und sie werden Jisreel erhören (Hos 2). Das göttliche Gericht wird die Schuld Zions weggewaschen haben, und die Herrlichkeit wird zurückkehren, gesegneter als beim ersten Mal und das für immer. Was kann mehr im Gegensatz zu unserem Tag der leidenden Gnade stehen, abwesend wie wir vom Herrn sind?
Offensichtlich passen die verwendeten Bilder nicht auf den Himmel, sondern auf die Erde, besonders auf das Land und das Volk Israel; was wiederum zeigt, dass es hier nicht um die Ewigkeit geht, wenn alle Unterschiede von Land und Rasse vergangen sind. Eine so leuchtende Beschreibung auf die Zuflucht anzuwenden, die für einige in Pella6 bereitgestellt wurde, als der Sturm des Zorns das schuldige Volk überkam, ist völlig irreführend und auch unter der verwendeten Sprache. So ist es weit hergeholt, die Geschichte der apostolischen Gemeinde als die Erfüllung der Prophezeiung in den Gaben des Geistes und in den Gerichten über offene Verfolger zu betrachten. Sie ist in Wirklichkeit eine Vision der zukünftigen göttlichen Herrlichkeit für Israel auf der Erde, nach den Gerichten, unter dem Messias, wenn wir (nicht auf, sondern) über sie herrschen werden, wie es in Offenbarung 5,10 heißen muss. Nur so kommt die ganze Schrift an den ihr gebührenden Platz, ohne einer Stelle Gewalt anzutun. Epheser 1,10-12 und Kolosser 1,20 legen das dogmatische Fundament für diese unermessliche und gesegnete Erwartung, während Offenbarung 21,9‒22,5 uns die herrliche Vision prophetisch vor Augen stellt.
Hören wir nun einen der besten der sogenannten vergeistigenden Ausleger, aber in Wirklichkeit der allegorisierenden Schule zu diesem Kapitel. „Man ist sich allgemein einig, dass diese Vorhersage nur teilweise erfüllt worden ist und dass ihre vollständige Erfüllung nicht auf dem buchstäblichen Berg Zion oder Jerusalem zu erwarten ist, sondern in den verschiedenen Versammlungen oder Gemeinschaften wahrer Gläubiger, die jetzt gemeinsam die Vorrechte besitzen, die einst ausschließlich die Heilige Stadt und das auserwählte Volk genossen, deren Zentrum und Metropole sie war“ (Dr. J. A. Alexanders Comm. on Isaiah, i. 122).
Ein wesentlicher Gegensatz wirft diese Annahme um. Israel war durch die „Zwischenwand der Umzäunung“ göttlich von den Nationen getrennt. Für die Versammlung ist sie absolut aufgehoben: Wir sind ein Leib in Christus. An jenem Tag ist Israel ein Segen für die Nationen; dennoch sind sie getrennt und nie in einem Leib vereint, sondern im Gegenteil. Wir sind jetzt mit Christus im Himmel vereint, wo solche Unterscheidungen unangebracht sind. Auf der Erde, auch wenn Christus über sie regiert, kommen sie wieder zum Vorschein. Es ist das Königreich, am Anfang von Kapitel 2, mit der unverhüllten Erhöhung des auserwählten Volkes, doch die Nationen sind gesegnet und der Herrschaft des Herrn in Zion unterworfen. So zeigt Kapitel 4 den Spross, der allein in Israel solch vortreffliche Frucht hervorbringt, nachdem sein Gericht die Schuldigen gereinigt hat. Der dazwischen liegende Teil von Kapitel 2 und das gesamte Kapitel 3 enthüllen das Böse und das Verderben Zions öffentlich und privat. Das Gericht beginnt am Haus Gottes. Was wird es für die Christenheit sein, die noch mehr begünstigt wird? Das Neue Testament gibt eine eindeutige Antwort, ohne die bekennende Gemeinde mit Israel zu verwechseln, obwohl wir das Prinzip in jedem möglichen Fall anwenden dürfen und sollen. Die gewöhnlichsten Glaubensbekenntnisse erkennen an, dass der Herr Jesus kommen wird, um sowohl die Lebenden als auch die Toten zu richten. Niemand außer offenbaren Ungläubigen würde das Gericht über die Toten leugnen. Leider glauben nur wenige wirklich an das Gericht über die Lebenden. Und doch ist es das, wovor der Herr so oft gewarnt hat, wie in Matthäus 24 und 25, Markus 13, Lukas 17 sowie 21, das die Christenheit auf das Ende der Welt verlegt; während es am Ende dieses Zeitalters sein wird, nach dem das zukünftige herrliche Zeitalter kommen wird, das gesegnete Zeitalter, auf das die Psalmen und die Propheten mit Freude und gespannter Erwartung hinweisen. Davon zeugt unser Kapitel, wie auch der Anfang von Kapitel 2, während sein letzter Teil von der Erniedrigung des Menschen und dem Umsturz des Bösen unter der Hand des Herrn spricht, wenn Er seinen Tag einleitet.
6 Geburtsstadt Alexanders des Großen [WM].↩︎