Behandelter Abschnitt Jes 2,1-4
Wir haben gesehen, dass dem Volk, wenn es Buße tut, zwar Gottes Segen zugesichert wird, dass ihm aber gezeigt wird, dass die Strafe der Regierung zuerst an den Bösen von dem ausgeführt werden muss, der allein zur Gerechtigkeit fähig ist; dann, und nicht vorher, wird Zion in Tat und Wahrheit erlöst werden. Diese Erlösung in Macht und mit Gericht unterscheidet sich offensichtlich von der Erlösung allein durch Blut, wie wir sie in Christus durch das Evangelium der Erlösung kennen. Die Erlösung Judas wird von göttlichem Gericht begleitet. Jerusalems Herz ist endlich erreicht, ihre Zeit der Härte vollendet, ihre Missetat begnadigt.
Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, über Juda und Jerusalem geschaut hat. Und es wird geschehen am Ende der Tage1, da wird der Berg des Hauses des Herrn auf dem Gipfel [Haupt] der Berge erhaben sein über die Hügel. Und alle Nationen werden zu ihm strömen; und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt und lasst uns hinaufziehen zum Berg des Herrn, zum Haus des Gottes Jakobs! Und er wird uns belehren aus seinen Wegen, und wir wollen wandeln auf seinen Pfaden. Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen, und das Wort des Herrn von Jerusalem; und er wird richten zwischen den Nationen und Recht sprechen vielen Völkern. Und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Speere zu Winzermessern; nicht wird Nation gegen Nation das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen“ (2,1–4).
Er, der so regiert, ist der Herr, aber, da Er Mensch geworden ist, ist Er zugleich der Messias und der Sohn es Menschen mit den Ihm verliehenen Rechten.
Wende dies auf Zion und die Nationen an einem zukünftigen Tag an, und alles ist klar, sicher und stimmt überein; wendest du es auf die Versammlung an, entweder jetzt oder an jenem Tag, welcher Widerspruch ergibt sich daraus! Der Herr Jesus kündigte hier an, dass „die Stunde kommt, da ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet“, und dass die Stunde kommt und jetzt ist, „da die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter“ (Joh 4,21-23). Der Heiland, der allein durch den Geist in die wahre Anbetung führt, ist jetzt im Himmel. Dort ist unser Zentrum, nicht in Jerusalem und auch nicht an irgendeinem anderen Ort auf der Erde, außer wenn Er in der Mitte ist. Und wir werden ermahnt, mit wahrhaftigem Herzen in voller Gewissheit des Glaubens hinzuzutreten und freimütig in das Heiligtum einzutreten durch das Blut Jesu: Das ist der neue und lebendige Weg, den Er für uns eingeweiht hat. So haben wir auch einen großen Priester über das Haus Gottes. Und das ist nicht alles. Denn es gehört zum Wesen der Versammlung, dass wir nicht mehr das sind, was wir nach dem Fleisch waren: „Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt worden“ (1Kor 12,13). Wenn Christus wiederkommt, werden die Verherrlichten offensichtlich ihre himmlische Glückseligkeit haben, so wie sie jetzt schon das Anrecht haben (1Kor 15,48.49). Damit sind sie in einer ganz anderen Stellung und Beziehung als die Nationen oder sogar Jerusalem. Sie sind Glieder seines Leibes, der an jenem Tag sowohl über Israel als auch über die Nationen herrschen wird. Aber jetzt sitzt Er, von beiden verworfen und verherrlicht, auf dem Thron seines Vaters; und wir, die wir glauben, sind mit Ihm vereint, ein neuer Mensch, beide versöhnt mit Gott in einem Leib durch das Kreuz. Alles ist für uns in der himmlischen Herrlichkeit verschmolzen; während uns auf der Erde gesagt ist, dass wir zu Ihm hinausgehen außerhalb des Lagers und seine Schmach tragen sollen. Denn wir sind nicht von der Welt, wie Er es nicht ist; und wenn wir leiden, werden wir auch mit Ihm herrschen.2
Es ist offensichtlich, dass wir hier die ähnliche, wenn nicht dieselbe Vorhersage haben, die Micha in seiner Prophezeiung gibt (Mich 4,1-3). Die beiden Propheten waren Zeitgenossen. Es stellt sich die Frage, wer es zuerst von Gott mitgeteilt hat. Drei Meinungen sind denkbar, und in der Tat ordnen sich die Ausleger jeweils unter eine von ihnen ein:
Micha hat es von Jesaja übernommen (Vitringa, Calmet, Lowth, Beckhaus, Umbreit).
Jesaja von Micha (Michaelis, Gesenius, Hengstenberg, Hoffmann, Drechsler, Pusey).
Beide aus einer älteren Quelle (Koppe, Rosenmüller, Maurer, De Wette, Knobel, Vogel, und Hitzig, Ewald, der Joel spezialisiert).
Die sichere Tatsache ist, dass ein Prophet die Worte eines anderen Propheten verwendet, nur mit solchen Variationen, die der inspirierende Geist zu genehmigen bereit war, wie wir finden, dass Daniel Licht aus dem damals zu vollendenden Wort des Herrn an Jeremia sammelte (Dan 9,2). Die Hypothese einer älteren Quelle scheint mutwillig und einer ernsthaften Diskussion nicht würdig zu sein. Sicherlich hat der große Apostel in seinem ersten Hirtenbrief an Timotheus (1Tim 5,18) die Sprache seines geliebten Gefährten Lukas (Lk 10,7) als Schrift übernommen und nicht die des Apostels Matthäus (Mt 10,10). Und einige haben argumentiert, dass diese Passage in Jesaja ursprünglich von Micha stammt, aus dem Zusammenhang in jedem. Denn in Micha haben wir die Verwüstung Zions und des Berges des Hauses am Ende von Kapitel 3, unmittelbar gefolgt am Anfang von Kapitel 4 von dieser Verheißung der Herrlichkeit, wo die verbindende Partikel (übersetzt „und“ oder „doch“, je nach der Notwendigkeit der Rede) völlig an ihrem Platz ist: „Und es wird geschehen am Ende der Tage, da wird der Berg des Hauses des Herrn feststehen auf dem Gipfel der Berge und erhaben sein über die Hügel. Und Völker werden zu ihm strömen; und viele Nationen werden hingehen und sagen: Kommt und lasst uns hinaufziehen zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs! Und er wird uns belehren aus seinen Wegen, und wir wollen wandeln auf seinen Pfaden. Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen und das Wort des Herrn von Jerusalem“ (Jes 2,2.3). Bei Jesaja findet sich dieselbe einleitende Partikel, als würde sie einfach so zitiert, obwohl sie in seinem Fall seltsam klingt. Aber Dr. Kay hat gezeigt, dass die Partikel freier verwendet wird, als dies zulässt, und dass die Zeit eher Jesaja als das Original begünstigt als Micha (Speaker’s Comm. in loco).
Wie auch immer das gewesen sein mag, diese Anfangsverse von Kapitel 2 bilden ein edles Titelbild der erhabenen Erwartung für den Segen der Erde. Die vorangehende Vorrede von Kapitel 1 bewies die Notwendigkeit eines feurigen Gerichts, um die Übertreter zu verzehren und dem Herrn dadurch Raum zu geben, einen Überrest für seine Absicht des Segens zu läutern. Was auch immer durch die Geschöpfe geschieht, sein guter Wille wird am Ende mit Sicherheit triumphieren. Und in der antwortenden Vision der Herrlichkeit, mit der der Abschnitt endet (Jes 4,2), sehen wir den Spross des Herrn, der oft wieder erscheinen wird und von dessen Wirken alles abhängt. Hier ist es die Errichtung, jenseits aller Rivalitäten dessen, was bis dahin schwach und schwankend und gefallen war, der Ort, den Herrn von alters her erwählt hatte, um seinen Namen dort wohnen zu lassen, nun endlich von jedem Zeichen des Bösen, der Unehre, des Verderbens gereinigt und in heiliger und unbestreitbarer Vorherrschaft erhöht. Dann werden alle Völker zu ihm fließen in ungeteiltem und friedlichem Strom. Sie brauchen dann keinen Zwang und auch keine Anreize mehr als Nachahmung. Sie haben die erhobene Hand des Herrn gesehen. Sie haben seinen entblößten Arm gesehen. Seine Gerichte sind auf der Erde gewesen, und die Bewohner der Welt lernen jetzt Gerechtigkeit. Wir brauchen uns nicht zu wundern, denn das Feuer wird seine Widersacher verzehrt haben, die zahlreich, stark und bedeutend waren. Und so wird nicht nur das Herz Israels weit werden, um sie einzuladen im Sinn jener Barmherzigkeit, die ewig währt und allein ausreicht, um sich selbst zu retten, sondern auch die Nationen schließen sich in heiligem Eifer und Ernst zusammen. „Und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt und lasst uns hinaufziehen zum Berg des Herrn, zum Haus des Gottes Jakobs! Und er wird uns belehren aus seinen Wegen, und wir wollen wandeln auf seinen Pfaden. Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen, und das Wort des Herrn von Jerusalem“ (V. 3).
Niemals war es so unter dem Evangelium für ein einzelnes Volk. Zu keiner Zeit hat ein Volk als Ganzes bisher so gehandelt und andere aufgefordert, nein, nicht für einen Tag; während wir hier bei Micha ein doppeltes Zeugnis davon haben in der göttlichen Vorhersage „jenes Tages“ für die ganze Erde. „Heute“ dagegen, auch für sein auserwähltes Volk, heißt es: „Deshalb, wie der Heilige Geist spricht: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht, wie in der Erbitterung, an dem Tag der Versuchung in der Wüste“ (Heb 3,7.8). Aber dann wird die Wüste und das trockene Land fröhlich sein, und die Wüste wird sich freuen und blühen wie die Narzisse. Denn dann regiert der Herr in der Person seines Ebenbildes und Gesalbten; und Satan wird von seiner schlechten Stellung als Fürst der Welt und Gott dieses Zeitalters, die er noch immer hat, gestürzt sein. Dann wird der Spätregen des Geistes mit befruchtender Kraft auf alles Fleisch gefallen sein. „Und er wird richten zwischen den Nationen und Recht sprechen vielen Völkern. Und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Speere zu Winzermessern; nicht wird Nation gegen Nation das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen“ (V. 4). Können Begriffe klarer beschreiben, wann Gott richten wird in dem Sinn, dass Er über die Lebenden herrschen wird? Es ist beschämend zu denken, dass christliche Menschen sich einreden könnten, dass diese herrlichen und glücklichen Veränderungen für die Menschheit jemals bewahrheitet worden sind. Sie sind ausschließlich dem Lob des Herrn und seines Christus am letzten Tag vorbehalten. Sollten wir uns nicht darüber freuen, dass es so sein wird?
Es ist auch nicht uninteressant und unwichtig zu bemerken, dass die späteren Worte Jesajas in den Kapiteln 60–62 und 66 genau das gleiche Zeugnis ablegen. Überall ist die Erhöhung Zions noch stärker ausgeprägt, als in den Kapiteln 42 und 49. So wie der Herr jenen Tag einleiten wird, indem Er in Wort und Feuer „alles Fleisch“ aufruft, was die Menschheit noch nie gesehen hat, so wird Er alle Nationen und Sprachen versammeln, und sie werden kommen und seine Herrlichkeit auf eine unvergleichliche Art sehen. „Und es wird geschehen: Von Neumond zu Neumond und von Sabbat zu Sabbat wird alles Fleisch [nicht nur Israel] kommen, um vor mir anzubeten, spricht der Herr“ (Jes 66,23). In Sacharja 14 wird erklärt, dass alle verschonten Nationen, die gegen Jerusalem kamen, Jahr für Jahr hinaufziehen werden, um den König, der Herr der Heerscharen, anzubeten und das Laubhüttenfest zu feiern. Maleachi 1,11 beschreibt die ständige und universelle Anerkennung des Namens des Herrn unter den Nationen und die gebührende Anbetung an jedem Ort vor. Ein umfangreicheres Zeugnis versichert uns, dass sie regelmäßig und feierlich zu diesem irdischen Zentrum hinaufkommen werden, wo Er seinen Namen wie nirgendwo sonst hingesetzt hat, wie es nur recht und billig ist; eine Tatsache und ein Prinzip, das völlig unvereinbar ist mit „der Stunde, die jetzt ist“, wie der Herr selbst in Johannes 4 klar dargelegt hat. Wenn diese Unterscheidung nicht festgehalten wird, wenn dieses Zeitalter mit dem kommenden verwechselt wird, gehen die Gedanken Gottes verloren und es entsteht Dunkelheit in Bezug auf die Gegenwart und die Zukunft. Zephanja 3,8-10 ist sehr deutlich, dass das Gericht über die Nationen und die Wiederherstellung der dann bekehrten Juden der hier beschriebenen Glückseligkeit vorausgeht: „Darum harrt auf mich, spricht der Herr, auf den Tag, an dem ich mich aufmache zur Beute! Denn mein Rechtsspruch ist, die Nationen zu versammeln, die Königreiche zusammenzubringen, um meinen Grimm über sie auszugießen, die ganze Glut meines Zorns; denn durch das Feuer meines Eifers wird die ganze Erde verzehrt werden.“
Die Vision betrachtet ein völlig beispielloses Panorama, das an jenem Tag alle Augen sehen werden. Christus wird offenbart worden sein, statt wie jetzt in der Höhe verborgen zu sein; und auch wir werden dann mit Ihm in Herrlichkeit offenbart werden. Aber kein Wort verrät hier unsere Verbindung mit Ihm. Da Er sowohl die Erde als auch den Himmel unter sich haben wird, wird der heilige Berg Zion tatsächlich wie auch dem Anspruch nach sein Sitz als der gesalbte König des Herrn sein; und die Nationen werden Ihm gegeben werden und die äußersten Teile der Erde. Jerusalem wird gereinigt und das Volk wiederhergestellt werden, und zwar nicht nur durch ein inneres Werk, sondern durch gründliche und feierliche Urteile. Seine Feinde und Widersacher müssen unter seiner Hand fallen. So wie der Berg des Hauses des Herrn über allen Konkurrenten errichtet ist, unabhängig von ihrer materiellen Weite oder den erhabensten Verbindungen der Kreatur, so strömen dorthin die gedemütigten, aber glücklichen und gehorsamen Nationen, um Ihm zu huldigen und Ihn anzubeten und zu lernen, dass sie in seinen Wegen wandeln können, indem sie Ihn als König der Könige und Herrn der Herren und Israel als sein besonderes Volk hier auf der Erde anerkennen.
Der Herr regiert, und die Erde jubelt wie nie zuvor. Universeller Friede also in Unterwerfung unter den Gott Jakobs kennzeichnet die Nationen, die bisher eigenwillig und ehrgeizig, eifersüchtig und grausam waren, nun aber unter seinem festen und gerechten Zepter stehen, der von seinem irdischen Zentrum göttlichen Lichts und widerstandsloser Macht aus über sie richtet und viele Völker zurechtweist. Wie dies die regulären Bezeichnungen für die Nationen sind, so sind mit der gleichen wörtlichen Bedeutung Israel und Juda, Jerusalem die Hauptstadt und Zion die Festung des auserwählten Volkes. Ebenso wenig ist der Herr, der Gott Jakobs, auf unbestimmte Weise zu verstehen; denn dieser bestimmte Name wird dann leuchten und bekanntwerden, wenn seine mächtigen Taten seinen Vorsatz von alters her unmissverständlich kundgetan haben, dass Israel das Hauptvolk auf der Erde sein soll (5Mo 32,8.9), wiederhergestellt von aller Verzögerung und Trübsal und allem Übel, und der Herr wird über sie herrschen auf dem Berg Zion von nun an bis in Ewigkeit.
Offenbarung 21,9‒27 stellt die himmlische Herrlichkeit an jenem Tag dar, aber sie ist ganz anders als die Jerusalems und des Tempels, wie sie in Jesaja gezeigt wird. Die Braut, die Frau des Lammes, wird unter dem Symbol des neuen Jerusalem gesehen, das von Gott aus dem Himmel herabkommt, aber nicht auf die Erde bis zum Tag der Ewigkeit (V. 3). Statt des Hauses des Herrn, das im Mittelpunkt steht, wird dort kein Tempel gesehen, denn der Herr, der allmächtige Gott, und das Lamm sind der Tempel. Es besteht also ein völliger Gegensatz zum Jerusalem jener Tage, in dem der Tempel mit seinen Ordnungen und Dienern den weitaus größten Teil der letzten großen Vision Hesekiels einnimmt (Hes 40-47). Es wird also größte Sorgfalt darauf verwendet, die irdische Stadt nicht mit der himmlischen zu verwechseln. Bei dem Unterschied geht es um die Beziehung zu Christus. Das neue Jerusalem ist seine himmlische Braut und regiert mit Ihm; das irdische Jerusalem ist die Stadt des großen Königs, die von Ihm regiert wird. Während es jetzt Gnade ist, mit Ihm auf der Erde zu leiden, geschieht es, um uns für den Himmel zuzubereiten. Israel wird die Erlösung durch Gericht auf der Erde haben, wie die Schrift zeigt. Der Christ, die Versammlung, macht sich durch den Glauben auf den Weg, während das Böse an der Macht ist, bis der Herr kommt; für Israel oder Jerusalem wird das Böse zerschmettert und die Gerechtigkeit wird über die Erde regieren in der Person Christi von Anfang bis Ende. Kein Gegensatz kann deutlicher sein.
Dies ist klar, wenn wir einfältig sind. Es ist nicht nur Schilo, der vorläufig kommt, wie bei der ersten Ankunft; sondern wenn jener Tag kommt, wird die Verbindung mit Ihm, die jetzt durch Judas verderblichen Unglauben zerbrochen ist, für immer festgenagelt; und wenn Gottes bußfertiges Volk im Namen des Herrn seinen einst verworfenen Messias willkommen heißt, werden Ihm die Völker gehorchen (1Mo 49,10). Der frühe Segen des sterbenden Jakobs wird endlich durch den lebendigen Gott Jakobs erfüllt werden, nicht in Teilen, sondern in seiner ganzen und ungezwungenen Bedeutung. Es bezieht sich nicht auf das christliche Zwischensystem, in dem die Herde Christi im Vergleich zur Welt „klein“ ist und Trübsal in der Welt hat, verachtet, gehasst und um der Gerechtigkeit willen und noch mehr um Christi willen verfolgt wird. Sie haben das Reich im Geheimnis, nicht offenbar, wie es an jenem Tag sein wird. Daher sind wir zur Gemeinschaft der Leiden Christi berufen und warten mit Ihm auf die himmlische Herrlichkeit. Die Vision stellt nichts davon vor uns, sondern das Reich, und zwar nicht in Ausharren, sondern in Macht, wenn der Herr auf seinem eigenen Thron sitzt und in Gerechtigkeit regiert. Es ist nicht mehr das Evangelium der Gnade Gottes, das die Gläubigen zu Christus in den Himmel ruft, die daher Gutes tun, dafür leiden und es geduldig ertragen, entsprechend der Gnade, die durch Gerechtigkeit zum ewigen Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn, regiert, sondern aus Zion wird das Gesetz ausgehen und das Wort des Herrn aus Jerusalem; denn Er wird dann König über die ganze Erde sein, an jenem Tag ein Herr, sein Name wird einer sein. So ist Er sowohl der Messias, der in Zion regiert, als auch der Sohn des Menschen, dem Herrschaft und Herrlichkeit und ein Königreich gegeben wird, dass alle Völker, Nationen und Sprachen Ihm dienen werden; eine ewige Herrschaft, die nicht vergehen wird, und ein Königreich, das nicht zerstört wird. Dieses neue Zeitalter kennzeichnet unsere Vision, im offensichtlichen Gegensatz zu dem, was wir jetzt im Evangelium erleben, das von der Welt trennt und die Kinder Gottes in eins für den Himmel versammelt. So ist die Versammlung Gottes.
Das wird die göttliche Regierung dieser Welt sein, von der alle Propheten Zeugnis ablegen, nämlich von der Herrschaft Christi über die Erde. Kapitel 4,2–6 beschreibt seine Anwendung auf Jerusalem, wie Kapitel 11 und 12 auf die Erde und die Geschöpfe auf ihr, mit Israels Freude (vgl. auch Kapitel 24,21‒23; 25‒27; 32; 33,20‒24; 35; 60‒66). Zwei Unterschiede von größter Wichtigkeit unterscheiden das neue Zeitalter von dem gegenwärtigen bösen – die offenbare Gegenwart des Herrn in der Macht seines Reiches und die erzwungene Abwesenheit des Satans. Eine so gewaltige Veränderung deutet auf das Eingreifen Gottes in der Person Christi hin, der dann das große Bild aus Daniel 2 zerschlagen und durch das Reich Gottes ersetzt haben wird, das zu einem großen Berg wird und die ganze Erde erfüllt (Dan 2). Wenn die Gerichte die Erde treffen, so lernen die Bewohner des Erdkreises Gerechtigkeit (Jes 26,9).
Wir wissen aus der Schrift, dass das Evangelium allen Völkern zum Zeugnis gepredigt werden sollte; und so ist es geschehen; wie es auch noch in einer besonderen Form geschehen wird, wenn die himmlischen Gläubigen in die Höhe genommen werden (Off 14,6.7). Aber nach den Aposteln Petrus und Jakobus dem Gerechten hat Gott jetzt die Nationen heimgesucht, nicht um die Erde mit der Erkenntnis des Herrn zu erfüllen, die den Messias am Tag seiner Macht erwartet, sondern um aus ihnen ein Volk für seinen Namen zu nehmen; und mit diesem Zustand der Auserwählung fallen sowohl der Name als auch das Wesen der Versammlung zusammen; und deshalb leidet sie jetzt, um mit Ihm an jenem Tag zu herrschen. Diese Worte des Propheten betrachten die wunderbare Veränderung auf der Erde, wenn das Gericht Zion erlöst hat und der Herr es zu seiner irdischen Hauptstadt für alle Nationen macht, die nicht mehr rebellisch sind, sondern auf sein Gesetz harren. Noch ist die Vision keineswegs vollendet. Sie ist für die Herrlichkeit des wiederkehrenden Jahwe-Messias bestimmt. Er allein wird zwischen den Nationen richten und viele Völker zurechtweisen. Erst dann, werden sie Schwert und Speer als Werkzeuge des Friedens ablegen und den Krieg nicht mehr lernen (Jes 2,4).
Dies alles oder irgendetwas davon der Versammlung zuzuschreiben, verstellt nur die ganze Schrift und löst die besondere Lehre der Apostel und Propheten im Neuen Testament auf. Denn wir sind nicht von der Welt, wie auch Christus es nicht ist, und wir sind nun berufen, mit Ihm zu leiden, damit wir auch gemeinsam verherrlicht werden. „Dass wir durch viele Trübsale wir in das Reich Gottes eingehen müssen“ (Apg 14,22). Wenn dieser Tag kommt, ist Friede auf der Erde und keine Trübsal mehr, sondern die Gerechtigkeit regiert in offenbarem Triumph. Unsere Berufung durch Gott in Christus Jesus ist nach oben gerichtet, indem wir die Schmach Christi tragen. Wenn aber das Reich der Welt unseres Herrn und seines Christus gekommen ist (Off 11,15), werden die Verderber der Erde vernichtet. Dann ruhen Israel und die Nationen unter dem Zepter eines Königs, der in Gerechtigkeit regiert, und dann werden sie von Fürsten regiert, die nach Recht herrschen (Jes 32,1).
Die Unkenntnis des Königreichs der Himmel, ob in seiner offenkundigen Form entsprechend den Propheten, wenn der Herr zurückkehrt, um in Macht und Herrlichkeit zu regieren, oder in seinen Geheimnissen, die jetzt ihren Verlauf nehmen, während der Herr auf dem Thron des Vaters sitzt und das Christentum das Ergebnis ist – in beiden Fällen ist die Unkenntnis des Königreichs der gemeinsame und fatale Fehler der meisten Ausleger. Daher verfallen sie in den weiteren Fehler, das Königreich mit der Versammlung Gottes zu verwechseln, was üble Folgen hat, sowohl lehrmäßig als auch praktisch. Das haben sich die Fanatiker zunutzegemacht, oder vielleicht sind sie dadurch auf der anderen Seite in eine Schlinge geraten; denn es ist schwer zu sagen, wer sich mehr geirrt hat, die Verfolger oder die Verfolgten. In der Tat, um ein Beispiel der Protestanten zu nennen, ob man an die wilden Wiedertäufer denkt, die versuchten, ein eigenes Zion mit Waffengewalt zu errichten, oder an ihre vernünftigeren, wenn auch nicht geistlicheren Gegner, die sie mit Feuer und Schwert niederschlugen, beide gingen vom falschen Boden der Knechte im Gleichnis vom Weizenfeld aus, die das Unkraut trotz des Verbots des Erlösers ausreißen wollten, anstatt dieses Werk des Gerichts den Engeln am Ende des Zeitalters zu überlassen. Die Mächte sind verantwortlich und zuständig für die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Bestrafung der Übeltäter. Das Papsttum hat, wie bekannt ist, in kirchlicher Hinsicht immer nach demselben Irrtum gehandelt. Andere, erschrocken über den offensichtlichen Irrtum der Katholiken und Protestanten gleichermaßen, verfielen in das entgegengesetzte Extrem, indem sie dem König und den Magistraten das Recht und die Pflicht absprachen, das Schwert zu benutzen. Alle diese ernsten Verirrungen der Menschen sind darauf zurückzuführen, dass sie das verwechseln, was einfach, aber fest und ohne Verwirrung gehalten werden sollte – Gottes äußere Autorität in der zivilen Regierung, die überall gilt, und seine geistliche Macht in seiner Versammlung, der Versammlung, wo allein der Geist gegenwärtig ist, um die Rechte des Herrn nach dem geschriebenen Wort aufrechtzuerhalten.
Wenn man diese Wahrheiten sieht, ist man nicht nur erstaunt über die, die Calvin3 „Verrückte“ nennt, die diese Stelle gebrauchen, um Anarchie zu fördern, sondern auch über den Genfer Vorsteher, der sie dafür tadelt, dass sie meinen, dass „sie der Kirche das Recht, das Schwert zu gebrauchen, gänzlich nimmt“, und sie vorbringt, um mit großer Strenge jede Art von Krieg zu verurteilen. Gewiss waren jene Christen unentschuldbar im Irrtum, die den Mächten diktierten und sich in ihre Politik einmischten, sei es im Inland oder im Ausland. Aber nicht weniger im Irrtum war Calvin, der für die Kirche das Recht beanspruchte, das Schwert zu gebrauchen. Ein böser Gedanke, der das Vorbild Christi, den Platz der leidenden Heiligkeit und der Liebe in dieser gegenwärtigen bösen Welt (1Pet 2,20.21) prinzipiell leugnet! Die von Calvin in diesem Zusammenhang zitierte Stelle aus Lukas 22,36 steht also in einer Reihe mit dem, was wir bei den römischen Polemikern sehen. Sie irren ebenso, weil sie das wahre Wesen und die Berufung des Christen nicht sehen. Sie irren ebenso, wenn sie meinen, es gehe darum, die königliche Macht Christi anzuerkennen (denn Er hat seinen eigenen Thron noch nicht eingenommen). Sie irren ebenso, wenn sie meinen, wir müssten immer daran denken, Fortschritte zu machen und so allmählich die Vollkommenheit jener friedlichen Herrschaft herbeiführen. Calvin wirft es den Revolutionären als übertriebene Torheit vor, sich das Reich Christi im Sinne von Kapitel 2 vollendet vorzustellen. Aber war es klug von ihm, zu denken, dass es auch nur im Begriff stand? Nicht weniger unintelligent und falsch ist seine Schlussfolgerung, dass „die Erfüllung dieser Prophezeiung in ihrem vollen Umfang nicht auf der Erde zu suchen ist“; denn es ist klar und gewiss, dass ihre Begriffe sich ausschließlich auf das zukünftige Reich Christi auf der Erde beziehen, und nicht auf den Himmel. Wie wichtig ist es, den Unterschied von Dispensation und Beziehung zu unterscheiden!
Nimm alles jetzt in seiner natürlichen Bedeutung4, und die Schwierigkeiten verschwinden. Wenn das Gericht sein Werk getan hat, „am Ende der Tage“, wird der Berg des Hauses des Herrn feststehen auf dem Gipfel der Berge und erhaben sein über die Hügel. Und alle Nationen werden zu ihm strömen. Zion wird die Quelle des göttlichen Segens im Wort für die ganze Welt sein und das Zentrum, zu dem sich die Völker versammeln werden, wenn weltweiter Friede herrscht und der Herr als König über die ganze Erde Recht sprechen wird. „Wie der Himmlische [Christus], so sind auch die Himmlischen. Und wie wir das Bild dessen von Staub [Adam] getragen haben, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen“ (1Kor 15,48.49) Das ist unsere Beziehung und unser Vorrecht: Unsere Verantwortung ist unveräußerlich und im Neuen Testament klar festgelegt. Wir sind nicht von der Welt, wie Christus es nicht ist, und sind der Welt gekreuzigt, wie sie uns (Gal 6,14). Der Gegensatz dieser herrlichen Szene, sagte der Herr voraus, sollte bis zum Ende des Zeitalters andauern: „Denn Nation wird sich gegen Nation erheben und Königreich gegen Königreich“ (Mt 24,7). Das sind auch jetzt die offensichtlichen Tatsachen. Nach und nach, wenn das neue Zeitalter unter der irdischen Herrschaft des Messias anbricht (Off 11,15), „nicht wird Nation gegen Nation das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen“ (V. 4). Es wird eine Ordnung der Dinge geben, von der die Welt keine Ahnung hatte; und „wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist, was wird die Annahme anderes sein als Leben aus den Toten“ (Röm 11,15)? Das Strömen aller Nationen nach Zion ist die große Veränderung an jenem Tag und kann nicht die Sammlung aus ihnen bedeuten, die die Gnade jetzt bewirkt und von der die Schrift als der Versammlung Gottes spricht.
Außerdem wird nach unserem Kapitel und aller Prophetie vorher ein göttliches Gericht über alle (besonders die Juden) vollstreckt werden. Und dieses Zeitalter des Friedens und des Segens und der messianischen Herrschaft wird mit der Vorherrschaft Israels zusammenfallen, was in den vorhergesagten Tatsachen durchsichtig ist und einen Zustand voraussetzt, der sich völlig von dem der Versammlung unterscheidet, in der es weder Jude noch Heide gibt, sondern Christus alles und in allen ist. Aber an jenem Tag wird der Herr Zion zu seinem Thron und Mittelpunkt machen. Von jenem Tag an lautet der Name der Stadt Jahwe-Schamma (Hes 48,35). Es handelt sich nicht mehr, wie jetzt, um den Ruf souveräner, unterschiedsloser Gnade für den Himmel, sondern um die Einsetzung und Entfaltung der göttlichen Regierung im Messias über die ganze Erde.
Der Prophet sieht in der Vision vielmehr die religiöse Vorherrschaft Israels unter dem Messias und dem neuen Bund, wenn sie Jerusalem den Thron des Herrn nennen werden und alle Völker zu ihm versammelt sein werden. Denn natürlich haben sich die Stimmen der Propheten erfüllt, egal, wie unterschiedlich die Töne von Jesaja oder Micha, von Jeremia oder Sacharja sind (Sach 14). Und Letzteres ist in dieser Hinsicht wichtig, als eine Vorhersage des neuen messianischen Zeitalters nach der Wiederkunft Christi. Der Herr hat die Zwölf angesichts seiner Verwerfung auf den Krieg vorbereitet, nicht auf den Frieden in der Zwischenzeit. „Denkt nicht, dass ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert“ (Mt 10,34). Diejenigen, die behaupten, darin ihre Nachfolger zu sein, verdrehen den Meister völlig, verwechseln den Platz der Versammlung mit dem Israels, entziehen sich der Gemeinschaft mit seinen Leiden, gehen der Zeit des irdischen Friedens voraus und leugnen die Wiederherstellung des Königreichs für das Volk, dem Gott es verheißen hat.
Es ist unbegründet und undifferenziert, dies als in der Mission des Evangeliums oder der Berufung der Versammlung vollendet oder gar auf sie anwendbar zu betrachten. Denn das Evangelium ist die Verkündigung der souveränen Gnade Gottes in Christus, um verlorene Sünder zu retten, die fortan als Heilige mit Christus auf der Erde leiden und auf die himmlische Herrlichkeit warten, um mit Ihm zu regieren. Und die Versammlung gründet sich auf den verworfenen, aber auferstandenen und verherrlichten Christus, während die Juden ihren eigenen Messias verleugneten und inzwischen jede Anerkennung von Seiten Gottes verloren haben. Im Christentum kann es demnach weder Jude noch Grieche geben, sondern den neuen Menschen. Christus ist das, was alle angezogen haben. Durch einen Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, ob Juden oder Griechen, ob Sklaven oder Freie. Es ist im Prinzip eine himmlische Körperschaft, wenn auch vorläufig auf der Erde; nicht eine bloße Idee, sondern ein lebendiger Leib.
1 Vergleiche den Ausdruck die letzten Tage oder seine Entsprechung (siehe 1Mo 49,1; 4Mo 24,14, 5Mo 4,30; 31,29, Jer 23,20; 30,24; 48,47; 49,39, Hes 38,16; Dan 2,28; 10,14; 12,13; Hos 3,5; Mich 4,1). Alle beziehen sich auf dieselbe Zeit wie Jesaja 2,2 – die Tage, in denen die Macht des zweiten Menschen die sündige Schwäche des ersten übertrifft. Joel 2,28 ist „danach“ oder „daraufhin“, aber seine volle Vollendung ist auch an jenem Tag.↩︎
2 Zweifellos widerlegt es sich selbst, diese Begriffe auf die Rückkehr des schwachen Überrestes aus der babylonischen Gefangenschaft anzuwenden. Aber wird die Sprache übertrieben erscheinen, wenn Christus in der Herrlichkeit seines Reiches erscheint? Auch andere Vergleiche sind nicht haltbarer. Was kann zum Beispiel die Armut von Theodorets Schema (Opera 2., i. 183, ed. J. L. Schulze) übertreffen? Er versucht, die Vollendung in der blühenden Einheit des römischen Reiches zu finden, als unser Herr zum ersten Mal erschien, darin, dass die eroberten Völker, aus denen es bestand, nicht mehr im Krieg, sondern in der Landwirtschaft tätig waren, und in der ungehinderten Ausbreitung des Evangeliums weit und breit. Cyrill von Alexandria (in seinem Kommentar zu unserem Propheten) und Eusebius von Caesarea (Dem. Evang. 8,3), und lateinische Väter wie Hieronymus (in loco) folgen in der gleichen Spur. Doch weiß man in den Versuchen der Menschen seither nichts Besseres, es sei denn, man hält die päpstliche Auslegung für homogener, insofern alles in der katholischen Kirche verifiziert sein soll. Gewiss kann die Auslegung anderer nicht vorgezogen werden, die alles mystisch macht und sich seine Vollendung in der ununterbrochenen Einheit und dem Frieden aller Gläubigen, in ihrer vollkommenen Heiligkeit und ihrer völligen Unterwerfung unter die Schrift vorstellt. Da der tatsächliche Zustand auf der Erde weit davon entfernt ist, suchen einige eine größere Übereinstimmung mit der Wahrheit, indem sie die Szene in den Himmel verlegen, wenn jeder Konflikt vorüber ist; und diese Ansichten haben sich unter den Protestanten durchgesetzt.↩︎
3 Calvin Translation Society Series, Isaiah 1, S. 101–102.↩︎
4 Wer Zugang zu La venida del Mesias el gloria y Magestad en tres tomos, Londres, 1826, oder der englischen Übersetzung in zwei Bänden 1827 hat, wird mit Vergnügen die meisterhafte Untersuchung des Autors, eines frommen römischen Katholiken, lesen, in der er durch die Schrift die Ansichten beiseiteschiebt, die so lange durch den Einfluss von Origenes, Hieronymus und anderen geherrscht hatten. Der Leser wird auf Bd. 2. S. 174‒190 verwiesen für besondere Bemerkungen zu eben diesem Kapitel, von denen hier eine komprimierte Probe genügen muss. „In erster Linie stimme ich aufrichtig mit allen Doktoren, sowohl christlichen als auch jüdischen, überein, dass die Zeiten des Messias offensichtlich die Zeiten sind, von denen in diesen Prophezeiungen gesprochen wird. „Es wird geschehen am Ende der Tage“, das heißt in der Zeit des Messias, oder des Christus. Aber dies ist sehr zweideutig. Jene Zeit ist nach allen alten und modernen Schriftstellern und nach den Grundprinzipien des Christentums nicht nur eine, sondern zwei unendlich weit voneinander entfernte Zeiten, eine, die schon vergangen ist, aber noch bis jetzt andauert, deren Wirkungen gewiss groß und bewundernswert sind ... eine andere, die noch nicht gekommen ist, die aber geglaubt und mit Glauben und göttlicher Zuversicht erhofft wird ..., welche zweite Zeit nach den Schriften, die offenkundig auf diese gerichtet sind und in ihr enden, größer und bewundernswerter zu sein scheint. Dies ist die Zeit, von der die Propheten so viel geredet haben, „an jenem Tag“, „zu jener Zeit“ und so weiter. Dies ist die Zeit, von der der heilige Petrus und der heilige Paulus in ihren Briefen so viel gesagt haben. Und es ist die Zeit, von der der Messias selbst so viel in Gleichnissen und ohne sie gesagt hat, wie man in den Evangelien sehen kann. Die erste Zeit des Messias, von der die Propheten sprechen, ist gewiss schon bestätigt; und die Welt hat sich ihrer bewundernswerten Wirkungen erfreut, tut es und kann sich zu ihrer Zufriedenheit daran erfreuen. Und doch sind die Prophezeiungen noch nicht ganz erfüllt; denn sie umfassen nicht nur die erste Zeit des Messias, sondern ebenso und noch mehr die zweite Zeit, die noch erwartet wird. Das ist so offenkundig und klar, dass nach den verschiedenen Grundsätzen oder Systemen zwei verschiedene Schlussfolgerungen abgeleitet worden sind; und wenn auch die eine tödlicher ist als die andere, so sind sie doch beide umso weniger unrechtmäßig und falsch.
Darum ist der Messias nicht gekommen, denn die Prophezeiungen haben sich nicht erfüllt.
Darum können die Prophezeiungen nicht so verstanden werden, wie sie sprechen, sondern in einem anderen, besseren Sinn – bildlich oder geistlich, in welchem Sinn sie in der gegenwärtigen Kirche verwirklicht wurden und werden. – Aber ist es sehr schwer, eine andere, mit der Schrift konforme Schlussfolgerung zu entdecken? Das ist:
Daher können die Prophezeiungen, von denen wir sprechen, und viele andere wie sie, die nicht erfüllt worden sind, noch in der ersten Zeit des Messias hätten verifiziert werden können, sehr wohl in der zweiten verifiziert werden, welche Zeit nicht weniger göttlichen Glaubens ist als die erste.“
Nachdem er den jüdischen Einwänden sowie der traditionellen Opposition der Christenheit begegnet ist, antwortet der Autor auf den letzten, der im Tag seines zweiten Kommens nur ein allgemeines Gericht über die Toten sieht. „Woher aber stammt diese Vorstellung? Aus den heiligen Schriften? Sicherlich nicht, denn sie widersprechen ihr auf Schritt und Tritt ... Daher dürfen wir ohne Furcht hoffen, dass die genannten Prophezeiungen mit zahllosen anderen, die ihnen gleichen, in der zweiten Zeit des Messias vollständig und buchstabengetreu erfüllt werden, da sie es in der ersten nicht sein konnten. Wenn dann die zweite Zeit, die wir alle gläubig glauben und erwarten, gekommen ist, wird es unter anderem primär oder hauptsächlich die Erhöhung des Berges Zion über alle Berge und Hügel geben: ein offensichtlich bildlicher Ausdruck, aber wunderbar geeignet, um nach der Schrift die Würde, Ehre und Herrlichkeit zu erklären, zu der die Stadt Davids erhöht werden wird ... in welcher Zeit folglich die Nationen und Völker zur Spitze des Berges Zion strömen werden. Welche Nationen und Völker? Zweifellos die, die nach dem Kommen des Herrn am Leben bleiben werden, denn es scheint ganz klar, dass es solche geben wird ... Wie soll Er die Lebendigen richten, wenn es keine gibt? Welche Nationen und Völker? Ohne Zweifel diejenigen, die nach dem völligen Untergang des Antichristen am Leben bleiben ... Welche Nationen und Völker? Zweifellos die, die am Leben bleiben, nachdem der Stein auf das Standbild gefallen ist; und nachdem dieses zu Staub zerfallen ist, wird auf seinen Trümmern ein anderes Reich entstehen, unbestechlich und ewig, das alles unter dem ganzen Himmel umfasst.“
Wie ominös, dass ein römischer Priester, trotz aller Hindernisse um ihn herum, eine Einsicht in das prophetische Wort hatte, die so viel weiter ging als die meisten Protestanten. [Anmerkung: Der Name des Autors des vorstehenden Zitats ist Manuel Lacunza, der sich selbst als Juan Josafat Ben-Ezra bezeichnete. Der Übersetzer war der Rev. Edward Irving, 1792‒1894. W. J. H.]↩︎