Behandelter Abschnitt 2Mo 20
Nun werden jene wunderbaren Zehn Gebote ausgesprochen, die das große Zentrum der göttlichen Mitteilungen durch Mose sind – der grundlegende Ausdruck des Gesetzes Gottes. Da sie allen gründlich bekannt sind, gehe ich natürlich jetzt nicht näher darauf ein. Wir kennen von unserem Herrn Jesus seine moralische Zusammenfassung und den Kern: die Liebe zu Gott und die Liebe zu Menschen. Aber sie wurde hier größtenteils in einer Weise dargestellt, die den Zustand des Menschen verriet – nicht in positiven Geboten, sondern in negativen – ein höchst demütigender Beweis für den Zustand des Menschen. Er liebte die Sünde so sehr, dass Gott sie verbieten musste. Im größten Teil der Zehn Gebote hieß es, kurz gesagt, nicht du sollst, sondern du sollst nicht. Das heißt, es war ein Verbot für den Willen des Menschen. Er war ein Sünder, und nichts anderes.
Einige Worte über das Gesetz mögen hier angebracht sein. Man kann es in seiner allgemeinen und historischen Tragweite betrachten, abstrakter als eine moralische Prüfung.
Erstens handelte Gott mit Israel in ihrer Verantwortung als Zeugen des Herrn, des einen wahren, in sich selbst existierenden Gottes, des allmächtigen Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs. Seine Beziehung war mit ihnen, wie sie damals waren, durch seine Macht aus Ägypten erlöst und zwar zu sich selbst gebracht, aber nur nach einer äußerlichen Art, weder aus Gott geboren noch gerechtfertigt. Sie waren ein fleischliches Volk. Sie waren völlig unempfänglich für seine Wege der Gnade, die sie aus Ägypten zum Sinai geführt hatten. Sie verloren seine Verheißungen an die Väter aus den Augen. Sie waren auf ihre eigene Kraft angewiesen, dem Gesetz Gottes zu gehorchen, da sie weder ihre Ohnmacht noch seine heilige Majestät kannten. Dementsprechend können wir das Gesetz als ein Ganzes betrachten, das nicht nur aus moralischen Forderungen, sondern auch aus nationalen Vorschriften, Verordnungen, Satzungen und Gerichten bestand, unter die Israel gestellt wurde. Diese sollten sie folglich als ein Volk unter seiner besonderen Regierung formen und regeln, wobei Gott sie ihrem Zustand anpasste und in keiner Weise sein eigenes Wesen offenbarte, wie Er es später persönlich im fleischgewordenen Wort im Neuen Testament als eine volle Darstellung seines Geistes tat, und im einzelnen Christen oder in der Versammlung als einer verantwortlichen Repräsentation Christi, wie Israel in Bezug auf die Steintafeln (2Kor 3). Daher können wir den irdischen, äußeren und zeitlichen Charakter der Haushaltung des Gesetzes verstehen. Es gab vor ihr und während ihrer Zeit hindurch Gläubige. Sie waren jedoch natürlich völlig verschieden vom Judentum. Es handelte sich nun um eine Nation und nicht nur um Einzelpersonen, die so regiert wurden – um eine Nation inmitten vieler, die in ihr die Folgen der Treue oder des Mangels an Treue gegenüber dem Gesetz des Herrn zeigen sollten. Das Alte Testament und auch das Neue Testament beweisen, wie sehr Israel versagt hat und welche Folgen das sowohl für die Gerechtigkeit als auch für die Gnade Gottes hatte.
Aber zweitens ist das Gesetz eine moralische und individuelle Erprobung. Das bleibt immer bestehen; denn das Gesetz ist gut, wenn der Mensch es gesetzmäßig gebraucht. Das Christentum lehrt seinen Wert, statt ihn zu neutralisieren. Es ist falsch, dass das Gesetz tot ist. Es ist nicht so, dass der Gläubige, auch wenn er Jude war und deshalb unter dem Gesetz stand, seiner verdammenden Macht entzogen wäre. Durch das Gesetz ist er dem Gesetz gestorben, damit er für Gott lebt. Er ist mit Christus gekreuzigt, und doch lebt er, allerdings nicht sich selbst, sondern Christus in ihm. Er ist durch den Leib Christi dem Gesetz gestorben, damit er einem anderen gehöre – dem, der von den Toten auferweckt wurde, damit wir Gott Frucht bringen. Aber es ist so weit wie möglich von der Wahrheit entfernt, dass „die Zucht des Gesetzes eintritt, um die Mängel des Geistes auszugleichen und die noch verbleibenden Neigungen zur Sünde zu zügeln.“ Das war zweifellos die Lehre derer, die der Apostel als „Gesetzeslehrer“ bezeichnet und die weder verstanden, was sie sagten, noch was sie fest behaupteten. Es ist kein Christentum, von „Mängeln des Geistes“ zu sprechen, ebenso wenig wie von „noch verbleibenden Neigungen zur Sünde“, und noch weniger, die Zucht des Gesetzes zur Besserung heranzuziehen. Ist es nicht bekannt, dass für den Gerechten (was der Gläubige gewiss ist) das Gesetz nicht gilt, wohl aber für den Gesetzlosen und Zügellosen, den Gottlosen und Sünder (1Tim 1,9)? Diejenigen, die Christus Jesus angehören, haben das Fleisch mit seinen Neigungen und Begierden gekreuzigt. Es geht darum, dass wir unsere Glieder, die auf der Erde sind, kasteien, weil wir tot sind, und dass wir durch den Geist wandeln, wie wir durch Ihn leben, und dass wir in keiner Weise die Begierden des Fleisches erfüllen. Da nun das Gesetz die Kraft der Sünde ist, so ist die Gnade die Kraft der Heiligkeit. Gott sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus.
Wir finden jedoch, dass es Gott gefiel, nachträglich und zusätzlich, aber doch in Verbindung mit den zehn Worten, bestimmte Verordnungen zu geben, war die Anbetung Israels betrafen.
Da sah das ganze Volk den Donner und den Blitz und die Stimme der Posaune und den rauchenden Berg, und sie standen von fern und baten, dass nicht Gott, sondern Mose mit ihnen reden sollte. Da betrat er die dichte Finsternis; denn so handelte Gott mit Israel als einem Volk im Fleisch. Für den Christen ist es nicht so. Der Vorhang ist zerrissen, und wir wandeln im Licht, wie Er im Licht ist (1Joh 1). Doch auch damals warnte der Herr davor, sich Götter aus Silber und Gold zu machen, und wies sie an, Ihm einen Altar aus Erde für Brand- und Dankopfer zu machen. Wenn er aus Stein ist, belehren zwei Verbote sein Volk: Er darf nicht aus behauenem Stein sein, da ihre Arbeit ihn entweihen würde; noch darf der Israelit über Stufen hinaufsteigen, da dadurch seine Blöße sichtbar würde. Die Gnade bedeckt durch die Sühnung Christi, wie sie durch Gottes Werk und durch die Aufrechterhaltung der göttlichen Ordnung fließt.