Behandelter Abschnitt Hiob 19
„Und Hiob antwortete und sprach: Wie lange wollt ihr meine Seele plagen und mich mit Worten zermalmen? Schon zehnmal habt ihr mich geschmäht; ihr schämt euch nicht, mich zu verletzen“ (V. 1‒3). Und nun nimmt er diesen Grund – sei es, dass ich gesündigt habe, ohne es zu wissen; sei es, dass ich etwas getan habe, was Gott missfällt! – Er sagt: „Und habe ich auch wirklich geirrt, so bleibt doch mein Irrtum bei mir. Wenn ihr wirklich gegen mich großtun und meine Schmach gegen mich darlegen wollt so wisst denn, dass Gott mich in meinem Recht gebeugt und mich umstellt hat mit seinem Netz“ (V. 4‒6) – das war sein Glaube. Er nimmt alles wie von Gott, ohne zu wissen, was im Himmel geschehen war. Er sollte durch die tiefste Not hindurchgehen; aber der Mann, der für Geduld sprichwörtlich sein sollte, brach in eine völlige Ungeduld aus. Es kam zum völligen Versagen selbst eines gottesfürchtigen Mannes, nicht nur eines Mannes, nicht nur Adams – denn Adam fiel; er wurde nicht nach Hiob geboren, sondern Hiob wurde nach Adam geboren; und doch sollte ein Mann, der so für seine Geduld bekannt war, versagen, als er versucht wurde! Ach, in Christus gibt es den Gegensatz. Das ist es, wo die Leute so falsch sind, diesen zum Vorbild Christi zu machen. Nein, er ist ein Beispiel für jemand, der versagt, und ein von Gott geborener Mann, der versagt. Wir brauchen Christus, und können nicht ohne Christus auskommen. Das ist die wahre Moral des Buches Hiob.
„... so wisst denn, dass Gott mich in meinem Recht gebeugt und mich umstellt hat mit seinem Netz“ – es ist völlig wahr, dass es Gott gewesen sein muss, der das alles zugelassen hat. „Siehe, ich schreie über Gewalttat und werde nicht erhört; ich rufe um Hilfe, und da ist kein Recht. Er hat meinen Weg verzäunt, dass ich nicht hinüberkann, und auf meine Pfade legte er Finsternis. Meine Ehre hat er mir ausgezogen und die Krone meines Hauptes weggenommen“ (V. 7‒9). All dies empfand er sehr tief. Welches Recht hat jetzt ein Gläubiger auf eine Krone? Welches Recht hat ein Gläubiger jetzt noch auf Herrlichkeit? Hat er nicht eine böse Natur, die ständig und jeden Tag gerichtet werden muss? Verdient der eine Krone? Oder ein Mensch, der mit dieser Natur zu kämpfen hat; verdient das eine Krone? Der Tag, an dem wir gekrönt werden, ist der, an dem wir nichts mehr haben als das, was von Christus ist, jedes bisschen des alten Menschen ist dann völlig vergangen.
Hier hatte Hiob viel zu lernen. „Er hat mich ringsum niedergerissen, so dass ich vergehe, und hat meine Hoffnung ausgerissen wie einen Baum. Und seinen Zorn ließ er gegen mich entbrennen“ – da hat er sich geirrt – „und achtete mich seinen Feinden gleich. Miteinander kamen seine Scharen und bahnten ihren Weg gegen mich und lagerten sich rings um mein Zelt. Meine Brüder hat er von mir entfernt, und meine Bekannten sind mir ganz entfremdet“ (V. 10‒13). Ihr wisst, was das für das Herz bedeutet, wenn Ihr es je erlebt habt. „Meine Verwandten bleiben aus, und meine Vertrauten“ – er kommt nun näher – „haben mich vergessen. Meine Hausgenossen und meine Mägde achten mich für einen Fremden; ein Ausländer bin ich in ihren Augen geworden. Meinen Knecht rufe ich“ – seinen Mann, wie wir es nennen, oder in moderner Sprache, seinen Kammerdiener – „und er antwortet mir nicht“ (V. 14–16).
Wie bedauernswert! Er war sehr tief gesunken, um seine lieben Freunde um Mitleid zu bitten, und sie hatten nichts als einen bösen Verdacht, der ihn zutiefst verwundete. „Warum verfolgt ihr mich wie Gott und werdet meines Fleisches nicht satt?“ (V. 22). Habe ich nicht genug gelitten, um euch zu befriedigen? „Oh, dass meine Worte“ und so weiter, nicht genau, in einem Buch gedruckt wären – sondern dass sie auf Stein eingeprägt wären, oder was auch immer die Art und Weise sein mag, in der das Schreiben in jenen Tagen durchgeführt wurde. Er bezieht sich auf eine sehr dauerhafte Form – „dass sie in ein Buch gezeichnet würden, mit eisernem Griffel und Blei in den Felsen eingehauen auf ewig! Und ich, ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er auf der Erde stehen“ (V. 23‒25). Das ist ein höchst wunderbarer Ausdruck des Glaubens, und umso mehr, wenn wir ihn mit dem vergleichen, was wir letzten Mittwochabend in Kapitel 14 hatten – die Auferstehung „des Menschen“ – nicht die Auferstehung „der Gerechten“, sondern die Auferstehung des Menschen. Hiob, erinnerst du dich, beginnt: „Der Mensch, der von einer Frau geboren ist“ – kein Wort von jemandem, der von Gott geboren ist. Der Mensch ohne Gott, der Mensch ohne Christus, und was ist das Ende von alledem? Ein Baum, der bis auf die Wurzel gefällt ist, mag sprießen, aber nicht der Mensch; und so lange wird dieser Schlaf sein, dass der Mensch nicht erwachen wird – und die Auferstehung des Menschen wird nicht sein – „bis die Himmel nicht mehr sind“ (V. 12).
Ist das der Fall mit der Auferstehung der Gerechten? Nein. Das ist es, was er hier sagt. Er sagt: „Und ich, ich weiß, dass mein Erlöser [goel]“ – der, der das Unrecht des Volkes Gottes an seinen Feinden rächen wird; der, der für sie sorgen wird im Angesicht jeder Schwierigkeit und jedes Feindes – „ich weiß, dass mein Erlöser lebt und als der Letzte wird auf der Erde stehen“ – „als der Letzte“ ist nicht „am letzten Tag.“ Er ist der, der, wenn alles versagt hat, erscheinen wird. Der Erste wird sozusagen der Letzte sein, um nicht „den Menschen“, sondern den Heiligen, den Gläubigen aufzunehmen. „Und ich, ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als Letzter wird er auf der Erde stehen“. Dieses letzte Wort ist auch ein wenig stärker. „Erde“ ist der Staub – etwas ganz anderes, als wenn der Himmel nicht mehr wäre. Es wird dann keinen Staub mehr geben, auf dem man stehen kann. Die Himmel und die Erde werden alle aufgelöst werden, und es wird eine Frage des Feuers sein, das alles zerstört, wie uns in mehr als einer Schriftstelle gesagt wird, besonders von Petrus. Alles wird aufgelöst werden – die Elemente selbst. Es wird überhaupt keinen Staub mehr geben. Aber hier wird Er darauf stehen; seine Macht kann Ihn erreichen; und es kann sich, soweit ich weiß, auf den Staub seines Volkes beziehen. Er wird sie aufrichten. Aber auf jeden Fall ist das Wort ziemlich vage; und wir dürfen nicht mehr erwarten als einen kleinen Lichtschimmer, der in jenen Tagen bekannt wird. Es ist Christus vorbehalten, das Leben der Auferstehung hervorzubringen.
„... und ist nach meiner Haut dies da zerstört, so werde ich aus meinem Fleisch [Körper] Gott anschauen“, gemeint ist das ganze Gestell des Körpers. Es ist besser, das Wort „Leib“ wegzulassen als zu ergänzen. Das heißt, es wird eine wirkliche Auferstehung sein – nicht wirklich „in Fleisch und Blut“ – aber du erinnerst dich, dass es wirklich er selbst war, als Christus auferstand. Er bat sie, Ihn anzurühren und zu wissen, dass es Fleisch und Knochen gibt, aber nicht „Fleisch und Blut“, was jetzt das natürliche Leben des Menschen ist. Wenn die Auferstehung kommt, wird es immer noch Fleisch in einer herrlichen Weise geben, und es wird Knochen in einer herrlichen Weise geben; und anstatt dass es Blut als Quelle des Lebens ist, wird es Geist sein; die Existenz wird dann göttlichen Charakter haben. Solange es Leben gibt, kann Blut vergossen werden, und der Mensch stirbt. Das Vergießen von Blut ist die große Art des gewaltsamen Todes, und der gepriesene Herr wusste das alles, und Er ging durch all das hindurch. Aber auferstanden von den Toten, ist der Körper, den Er besitzt, ein greifbarer Körper und kann gefühlt werden; und obwohl das nicht immer sein muss, gibt es eine Macht der Veränderung in dieser Form. Ich habe keinen Zweifel, dass das Gleiche für jede Macht gilt. Aber da ist die Kraft. Nun sind wir alle begrenzt; so begrenzt, dass sogar ein mächtiger Mann durch ein Eichenbrett von nur einem oder zwei Zentimeter Dicke aufgehalten werden kann. Es hält ihn auf. Und sicherlich könnte eine Granitwand jeden aufhalten. Aber wenn dieser Tag gekommen ist, werden wir durch alles hindurchgehen, so wie unser Herr es getan hat. Unser Herr kam absichtlich herein, als die Türen verschlossen waren. Du magst mir sagen, dass der Stein aus dem Grab entfernt wurde. Doch geschah es nicht, um den Herrn hinauszulassen. Das geschah, damit die Jünger hineingehen konnten, um zu sehen, dass Er hinausgegangen war. Was ist die ganze Dicke der Erde für Ihn? Der verherrlichte Körper hat eine eigene Kraft und kann durch alles hindurchgehen.
Das ist beim jetzigen Menschen nicht der Fall. Er ist sehr begrenzt und schwach; eine Kleinigkeit hält ihn auf oder tötet ihn sogar. Aber nicht so, wenn der Körper in Kraft und Unverweslichkeit und Herrlichkeit auferweckt wird. Hier kommt der Herr, um den Staub gleichsam zu beanspruchen und darauf zu stehen. Das ist natürlich ein Bild des Umgangs mit dem niederen Zustand. Der Körper wird zerstört, nicht nur die Haut, sondern alles, was zum Menschen im natürlichen Zustand gehört. Aber was dann? „... so werde ich aus meinem Fleisch Gott anschauen!“ Hiob sollte auferweckt werden und wieder leben, und zwar in einer herrlichen Weise, in der Weise der Macht und der Unverweslichkeit. „Den ich mir selbst anschauen werde“. Er hatte nicht die geringste Angst vor dem Herrn. Er liebte es, an Ihn zu denken, und er erwartete sein Eingreifen mit Gewissheit: „den meine Augen sehen werden, und kein anderer.“ Welch ein Gegensatz zu Bileam! Bileam konnte nicht sehen, außer prophetisch, aber nicht für sich selbst. Er hatte weder Teil noch Los. Aber Hiob, mit jedem Teil und jedem Los, wusste es genau. „Meine Nieren verschmachten in meinem Inneren“ (V 27). Das wird ihn nicht im Geringsten behindern.
Ihr seht also, dies war eine Auferstehung der Gerechten; sie findet statt, bevor die Himmel nicht mehr sind. Und obwohl die Erde fortbesteht, wird sie, wenn sie in einem Zustand des Verderbens ist, einer vollständigen Veränderung Platz machen – nicht nur einer, die den Zustand der Körper der Gläubigen im tausendjährigen Reich betrifft, sondern auch die Erde selbst. Die ganze Schöpfung wartet derweil auf ihre Befreiung aus der Knechtschaft der Verderbnis, unter der sie jetzt leidet. Und Christus wird sie vollenden, denn das wird sein Werk sein. Es braucht sich also niemand zu wundern, dass, wenn dieser Tag kommt, eine gerechte Regierung auf der Erde herrschen wird. Niemand braucht sich zu wundern, dass Satan dann keine Macht mehr haben wird. Er wird eingeschlossen werden, und es wird ihm nicht erlaubt sein, einen weiteren Moment zu verführen, bis zum Ende der tausend Jahre, und dann wird es sein, um als eine Art Sieb zu handeln, um diejenigen, die nicht aus Gott geboren sind, von denen zu trennen, die es sind. Es wird ihm erlaubt werden, das zu tun, und dann wird er für immer in den Feuersee geworfen werden. Aber die Gerechten werden vorher schon tausend Jahre lang regieren, während die Erde noch weiterbesteht. Du siehst die große Kraft, die darin liegt, und dass der Herr in einem Zustand auf die Erde kommt, der so niedrig ist, wie Er unter der Macht Satans nur sein kann, kurz bevor er kommt und sie befreit. Oh, mögen unsere Herzen ganz auf Ihm ruhen, geliebte Brüder. Lasst uns jetzt an dem Herrn festhalten! Und lasst uns daran denken, dass wir dem Herr durch einfachen Glauben Tag für Tag dienen und verherrlichen, indem wir Ihn in alle einbeziehen, und zwar mit bedingungslosem Vertrauen auf Ihn und dem Urteil über uns selbst! Amen.