Behandelter Abschnitt 1Mo 49
In diesem Kapitel finden wir den allgemeinen prophetischen Segen für Jakobs Söhne. Hier kann man den Umfang wiedergeben, ohne sich zu kurz zu fassen. Wie der Segen auf die Geschichte der zwölf Häupter des Volkes anspielt, so haben wir natürlich die Zukunft, die die Stämme Israels erwartet. Aber da dies unter den Christen ein ziemlich weit verbreitetes Wissen ist, braucht man darüber nicht viel zu sagen.
Ruben ist der Ausgangspunkt, und leider ist er, wie der Mensch immer, verdorben. Es war das erste Zeichen des Bösen in dem Geschöpf. Das zweite ist nicht besser – eher noch schlimmer in mancher Hinsicht –, wir finden Gewalt. Simeon und Levi waren für das letztere ebenso bemerkenswert, wie Ruben für das erstere – eine traurige Vision für Jakobs Herz – zu empfinden, dass dies nicht nur gewesen war, sondern sein würde; denn zweifellos wusste er, wie er sagt, dass das, was er damals aussprach, weitergehen und dem Volk „am Ende Tage“ begegnen würde. Das hinderte ihn nicht daran, mit der Geschichte Israels aus seinen eigenen Tagen zu beginnen. Verderbnis und Gewalttätigkeit, wie sie die beiden verhängnisvollen Eigenschaften seiner drei ältesten Söhne gewesen waren, würden auch das Volk in seiner frühen Geschichte prägen. Israel unter dem Gesetz brach das Gesetz und verließ den Herr immer wieder und diente den Baalim; dennoch würden die Söhne nicht besser, sondern eher schlechter sein als der Vater; aber die Gnade Gottes würde für die kommenden Generationen eingreifen, wie sie es für ihren Vater Jakob getan hatte, und der letzte Tag würde für sie glänzend sein wie in Wahrheit für ihn.
Dann kommt Juda vor uns. Man könnte denken, dass es jetzt sicher vollen Segen geben wird. „Juda ist ein junger Löwe; vom Raub, mein Sohn, bist du emporgestiegen. Er duckt sich, er legt sich nieder wie ein Löwe und wie eine Löwin; wer will ihn aufreizen? Nicht weichen wird das Zepter von Juda, noch der Herrscherstab zwischen seinen Füßen weg, bis Schilo kommt, und ihm werden die Völker gehorchen.34 Er bindet an den Weinstock sein Eselsfohlen und an die Edelrebe das Junge seiner Eselin; er wäscht im Wein sein Kleid und im Blut der Trauben sein Gewand; die Augen sind trübe von Wein, und weiß die Zähne von Milch. Sebulon, am Gestade der Meere wird er wohnen, und am Gestade der Schiffe wird er sein, und seine Seite gegen Sidon hin“ (V. 9–13).
Ja, Jakob spricht von Schilo. Aber Schilo wurde der Verantwortung des Juden zuerst vorgestellt; und folglich schien alles zusammenzubrechen, und in einem Sinne tat es das auch wirklich. „Und ihm werden die Völker gehorchen“, und so wird es sicherlich sein, aber jetzt noch nicht. Schilo kam; aber Israel war nicht bereit und lehnte Ihn ab. Folglich liegt der Gehorsam der Völker, wie sicher auch immer, noch in der Zukunft. Der Ratschluss Gottes schien vergeblich zu sein, wurde aber in Wirklichkeit im Blut des Kreuzes gefestigt, was der Unglaube für sein Verderben hält. Er ist aufgeschoben, nicht verloren.
Sebulon gibt uns das nächste Bild der Geschichte Israels. Nachdem ihnen Schilo präsentiert wurde und sie Ihn aber abgelehnt haben, finden die Juden ihren Trost im Verkehr mit den Heiden. Das ist es, was sie jetzt tun – sie versuchen, sich selbst glücklich zu machen, während sie, wenn sie ihre eigenen Propheten abwägen, irgendwo in ihrer Geschichte einen fatalen Fehler vermuten müssen. Sie haben ihren Messias verloren, und sie hofieren die Welt. „Sebulon, am Gestade der Meere wird er wohnen, und am Gestade der Schiffe wird er sein, und seine Seite gegen Sidon hin“ (V. 13).
Die Folge ist, dass die Juden unter der Last zusammenbrechen und völlig unter den Einfluss der Nationen geraten. Dies wird durch Issachar gezeigt – „ein knochiger Esel, der sich lagert zwischen den Hürden“ (V. 14).
Dann kommen wir zu der Krise des Leidens für den Juden. In Dan hören wir von dem, was weitaus schrecklicher ist als die von den Heiden auferlegten Lasten und ihre eigene Unterwerfung, anstatt sich an ihre eigenen und unverwechselbaren Hoffnungen zu klammern. Im Fall von Dan wird die Macht Satans dargelegt: „Dan wird eine Schlange sein am Weg, eine Hornotter am Pfad, die in die Fersen des Rosses beißt, und rücklings fällt sein Reiter“ (V. 17). Wir sehen hier in der Schlange den Feind, die beißt, und das daraus resultierende Unheil für den Reiter. Es ist der Moment des totalen Verderbens bei den Juden, aber genau der Punkt der Wende zum Segen. Dementsprechend hören wir den Ruf: „Auf deine Rettung harre ich, Herr“ (V. 18). Es ist der plötzliche Wechsel von der Macht Satans zu einem Herzen, das zum Herrn selbst hinaufschaut und zu Ihm hingeht.
Von diesem Punkt an ist alles verändert. „Gad, Scharen werden ihn drängen, und er, er wird ihnen nachdrängen auf der Ferse“ (V. 19). Jetzt haben wir den Sieg auf der Seite Israels.
Aber das ist nicht alles. Es gibt auch einen Überfluss. „Von Aser kommt Fettes, sein Brot; und er, königliche Leckerbissen wird er geben“ (V. 20).
Wiederum wird es eine Freiheit geben, die unter dem Gesetz unbekannt ist, – unmöglich, wenn sie nur wegen ihrer Fehler unter der regierenden Hand Gottes behandelt werden. „Naphtali ist eine losgelassene Hirschkuh; er, der schöne Worte gibt“ (V. 21). Welch ein Unterschied zu dem, der wie ein Esel die Lasten zu tragen hatte!
Aber noch mehr als das haben wir bei Joseph. Jetzt haben wir die Herrlichkeit in Verbindung mit Israel; und schließlich die Macht auf der Erde: Joseph und Benjamin haben jetzt sozusagen zusammengefunden. Was in den Tatsachen der Geschichte verwirklicht wurde, endet endlich in der – vorhergesagten – Glückseligkeit Israels.
34 Die eigentliche Schwierigkeit in 1. Mose 49,10 liegt weder in der ungewöhnlichen Anwendung des Wortes Schilo noch im lehrmäßigen Eifer, sondern in dem Wunsch, eine Prophezeiung loszuwerden. Der Unglaube geht von der Schlussfolgerung aus, dass es so etwas nicht gibt und nicht geben kann. Daher das Bestreben, seinen einzigen gerechten und würdigen Sinn zu zerstören. „Die Gottheit [sagt Dr. D., Introd. O. T. i. 198] hielt es, soweit wir es beurteilen können, nicht für angebracht, einem Menschen wie Jakob das Vorauswissen zukünftiger und entfernter Ereignisse zu vermitteln. Hätte er das getan, hätte Er ihn nicht in der Dunkelheit über die Unsterblichkeit der Seele (!) und einen zukünftigen Zustand von Belohnungen und Bestrafungen (!) gelassen. Er hätte ihn nicht auf seinem Sterbebett wie einen arabischen Häuptling von keinen höheren Segnungen für seine Söhne sprechen lassen als von Raub und Mord, ohne den geringsten Hinweis auf einen anderen und besseren Zustand der Existenz, in den er glaubte, eintreten zu müssen, und in Bezug auf den er seinen Söhnen raten könnte, ständig zu handeln. Die wahre Art, mit der Prophezeiung umzugehen, besteht einfach darin, durch innere Beweise die Zeit festzustellen, in der sie geschrieben wurde, und zwar auf der einzig haltbaren und philosophischen Grundlage, dass sie dem sterbenden Patriarchen von einem nachfolgenden Schreiber in den Mund gelegt worden ist. Es hat die Form einer Vorhersage; aber es ist ein vaticinium post eventum ... Wir glauben, dass die Zeit der prophetischen Lyrik in die Zeit der Könige fällt. Die Stämme werden als an den Orten wohnend bezeichnet, die sie zur Zeit Josuas erhielten. Die Ankündigung der Vorrangstellung Judas lässt die Zusammenstellung viel später als Josua ansetzen, da er als Anführer der Stämme bei der Unterwerfung der Nachbarvölker dargestellt wird. Wir erklären Vers 10 so, dass er impliziert, dass David König über die Stämme war und ihre Feinde gedemütigt hatte.“ Die richtige Übersetzung nach diesem Skeptiker ist:
Das Zepter soll nicht von Juda weichen,
noch der Stab der Macht von seinen Füßen,
bis er nach Schilo kommt,
und ihm der Gehorsam der Völker gebührt.
Aber erstens war die herrschende Stellung Judas nicht bis, sondern nachdem Schilo gekommen war. Dass also irgendjemand während der Könige die Ereignisse in einer angeblichen Prophezeiung, die dem sterbenden Jakob in den Mund gelegt wurde, verfälschen würde, ist zu viel für die Leichtgläubigkeit von irgendjemandem außer einem Rationalisten. Zweitens: Jemand, der so verächtlich über andere spricht wie dieser Schreiber, hätte sich nicht dem Vorwurf solcher Unwissenheit aussetzen dürfen, „die Völker“ oder Nationen mit dem Volk oder den Stämmen Israels zu verwechseln. Ich glaube daher mit der größten Autorität im Hebräischen, dass die Sprache es zulässt, dass wir Schilo als Subjekt und nicht als Objekt nehmen, so dass der Sinn im Zusammenhang verlangt, dass wir es so wiedergeben: „bis Schilo [d. h. der Friede oder der Mann des Friedens, der Messias] kommt.“↩︎