Behandelter Abschnitt Dan 4,1-4
Dan 4,1-4 - Große Worte eines großen Mannes
Das dritte Kapitel schliesst mit einer Anerkennung Gottes des Höchsten, nachdem er Seine treuen Knechte so sichtlich bewahrt hatte. Nebukadnezar gab sogar Befehl, ausschließlich den Gott des Himmels zu ehren, weil es keinen andern Gott gibt, der auf solche Weise zu erretten vermag. Mit dieser Erklärung verneinte der König seinen eigenen Gott, den er in der Ebene Dura hatte erstellen lassen. In der Folge erwies es sich jedoch, daß das Bekenntnis des Königs nur ein Eindruck, nur eine flüchtige, augenblickliche Begeisterung, aber keine Sinnesänderung, keine Hingabe an Gott war. Immerhin war der Anfang zu einem neuen Leben gemacht und ein öffentliches Zeugnis abgelegt. Den Versen 1-4 des vierten Kapitels zufolge, möchte man geneigt sein, auf eine Bekehrung oder wenigstens auf eine gründliche Erweckung des Königs zu schließen, und wüßten wir nichts Weiteres von Nebukadnezar, so würden wir eine Umkehr sogar behaupten. Doch es fehlten die Früchte einer wahren Bekehrung. Der Herr Jesus sagt: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ Der aus Gott Geborene sündigt nicht (1Joh 3,9; 5,18). Nebukadnezar hatte aber mit seinen Sünden noch nicht gebrochen, trotzdem bei ihm ein gewisser Schritt zum Guten zu beobachten war, worüber man sich stets freut.
Ein Staatsdokument. Die Verse 1-4 stellen also eine öffentliche persönliche Deklaration des Königs dar, die er durch seine Herolde an alle Untertanen des großen Weltreiches hatte ergeben lassen. Leider ist Nebukadnezar auf das schöne Zeugnis und auf die einzigartige Erklärung hin erneut in Sünde verfallen, besonders in die des Hochmuts; doch wurde er, wie die weiteren Verse zeigen, auf sehr empfindliche Art endlich zurecht gebracht. Und obgleich so mancherlei Verirrungen bei Nebukadnezar vorliegen, so unterscheidet er sich doch wesentlich von andern Königen, mit denen Gott auch mächtiglich geredet hat. So z. B. Pharao, der unter starkem, göttlichem Druck nachgab, ja sogar bekannte: „Ich habe gesündigt“, der aber, nachdem ihm Gott Erleichterung verschaffte, schlimmer war als zuvor. Ein anderes Beispiel ist Belsazar in Kapitel 5. Auch Herodes, welcher Johannes den Täufer gern hörte, verharrte bewußter Weise in seinen Sünden und starb in ihnen. Und doch ist es überwältigend, daß die größten Sünder, Verfolger und Lästerer durch die Gnade Gottes gerettet werden können. Wir erinnern an Manasse aus dem Alten Testament, jenen Goliath unter den Sündern; ferner an Saulus von Tarsus, aus dem Neuen Testament, der sich den „vornehmsten der Sünder“ nannte und Gnade fand. Wie ermuntern uns doch solche Beispiele zum Ausharren in der Fürbitte und in der Wortverkündigung.
Nebukadnezars Erklärung redet noch heute belehrend zu allen Königen und Hoheiten. Sie sollen erkennen lernen, daß der Höchste regiert, sie selbst jedoch nur dazu gesetzt sind, den Willen des Allmächtigen auf Erden auszuüben. Keiner soll, etwa wie der kommende Antichrist, nach eigenem Gutdünken handeln. Nebukadnezars Haltung war hier seinem Volke gegenüber eine vorbildliche, indem er es auf die Wege Gottes aufmerksam machte, die Er mit ihm gegangen war und bekannte, wie gerecht Gott gehandelt hatte. Zugleich bedeutete das, wenn auch noch sehr unvollkommen, ein Bekennen der eigenen Schuld.
Die Botschaft des Staatsdokumentes. Sie lautet: „Friede euch in Fülle!“ Das war ein nicht zu unterschätzender Wunsch, den der König für seine Völker hegte. Es wird ihm klar geworden sein, wie hart er seine Untertanen behandelt, auf welch gewalttätige Weise er sein Reich aufgebaut und wie schrecklich die Tränensaat war, die er auggestreut hatte. Weltreichbegründer, wie Nebukadnezar, Alexander der Große und andere, tragen mehr oder weniger dieselben Züge. Sie mußten später selbst erbeben im Rückblick auf ihre Wege von Blut, Tränen und Grausamkeiten. Wie manches Land, das einem Garten Eden glich, wurde auf ihren Kriegszügen in eine Wüste erwandelt (Joel 2,3). Bei ihnen erfüllt sich, was in Röm 3,15-17 geschrieben steht: „Ihre Füße eilen dahin, Blut zu vergießen.“" Zu dieser demütigenden Einsicht scheint auch Nebukadnezar gelangt zu sein, wenn man den Wortlaut seiner Botschaft liest. Es ist stets das beste Zeichen göttlichen Redens und göttlicher Erkenntnis, wenn Menschen wahrhaftige Früchte der Buße zeitigen, und so viel an ihnen liegt, das wieder gutmachen, was sie verdorben haben. Diejenigen aber, die sich über das begangene Unrecht leicht hinwegsetzen können, beweisen, daß sie die Abscheulichkeit ihrer Sünde noch gar nicht recht erkannt haben.
Die Bezeichnung, die Nebukadnezar Gott gibt. Er erkennt Gott als den „Höchsten“" an, d. h. als den Höheren denn sein sechzig Ellen hohes Götzenbild, das er ehedem zur Verehrung hatte errichten lassen. Wenn wir Gott die Ehre geben, so zeigt sich das gewöhnlich in doppelter Weise:
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In tiefer Demütigung und Zerknirschung vor dem erhabenen, allweisen Gott, wie wir das bei Nebukadnezar vor allem am Schluß dieses Kapitels so deutlich sehen.
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In lautem Jubel, als ein freudiges Bekenntnis vor Mitmenschen, über das, was der Herr getan. Wenn Nebukadnezar schon damals, beim Anblick einer so großen Errettung, wie die der drei Männer aus dem Feuerofen, Gott solche Anerkennung zollte, wie viel mehr sollten wir dann heute im Blick auf unsern mächtigen Erretter und Sein großes Erlösungswerk am Kreuze in Demut niederfallen, Ihn anbeten und allen Mitmenschen unsere Rettung durch Ihn kundtun.
Weitere Einzelheiten der Rede Nebukadnezars: „Groß und mächtig sind Seine Zeichen und Wunder.“ Diesen Ausspruch tat der König aus voller Überzeugung; denn er hatte Außergewöhnliches gesehen und erfahren. Nun konnte er nicht schweigen! Der Herr Jesus mußte in Seinen Zagen zu den Juden sagen: „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder sehet, so glaubet ihr nicht.“ Nebukadnezar hatte aber im Vergleich zu den Juden in Jesu Tagen, nur wenige Wunder gesehen, dennoch blieben diese wenigen unauslöschlich in des Königs Gedächtnis. Das entschlossene „Nein“ Sadrachs, Mesachs und Abednegos und ihre Bereitschaft, lieber in den Feuerofen zu geben, als den Herrn zu verleugnen, und die darauf folgende wunderbare Rettung, waren gewiß bis dahin das überwältigendste Erlebnis des Königs. Er war verblüfft über das Allvermögen und die Treue des Gottes Israels zu Seinen geprüften Kindern. Ja, wahrlich, groß und mächtig sind Seine Zeichen und Wunder! Laut werden dereinst die Erlösten sie besingen (Off 15,3, 4). Das Vornehmste aller Gotteswerke ist und bleibt aber für Zeit und Ewigkeit die Dahingabe Seines Sohnes. „Sein Reich ist ein ewiges Reich.“ Diese Wahrheit hätte Nebukadnezar bereits in Kapitel 2 erkennen sollen, als Daniel von dem sich – loslösenden - Stein erzählte, der alle andern Reiche zerschmetterte und hernach selbst die ganze Erde erfüllen wird. Aber damals war der König berauscht von seiner eigenen Macht und Herrlichkeit als das „goldene Haupt“. Nun erlernt er, daß nicht sein Reich, sondern das des Messias allein ewigen bestand haben wird. Erst durch die neue Offenbarung glaubt er daran. Ja, Gottes Offenbarungen dienen dazu, Menschenherzen zu überführen.
Die ganze Proklamation ist etwas Erhebendes. Auch von Nebukadnezar kann gesagt werden: Dieser, der einst die verfolgte, die den Namen des Herrn anriefen, verkündigt jetzt das Wort (Apg 9,21). Nebukadnezar predigte hier seinen vielen Völkern. Der Herr hat gesagt: „Wie schwer werden die, so auf Reichtümer vertrauen, ins Reich Gottes kommen.“ Hier aber ist ein Reicher und Großer an der Schwelle dieses Reiches! Was bei Menschen unmöglich ist, das vermag Gott. Diese Begebenheit spornt uns zur Fürbitte an. Das anhaltende Flehen des treuen Überrestes, sowie das tadellose Zeugnis, haben zweifellos zu dieser Umwandlung viel beigetragen. Viele Gotteskinder ahnen nicht, welch große Segnungen in der Fürbitte und in der Bereitwilligkeit, für den Namen des Herrn zu leiden, verborgen liegen. Wären Sadrach, Mesach und Abednego dem Feuerofen ausgewichen, so wären sie einem der größten Vorrechte verlustig gegangen. Sie hätten nie die einzigartige Rettung aus Not und Tod erfahren, und Nebukadnezar wäre kaum zur Gottes- und Selbsterkenntnis gekommen. Wir wollen auch treu auf unserm Posten stehen, den Namen des Herrn bekennen, Seine Taten rühmen, und mit dem Dichter singen wir: „Kommt her, laßt mich erzählen, was Gott an mir getan. Ihr gottesfürchtigen Seelen, kommt, stimmt ein Loblied an!“