Behandelter Abschnitt Dan 3,25-30
Eine neue Gottesoffenbarung (Vers 25). Spurgeon sagt hierzu: „Als der Herr im Himmel Seine drei treuen Zeugen in den Feuerofen gehen sah, da sprach Er bei sich selbst: „ Ich will meinen Thron verlassen, hinabsteigen und mich eins machen mit meinen schwer geprüften Brüdern.“ Der Herr hat ja verheißen: „Ich will euch nicht als Weisen lasen, ich komme zu euch.“ Das haben jene drei Männer sichtlich erfahren. Frei wandelten sie zum Staunen Nebukadnezars und aller Zuschauer im Feuerofen umher. Und ähnlich hat Gott die Seinen oft befreit (2Kön 19,35). Alles was verbrannte, waren die Seile, mit denen man sie gebunden hatte (Vers 21). So geht es heute noch! Der Herr ist stets bei den Seinen, besonders aber in Trübsalszeiten. Er war mit Stephanus, und Er befreite Paulus durch seinen Neffen (Apg 23,16). Ebenso war Er mit Petrus und Johannes, die Er in Gefängnis und Verbannung nicht verließ. Der Herr selbst ist Schutz und Wehr! Wir alle schrecken gewöhnlich vor dem feurigen Ofen zurück doch gehen wir getrost hinein, wir finden den Herrn daselbst. Die Versuchung zum Verleugnen oder Aufgeben ist in gewissen Augenblicken stark, aber die Treue zum Herrn darf sich durch nichts erschüttern lassen, denn Er läßt keinen zuschanden werden, der auf Ihn vertraut. Im Feuer der Leiben wird nur das Hindernde (die Seile) verzehrt. Geläutert geht der Gläubige aus den Prüfungen hervor.“
Zum großen Erstaunen des Königs und der ganzen Volksmenge sahen sie, daß nicht nur drei Männer, sondern ihrer vier sich frei und unverletzt im Ofen bewegten und der vierte glich einem Gott. Hier wandelten sie also buchstäblich mit Gott. Der Gott des Himmels bekundete sichtlich, wer eigentlich Gott ist. Gott antwortete auf Nebukadnezars Herausforderung mit einem Exempel und ließ sich nicht unbezeugt. Das war zugleich ein Wink für alle nachfolgenden Herrscher. Im ersten Augenblick schien es, als sei Nebukadnezar Sieger auf dem Kampfplatz über den Gott Israels und Seine treuen Knechte, bald aber mußte er lernen, daß nicht „er“, sondern der „Gott Israels“ das letzte Wort sprach. Nebukadnezars neuer Gott erlitt ‑ kaum geboren den Todesstoß. Der König mußte sich eine höchst empfindliche Korrektur gefallen lassen. Schon in Kapitel 2, als dem kleinen gläubigen Überrest eine mächtige Priesterschaft gegenüberstand ‑ die aber in der Stunde der Not völlig versagte ‑erlebte der König eine göttliche Offenbarung. Hier aber erfuhr er eine noch größere. Ei mußte sehen, daß sein Gott ohnmächtig war, vermochte er doch nicht einmal die Leiber derer (außerhalb des Ofens) zu bewahren, welche die drei Männer in den Ofen werfen mußten (1Sam 21-22). Drei Männer des Glaubens trugen den Sieg über Nebukadnezars Gott und über alle ihre Widersacher davon. Es war also wieder die gleiche kleine Beterschar, die das mächtige Babylon überwand und durch den Glauben des Feuers Kraft auslöschte (Heb 11,34). Sie strahlten in ihrem Glaubensmut wie das helle Licht inmitten finsteren Heidentums, Götzendienstes und Aberglaubens. Wie Mose in Ägypten, oder wie Luther im dunkelsten Katholizismus, so waren auch sie leuchtende Denkmäler von Gottes Treue, Macht und Liebe. Unzählige Gotteskinder aller Zeiten haben in dunklen Stunden der Prüfung aus der Leidensgeschichte dieser Glaubenshellen neuen Trost und neue Glaubenszuversicht geschöpft.
Ein unerwartetes Aufwachen. Nebukadnezar war ein großer Mann, ein Kriegsheld, sehr intelligent, aber er kannte den lebendigen Gott Israels noch nicht; doch als er göttliche Offenbarungen empfing, ging er nicht achtlos an ihnen vorüber. Sah er das göttliche Wirken, so beugte er sich darunter, war er davon überzeugt, daß er es wirklich mit Dienern Gottes zu tun hatte (wie Daniel und seine drei Freunde), so ehrte er sie, und als er den Gott Israels als den allein wahren Gott erkannte, diente er Ihm. Hier sprach gewiß niemand mehr ein Wort von der Imposanten Einweihung des Standbildes, vielmehr war hier die Rede von der göttlichen Offenbarung im Feuerofen, wo der Gott des Himmels eine so überwältigende Sprache redete. Gott hatte schon früher mit Nebukadnezar geredet, aber er war die Antwort schuldig geblieben. Wir können sicher sein, daß hier, am Feuerofen, sein Gewissen neu erwachte. Er merkte etwas davon, daß Gott den Tod des Sünders nicht will. Zugleich lernte der König, daß das entschiedene „Nein“ seiner drei treuen Beamten nicht Auflehnung gegen ihn oder sein Reich war, sondern nur Treue zu ihrem Gott und Seinem Wort. Vielleicht mag sich Nebukadnezar im Stillen gefragt haben, ob wohl einer aus der Menge bereit gewesen wäre, der neuen Staatsreligion wegen in den Feuerofen zu gehen?
Was war nun das Endergebnis der grausamen Handlungsweise des Königs? Wie hatte doch das großartige Fest einen so ganz andern Ausgang genommen, als er sich ihn gedacht hatte! Das Fest sollte in erster Linie dazu dienen, seinen Gott zu verherrlichen. Ferner sollte es in politischer Hinsicht eine innige Verschmelzung der ihm unterworfenen Völker und Stämme, vermittelst einer einheitlichen Staatsreligion, bewirken. Es sollte ihn, als das goldene Haupt, vor dem ganzen Volk erhöhen und ihm größeres Ansehen verschaffen. Doch siehe da, als Schlußakkord dieser gewaltigen Völkerdemonstration fühlte er sich durch die Wucht der Gottesoffenbarung veranlaßt, öffentlich zu bezeugen, daß kein anderer Gott als der Gott Israels also retten kann (Verse 28-30). Das war die Antwort des allmächtigen Gottes auf die Herausforderung Nebukadnezars (Vers 15).
Eine große Erklärung. Die früheren Eindrücke, die der König durch den kleinen Überrest gläubiger Juden erhalten hatte, wurden durch das offensichtliche Wunder im Feuerofen wesentlich verstärkt. So unbarmherzig Nebukadnezar diese ergebenen Diener ehedem in den Feuerofen werfen ließ, so überzeugt rechtfertigt er nun öffentlich ihr treues Handeln und pries ihren Gott. Ja, mehr, er „befahl“, daß allein der Gott dieser drei Männer geehrt werde. Armer, blinder Nebukadnezar, du irrst, wenn du glaubst, du könntest Gottegglauben „befehlen“ ‑ den muß der: Einzelne „erleben“. Und Nebukadnezar hat ihn erlebt (wenn auch im feurigen Ofen der Trübsal), wie uns das nächste Kapitel zeigen wird.
Die neue große Gotteserkenntnis führte bei ihm immerhin noch nicht zu einer völligen Sinnesänderung, dazu brauchte es noch unendlich viel mehr. Nebukadnezar bewunderte nur Gottes große Macht, wie heute viele Seine Schöpfung bewundern, ohne dem Schöpfer selbst zu dienen.
Lernen wir: a) Daß Verfolgung nicht selten das Los der Gläubigen ist (2Tim 3,12); b) daß die Kraft eines einfältigen Glaubens genügt. „Der Glaube ist der Sieg, der die Welt überwindet“ (1Joh 5,4); c) daß Jesus Seinen Getreuen stets nahe ist, besonders aber in Leiden; d) daß Kinder Gottes im Feuer der Trübsal nur gewinnen können.
Jenen drei Männern wurde kein Haar versengt. Geläutert wie Gold, gehen auch wir aus Trübsalen hervor (1Pet 1,7); und schließlich e) daß Gott auf diese Weise verherrlicht und der stolze Mensch gedemütigt wird. Vergessen wir nie, daß der Weg des Gläubigen immer einsamer wird, aber der gleiche Gott, dem die Gottesmänner vertrauten und dienten, gibt jedem die Kraft, ihn zu gehen.