Behandelter Abschnitt Dan 3,13-24
„Ist es Absicht, daß ihr meinen Göttern nicht dient?" (Vers 14.) Es war gewiß keine Kleinigkeit, vor diesem Wüterich zu erscheinen und sich zu verantworten. Eine Antwort, wie sie diese drei Männer gaben, kann nur jemand geben, der sich aufs tiefste mit seinem Gott verbunden weiß und sich an die Schrift hält. Ihr Entschluß war so unabänderlich, wie der des Paulus: „nach Jerusalem zu reisen und bereit zu sein, für den Namen des Herrn zu sterben“ (Apg 20,13). Aus ihrer entschiedenen Antwort glühte eine Gottesliebe, die heißer war als der brennende Ofen. So ergeben sie sonst ihrem König dienten, so war doch hier eine unüberbrückbare Kluft. Ein Kompromiß war unmöglich. Sie wollten lieber verbrannt werden, als ihren Gott verleugnen und andern Göttern dienen. Man kann dem wahren Gläubigen alles nehmen, ihn mißhandeln und zu Tode quälen, aber von seinem Gott und der Gemeinschaft mit ihm, kann ihn niemand trennen. Das hat Satan bei seinem Angriff auf Hiob reichlich erfahren. Nebukadnezars Antwort bestand zunächst in Güte, dann in Strenge und schließlich in einer gotteslästerlichen Herausforderung (Vers 15). Dieser drei unbeugsamen Männer wegen war er sogar bereit, die ganze Zeremonie nochmals wiederholen zu lassen; denn er wollte sie, wenn möglich, vor dem qualvollen Feuertode verschonen. Doch baten sie den König, sich diese nutzlose Mühe zu ersparen. Sie gaben ihm unzweideutig zu verstehen, daß sie niemals ihre Knie vor seinem Bilde beugen werden. Stark im Glauben, ruhig und gelassen standen sie vor dem König, wissend, daß ihr Gott, wenn es in Seinem Plane liegt, sie aus dem Feuerofen zu retten vermag.
Die Entscheidung überließen sie ihrem Gott, doch wußten und glaubten sie, daß Er retten könne. Hätten sich diese drei Glaubenshelden mit Fleisch und Blut besprochen, so wäre der Entscheid über ihr Verhalten wahrscheinlich anders ausgefallen, denn sie hatten nur die Wahl zwischen Leben und Tod. Sie kannten den grimmigen Zorn des Königs zur Genüge, hatten sie ihn doch bereits in Kapitel 2 erfahren, als er plötzlich alle Weisen, und mit ihnen auch sie, ohne Grund und Ursache umbringen wollte. Und was damals Nebukadnezar von den drei Männern verlangte, fordert Satan noch heute von vielen Gläubigen, indem er sie versucht, vor dem goldenen Bild „Mammon“ (der auch Abgötterei ist) niederfallen (Eph 5,5; Kol 3,5). Und ach, wie viele sind hier unterlegen und haben die treue, darreichende Hand Gottes für gering erachtet. Die ganze Verhandlung vollzog sich in breiter Öffentlichkeit, während alle sie angafften und voller Spannung den Ausgang erwarteten. Welcher Gott wird siegen ‑ der Gott Israels, oder der des Königs? Und während Nebukadnezar meinte, die drei Männer mit Gewalt von ihrem Gott lösen zu können, trug seine Behandlung um so mehr dazu bei, sie an Gott zu fesseln, dem sie so treu ergeben waren. In 1Pet 3,12-13 fragt der Apostel: „Wer ist es, der euch Böses tun wird, wenn ihr Nachahmer des Guten geworden seid?“ Wer hätte den Schaben des schlechten Beispiels an den vielen Brüdern in Babel ermessen können, hätten sie nachgegeben. Man kann sich vorstellen, in welche Verfassung Nebukadnezar geraten war, den sie, wie er meinte, vor aller Welt so blamierten. Doch nicht nur in den Tagen Nebukadnezars, nein, zu allen Zeiten hatte Satan den feurigen Ofen für die Getreuen Gottes bereit stehen, und stets genügend Helfer gefunden, das Feuer in seinem Auftrag zu schüren.
Von Abel hinweg, bis zum letzten Gottesfürchtigen der groben Trübsal, haben Unzählige ihr Leben um Jesu willen gelassen. Wie reichlich sich die römische Kirche in dieser Sache beteiligt hat, ist den meisten bekannt. Aber so wie der Herr den Freunden Daniels Beistand, Kraft und Trost war, so ist Er es noch allen bis in unsere Tage.
Die Vollstreckung des Urteils. Der vor Wut schnaubende König ließ in seiner Zornesglut den Ofen siebenmal mehr heizen als sonst. Ein so dreistes Verhalten wider den Befehl des Königs, eine solche Bloßstellung und Verachtung seiner Macht ‑ und das sogar von weggeführten Juden ‑ mußte exemplarisch bestraft werden, damit in Zukunft die Wiederholung eines ähnlichen Majestätsverbrechens für immer ausgeschlossen sei. Die stärksten Männer des Heeres erhielten den Befehl, Sadrach, Mesach und Abednego zu binden und sie in ihren Kleidern in den brennenden Ofen zu werfen. Die Hitze war so unerträglich, daß die Schergen, welche die drei Männer in den Ofen werfen mußten, von ihr versehrt wurden. Und ein grausamer König und viele andere mit ihm, konnten diesem Schauspiel voller Genugtuung zusehen. So ist der natürliche Mensch in seinem religiösen Fanatismus. Ist es nicht höchst beachtenswert, daß der erste Mord, den die Geschichte zu berichten weiß, ein Religionsmord war. Tötete Kain seinen Bruder Abel nicht aus einer gewissen religiösen Mißgunst heraus? ‑ Und ist die Kirchengeschichte nicht voll von erschütternden Gerichten über Qual und Tod von treuen Zeugen Gottes? Wir erinnern an die Millionen von Glaubenszeugen, die im Laufe der Zeit ermordet wurden. ‑Wer kennt nicht die Geschichte der Hugenotten, der Waldenser, der Inquisitionszeit und der grausamen Bartholomäusnacht.
Die Schrift weissagt aber noch Schlimmeres. Was sich hier, zu Beginn der Zeiten der Nationen, abgespielt hat, wird sich in bei Endzeit wiederholen. In Off 13,7 lesen wir, daß dem Tier Macht gegeben wird, mit den Heiligen zu streiten und sie zu überwinden, und aus Off 17,14 lernen wir, daß die zehn Könige, unter der Führung des Tieres, mit dem Lamme streiten werden. Doch wie es in den Tagen Nebukadnezars eine große Offenbarung von Seiten Gottes gab, so wird es am Ende sein. Man denke nur an die großen Zeichen der zwei Zeugen in Off 11. Der Endzweck jener furchtbaren kommenden Verfolgung wird der sein, Gottes Volk gänzlich zu vernichten. Überaus heiß wird dann das Feuer der dreieinhalbjährigen Trübsal brennen, in welchem sich besonders der „Gläubige“ Überrest Israels befinden wird. Gott aber wird antworten! Das ganze an Gott gläubige Israel wird durch das Eingreifen Gottes gerettet werden (Off 19,17-21; Sach 14,3, 9; Joel 4,1-2). Wir sehen hier, nebenbei gesagt, daß die Endzeit trotz all ihrer Bosheit „religiös“ sein wird. Falsche Propheten, falsche Christus und Wölfe in Schafskleidern werden auftreten, und die religiöse Welt wird ihnen anhangen. Das Wesen des Menschen ist im tiefsten Grunde religiös, und wenn er nicht an den lebendigen Gott glaubt, so glaubt er sicher an selbstgemachte Götter.