Behandelter Abschnitt Dan 3,1-7
Dan 3,1-7 - Nebukadnezar und das goldene Standbild
Der Eindruck, den Nebukadnezar durch die Offenbarung seines Traumes und dessen Deutung bekommen hat, muß ihn gewiß während langer Zeit beschäftigt haben. Auch die Zerschmetterung des Standbildes durch den Stein, der sich ohne Hände löste und alles zermalmte, brachte ihn zweifellos zu ernstem Nachdenken. Er hatte klar vernommen, welches das Ende der Nationen sein wird. Wie wird nun Nebukadnezar das ernste Reden Gottes beantworten? Wird er ein Fasten ausrufen, wie das einst der König von Ninive tat, als durch den Propheten Jona der Untergang der Stadt angekündigt wurde? Wird Nebukadnezar die neugewonnene Gotteserkenntnis zum persönlichen Erleben Gottes ausreifen lassen? Das hätte ein Herabsteigen bedeutet ‑ so weit war aber der König noch nicht ‑das mußte er erst durch bittere Erfahrungen lernen. Nebukadnezar blieb, wie wir Leute sagen würden „religiös neutral“. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß diese Art Neutralität in den meisten Fällen ein Verharren im Alten bedeutet. Nebukadnezar glich jener Sorte von Hörern, bei der das Wort auf das Steinige fällt und bald verdorrt. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Herodes, der die Heiligkeit Johannes des Täufers bewunderte, wie Nebukadnezar die eines Daniel, und dennoch nicht mit seinen Sünden brach (Dan 4,27). In dem Augenblick, da Gott einen Sünder durch Sein Wort erleuchtet, wird er vor die Entscheidung gestellt: von nun an entweder Gott oder dem Fürsten der Welt, Satan, zu dienen, wie Saulus von Tarsus auf die göttliche Offenbarung hin sich dem Herrn hinzugeben, oder wie Felix und Agrippa, das Reden Gottes mit einer höflichen Phrase abzulehnen. Anstatt daß Nebukadnezar Gott die Ehre gab, verherrlichte er sich selbst und wollte nach seiner Fasson selig werden. „Du bist das goldene Haupt.“ So hatte Daniel dem König gesagt. Der Satz war ihm geblieben und darin sonnte er sich. Die Worte: „Du König der Könige“, du „goldenes Haupt“, kamen in diesem Fall sogar von Gott. Wird ihn die hohe Offenbarung auf die Knie treiben wie Daniel, oder wird er, wie König Saul, sich selbst ein Denkmal setzen? Nebukadnezar tat letzteres. Anstatt zum Gottesdiener wird er zum Götzendiener. Er warf sich sozusagen Hals über Kopf in den Hochmut, in Selbstverherrlichung, in Satans ursprüngliche Sünde. Die Statue, die er im Traum gesehen hatte, machte er nun zum Wahrzeichen seiner Religion, mit dem Unterschied, daß er die ganze Statue vergoldete, nicht nur ihr Haupt. Diese Art war nichts anderes als ein Zurückfallen in den Götzendienst, welcher ein uraltes Produkt Babels war. Der erste Götzendienst fand sein Wahrzeichen im Turm von Babel (1. Mose 11). Auch dort wurde ein riesiges Monument zu Ehren des Menschen erstellt. Ob es ebenfalls in der Ebene Dura stand, wie bei Nebukadnezar, kann nicht mit Bestimmtheit festgestellt werden. Da aber das Haus des Gottes Nebukadnezars im Lande Sinear stand und die Geschichte oft Parallelen zeigt, ist wohl anzunehmen, daß es sich um dieselbe Ebene handelt. In Off 13 finden wir den letzten König von Babel. Auch er läßt ein Bild erstellen, setzt es in den Tempel zu Jerusalem und fordert unbedingte Verehrung. Und wie es damals in Nebukadnezars Reich war und in Zukunft nochmals sein wird, so ist es auch jetzt. Unsere sogenannten christlichen Staaten haben größere Offenbarungen Gottes erfahren als Nebukadnezar, und trotzdem sind sie in ihrer Gesinnung ausnahmslos nicht göttlicher als er es war. Die Völker sind ihrem Wesen nach Heiden geblieben, wenn sie sich auch „christlich“ nennen. All ihr Tun ist auf Gewalt aufgebaut und nicht auf das Wort Gottes. Beweis liefern die grausamen, alles vernichtenden Kriege, die diese „christlichen Völker“ gegeneinander führen. Feierliche Messen, oder andere sogenannte Gottesdienste, die bei großen Staatsakten und patriotischen Festen gewöhnlich zur Einleitung dienen, sind nur Fassade, äußerer Anstrich. Doch gottlob gibt es in diesem religiösen Betrieb noch heute, wie damals in Babylon, ein Kirchlein in der Kirche; Menschen, die bereit sind dem Staate zu dienen, nicht aber seinen Göttern.
Zwei gewaltige Werke. Kapitel 3 stellt uns vor zwei außergewöhnliche Werke Nebukadnezars: vor die goldene Bildsäule und den Feuerofen. Sie stehen im Brennpunkt des ganzen Abschnittes. Und die Losung des Tages lautet: entweder das goldene Standbild zu verehren, oder in den Feuerofen geworfen zu werden.
Das goldene Standbild. Wenn man an das Bekenntnis des Königs am Ende des 2. Kapitels denkt, in welchem er den Gott des Himmels über alle Götter erhebt, und nun die von ihm erstellte goldene Bildsäule, diesen Abgott, betrachtet, dann taucht unwillkürlich die Frage auf, wie es beim König zu solch einem Gesinnungsumschwung kommen konnte, zu einem so Grauenhaften Zurücksinken in den Götzendienst, der an Roheit und Grausamkeit alles Bisherige überbot. Ach! wie bald war der tiefe Eindruck des Traumes und seiner Deutung verwischt und geschwunden. So schnell ändert sich der natürliche Mensch, wenn seine Ehre und sein Ansehen in Frage kommen.
Wie kam Nebukadnezar dazu, ein goldenes Standbild zu machen? Der Gott des Himmels hatte den König von Juda in die Hand Nebukadnezars gegeben (Kapitel 1, 2) und ihm im Traum kund getan, was nach diesem geschehen werde (Kapitel 2, 29). Zudem hatte Gott ihm auch Macht und Gewalt über Menschen und Tiere gegeben und ihn als das goldene Haupt bezeichnet (Kapitel 2, 37, 38). Somit war sich Nebukadnezar seiner geschichtlichen Bedeutung bewußt. Leider, wie es sich zeigt, mißbrauchte er die Machtfülle, die ihm anvertraut war. Manche nehmen an, daß die gewaltigen Denkmäler, die Nebukadnezar auf dem Zuge durch Ägypten gesehen hatte, ihm den Anstoß zum Bau dieses Standbildes gaben. Dagegen scheint uns die Annahme, daß das Bild seines Traumes ihm den Anstoß gegeben hat, viel wahrscheinlicher zu sein, zumal der Gott des Himmels ihm damit kundtat, was am Ende der Tage geschehen wird. Wie baute er? So lautet unsere Frage? Mose wurde einst gesagt: „Siehe zu, daß du alles machst nach dem Bilde, das du auf dem Berge gezeigt wurde (4. Mose 8,4). Hier hat es Nebukadnezar fehlen lassen. Er baute das Bild nicht nach dem Muster, das ihm Gott im Traume gezeigt hatte, sondern nach seinen eigenen Gedanken, - ganz von Gold - und dadurch wurde die Art des Urbildes, sein Verfall und endlicher Zerbruch, verdeckt. Das goldene Bild war im Vergleich zum Urbild ein Zerrbild, ein Götzenbild. Es war ein Verleugnen der durch das Urbild zur Schau getragenen Wahrheit: daß alle Herrlichkeit des Fleisches, wie des Grases Blume auf dem Felde ist, schön, aber von kurzer Dauer (1Pet 1,24,25). Hier wird uns eine ernste Lehre gegeben, die zu Herzen zu nehmen ist. Alles Abweichen in Erkenntnis, in Lehre und in Werken von den Gedanken und Taten Gottes ist ein Abweichen von den Urbildern.
Verweilen wir noch einige Augenblicke in rein praktischer Weise bei der ungetreuen Ausführung. Wir sahen, daß Nebukadnezar das im Traume geschaute Urbild verlief, und nach seinem eigenen Geschmack baute scheinbar schöner als Gott es haben wollte. Und hat nicht Nebukadnezar in seinem Abweichen mehr Nachahmer gefunden als Mose in seiner lückenlosen Treue? Wir denken noch an einen andern, an den Apostel Paulus, dem auch ein einzigartiges Bild geoffenbart wurde ‑, die Gemeinde ‑ der Leib Christi, der heute neutestamentliche Tempel, von dem er unter anderem sagt: „ Ich als ein weiser Baumeister habe den Grund gelegt, und ein jeglicher sehe zu, wie er darauf baue, doch also, daß er nicht Schaden leide“ (1Kor 3,10). Wieder drängt sich uns die Frage auf: wie bauen wir? Wir können uns an das Urbild halten, das uns der Apostel in den verschiedenen Briefen vor Augen führt, und das wir auch in der Apostelgeschichte finden. Für schriftgemäßes bauen werden wir am Tage Christi Lob empfangen; weichen wir aber ab, so werden wir Schaden leiden wie Nebukadnezar. Vergleichen wir unsere christlichen Kirchen und Gemeinschaften mit dem Urbild. Wie waren die ersten Gemeinden?
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Ihre Diener waren alle aus Gott geboren und von Gott für den Dienst berufene Männer.
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Sie verharrten beständig in der Lehre der Apostel, in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten.
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Die Welt blieb außerhalb der Gemeinde. Wir lesen, daß von den übrigen keiner wagte, sich den Gläubigen anzuschießen.
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Außerdem wurde Gemeindezucht geübt.
Wenn wir also bauen, wird das Lob vom Haupte der Gemeinde nicht ausbleiben. Mose erhielt für sein schriftgemäßes Bauen ein dauerndes Lob in Heb 3,5, und Paulus war sich schon hienieden der Krone bewußt. Nebukadnezar aber, der das Urbild verließ, wurde samt seinem Bilde zuschanden. Studieren wir also den göttlichen Plan genau und unterlassen wir jedes gutgemeinte Vergolden. Nicht die Vorschriften und Paragraphen eines Komitees oder einer Synode sind maßgebend, sondern allein das Wort unseres Gottes.
Der Feuerofen. Ist das goldene Bild der Ausdruck des grenzenlosen Hochmutes Nebukadnezars, vor welchem er von seinen Untertanen göttliche Verehrung forderte, so ist der Feuerofen der Ausdruck seines Zornes, seiner Gewalttätigkeit und seiner teuflischen Grausamkeit gegen alle, die dem Bilde die geforderte Anbetung nicht zollten. Dieses Standbild erinnert an dasjenige des endgeschichtlichen Antichristen (Off 13,13,14), und die angegebene Zahl 60 und 6 kann man kaum aussprechen, ohne dabei an die Zahl des Tieres zu denken, das mit einer dreifachen Sechszahl (666) gekennzeichnet ist (Off 13,18).
Was Nebukadnezar hier tat, war die Folge menschlichen Größenwahns, ein Akt offener Auflehnung gegen Gott, ja mehr, es war, wie man heute sagen würde, ausgesprochenes Antichristentum. So stand es mit seiner positiven Einstellung zu Gott! Und wenn in jenen Tagen einer den siebenfach geheizten Ofen verdiente, so war es allein Nebukadnezar; denn wer sich über den Allerhöchsten erhebt der zieht sich Seinen Zorn zu. Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus; das trifft auch hier au. Am Ende der Tage steigt nämlich aus dem Meer (Völkermeer) eine Gestalt empor, die im Bilde eines siebenköpfigen Tieres vom Seher auf Patmos geschaut wird, die auch ein Bild erstellt, dem Anbetung gebracht werden muß (Off 13; 2Thes 2). Diese Gestalt ist die vollendete Empörung und Überhebung über den Allerhöchsten und Allmächtigen. Außer dieser Gestalt sieht das Auge des Sehers noch einen Feuersee (Off 19,20). Dieser ist auch der Ausdruck des Zornes, und zwar der des vollendeten und gerechten Zornes Gottes. Nebukadnezar und sein Feuerofen sind die Vorschatten dieser beiden Erscheinungen am Ende der Tage. Niemand kann sagen, wann das Ende der Tage sein wird, weil das allein dem zusteht, der die Zeitalter gemacht hat. Eins aber erkennen wir aus alledem, nämlich, daß sich am Ende der Tage ein gerechtes Gericht vollziehen wird, und derjenige in den Feuerofen geworfen werden wird, der diesen gerechten Zorn Gottes verdient hat.
Die große Einweihungsfeier. Das mächtige Standbild ragte weit in die große Ebene Dura hinaus. Die Vorbereitungen zum pompösen Staatsakt waren vollendet. Alle Königreiche, Volksstämme und Sprachen waren vertreten und die höchsten Würdenträger des Reiches in ihrer Hoftracht erschienen. Tribünen waren errichtet und ein besonderer Thron für Nebukadnezar bereit, der mit seiner engeren Umgebung zum großen Fest erschien. Alle verneigten sich vor dem stolzen Monarchen. Und um dieser Selbstvergötterung Nachdruck zu verschaffen, mußte die begeisterungswirkende Musik in ausgiebiger Weise zum vollen Erfolg beitragen. Nebukadnezar kannte die Seele des Volkes, die dem Zauber dieser Macht nicht zu widerstehen vermochte. Das ganze war Nebukadnezar recht gut gelungen! Die Stimmung des Volkes war durch die herrliche Musik gehoben, und der Anblick des gewaltigen goldenen Standbildes in seiner ganzen Pracht erweckte nahezu leidenschaftliche Begeisterung. In der Folge wurde der Anspruch des Königs auf göttliche Verehrung restlos anerkannt. Um den Preis großartiger Aufmachung und berauschender Musik hat das Volk schon oft seine Seele verkauft, ohne sich dessen bewußt zu werden. Endlich erschien auch der Herold des Königs auf der Rednerbühne und verlas:
Die königliche Proklamation. Sie lautete: „Euch wird befohlen, ihr Völker, Völkerschaften und Sprachen: Sobald ihr den Klang des Horns, der Pfeife, der Zither, der Sambuke, der Laute, der Sackpfeife und allerlei Art von Musik höret, sollt ihr niederfallen und das goldene Bild anbeten, welches der König Nebukadnezar auf gerichtet hat. Und wer nicht niederfällt und anbetet, der soll sofort in den brennenden Feuerofen geworfen werden.“ Das war ein klarer und unmißverständlicher Befehl. Amer Nebukadnezar, du hast die göttliche Offenbarung schlecht verstanden! Du hast dich selbst erhoben über den Gott des Himmels. Anstatt, daß du und deine Völker vor Gott niederfallen und Ihn anbeten, müssen sie vor deinem Bilde niederfallen und dir huldigen. Das Orchester begann ‑ das Zeichen der Verehrung des Bildes war gegeben ‑ und alle, vom Größten bis zum Kleinsten fielen nieder und huldigten dem neuen Gott Babylons. Da der Staat ein einheitlicher sein sollte, so mußte auch eine einheitliche Religion geschaffen werden, und sie fand im goldnen Haupte ihre Verkörperung. Das war immer so! Kaiser und Könige waren meistens das Haupt der Landesreligion. Obwohl im Weltreich Nebukadnezars viele Religionen vertreten waren, so verleugneten die Völker doch die ihnen ureigenen religiösen Gebräuche und warfen sich willig vor dem Bilde nieder. Vielleicht war ihnen der neue Gott besser gesonnen als ihre früheren Götter, die sie vor der Eroberung ihrer Länder durch Nebukadnezar nicht zu schützen vermochten. Der Erfolg der feierlichen Einweihung schien einzig zu sein. In jedem Fall waren die Anwesenden voll Lobes über das große Bild, über dessen Erbauer und über die wohlgelungene Festlichkeit.