Behandelter Abschnitt Dan 1,17-21
Dan 1,17-21 - Das Examen
Schnell waren die drei Jahre Hochschule für Daniel und seine Freunde vergangen ‑; denn in dieser kurzen Zeit galt es die Stunden auszukaufen, um den gewaltigen Lehrstoff zu bewältigen. Das hohe Ansehen, das sie beim Vorsteher genossen haben, wird ihnen oft eine große Ermunterung und ein Ansporn gewesen sein. Gewiß wird auch durch das, Zusammenleben mit andern Schülern der Unterschied zwischen wahrer Gottseligkeit und nur angelerntem weltlichem Anstand zu Tage getreten sein. Doch obwohl alles so gut ging, mußte ab und zu tiefe Wehmut die Herzen dieser vier Jünglinge beschlichen haben. Warum das? Ganz einfach! Es war für sie als Hebräer:
Ein aussichtsloses Leben. Sie hatten, was ihr äußeres fortkommen betraf, eine glänzende, beneidenswerte Karriere vor sich, hingegen waren ihre Aussichten in bezug auf ihr Volk und den Gottesdienst gering. Daniel und seine Freunde waren nicht wie die meisten ihrer Zeitgenossen, nur „äußerlich“ Buben, sondern sie waren beschnitten an Herz und Ohren. Ihnen ging ihr Gott und Sein Volk über alles. Wieviel das wahre Israel, der gottgeweihte Überrest, litt, verraten einige Gefangenschaftspsalmen (Ps 126,127). Außerdem hatten die weggeführten Jünglinge keine Aussicht auf Nachkommenschaf t, die gerade für Israel von so großer Bedeutung war; denn man machte sie zu Kämmerern. An ihnen erfüllte sich die Drohung in 2Kön 20,18. Und doch verfielen sie nicht in allzu große Traurigkeit, sondern sie nahmen alles aus Gottes Hand, der sichtlich unter ihnen war und die Wege bahnte, die Er für sie vorgesehen hatte. Sie gingen durch das Tränental und machten es au einem Quellenort (Ps 84).
Gott war mit ihm. Diesen Ausspruch finden wir fünfmal im Leben Josefs, das so viel Ähnlichkeit mit dem des Daniel hat. Beide kamen aus vornehmem Hause. Beide waren Gefangene in fremdem Land. Beide wurden ihrer Treue wegen gestraft; der eine im Gefängnis, der andere in der Löwengrube. Beide hatten hohe Offenbarungen und Träume und weissagten ihren Herrschern über die Zukunft ihres Reiches. Beide gelangten ihrer großen Gottesfurcht und Treue wegen zu höchster Ehre. Beiden wurde der Name gewechselt, um ihre Herkunft zu verheimlichen. Beide führten ein gottseliges Leben inmitten eines heidnischen Hofstaates und waren den damaligen Machthabern ein gewaltiges Zeugnis. Es gibt nichts Größeres für einen Menschen als die Wahrnehmung, daß der Herr mit ihm ist und ihn trotz allem Neid und allen Verleumdungen segnet. Aber, je mehr der Herr mit Seinem Kinde ist, um so mehr tritt Satan auf und reizt die Mitwelt gegen es.
Die erste Audienz beim König. Drei Jahre Hochschule lagen hinter den Schülern. Eins ist sicher, daß Daniel und seine Freunde die Lehrzeit gut ausgenützt haben; nicht so, wie viele es zum Brauch haben, die alles auf die letzten Stunden verschieben und am Prüfungstage vor lauter Aufregung durchfallen. Alle zeremoniellen Gepflogenheiten am Hofe wurden zuvor eingedrillt und nun kam bei Augenblick, vor dem gefürchteten König zu stehen. Ruhig, ihrer Aufgabe bewußt, traten die vier Jünglinge auf; denn sie waren in Gottes Hand und Gott war mit ihnen. Wissen kommt durch Studium, doch hier war nicht allein babylonische Weisheit, hier war Weisheit von oben, die die höchste Weisheit ist. Es ist erstaunlich, wieviel Licht und Einsicht ein Kind Gottes von dem Augenblick an bekommt, in dem es sich Gott völlig ausliefert (Kol 1,9, 10). Und was war das Resultat der Prüfung? Sie waren:
Zehnmal klüger. Daniel selbst und seine Genossen werden über das Examenergebnis ebenso erstaunt gewesen sein, wie Nebukadnezar. Hier sehen wir so recht den Lohn der lückenlosen Treue. In bezug auf Daniel und seine Brüder heißt es, daß Gott ihnen alle Einsicht und Kenntnis gab. Sie lebten in der Gemeinschaft mit Gott und hier wurden ihnen alle Geheimnisse geoffenbart. Das war die Vorstufe von Kapitel 2, wo Gott den Traum offenbarte und seine Deutung kundtat. Solche Erkenntnis kommt nur durch den Geist Gottes, der den Menschen erleuchtet. So lesen wir unter anderem, daß der Herr Mose Seine Wege wissen ließ (Ps 103,7). Nur Gott kennt das Ende vor dem Anfang und Er hat Seine Absichten gottgeweihten Männern kundgetan (2Pet 1,21; .Heb 1,1). Ehemals sprach Er zu Israel durch die Propheten, später durch den Sohn (Heb 1,1-2). Zur Gemeinde redete Er durch Seinen Apostel Paulus, geleitet durch den heiligen Geist (Joh 16,13-16; 1Kor 2,9-13). Also ist Gottes Reden an dich und an mich auch heute noch durch Sein lebendiges Wort, und nur durch den heiligen Geist erleuchtete Menschen werden es sich zunutze machen, und sich der von Gott geschenkten Erkenntnis erfreuen.
Gott bekannte sich zu jeder Zeit und allerorts zu denen, die Sein Wort genau beobachteten. So segnete Er nicht nur das körperliche Gedeihen der Jünglinge, sondern auch ihre Geisteskraft zum schnelleren Eindringen in die völlig neue Lebensweise. Nicht durch Gleichgestaltung mit der Welt gelangen wir zu einem tieferen Verständnis ihres Wesens, sondern durch die Absonderung von ihr. Bei aller natürlichen Begabung werden die, die sich nach Gottes Wort richten, stets den andern überlegen sein.
Das Schlußexamen. Das steht sowohl Daniel als auch uns noch bevor. Es wird vor dem Richterstuhl Christi sein. Daß Daniel auch dort gut abschneiden wird, verrät uns bereits der Schluß seines Buches, wo ihm durch den Heiligen Geist das höchste Lob zuerkannt wird. Und wie wird unser Schlußexamen ausfallen, von welchem so viel Gewinn oder Verlust abhängt? Es wird zu unserm ewigen Vorteil sein, wenn wir wie Daniel und seine Freunde uns vorgenommen haben, uns nicht au verunreinigen, weder in Worten noch in Taten. Es wird sehr gut sein, wenn wir wie Daniel und seine Brüder innig in der Gemeinschaft mit Gott und unsern Mitgläubigen standen und alle Heiligen von Herzen liebten. Es wird sehr gut sein, wenn wir treu für die Ehre unseres Gottes eintraten und Seinen Namen bekannten. Dann wird Er auch uns vor Gott und Seinen heiligen Engeln bekennen. Es wird sehr gut sein, wenn wir so treue Beter waren wie Daniel, die dreimal des Tages auf seinen Knien betete. Es wird sehr gut sein, wenn wir wie Daniel unablässig im Wort forschen, wie er das in den Schriften Jeremias tat und darin Orientierung fand. Es wird sehr gut sein, wenn wir wie ein Daniel und seine Freunde eher bereit waren, das Leben zu lassen, als um der Ehre bei den Menschen, oder um eines Gehaltes willen, Konzessionen gemacht zu haben.
Unser Abschlußexamen wird aber schlecht ausfallen, wenn mit Geltung, Ehre und Anerkennung bei Menschen suchten (Joh 5,44) Es wird schlecht ausfallen, wenn wir unter „Juden ein Jude" und unter „Babyloniern ein Babylonier“ waren und die Fahne nach jedem Winde drehten. Solches sehen wir bei Daniel nicht! Es wird schlecht ausfallen, wenn wir die Bibel und das Gebet vernachlässigten. Es wird schlecht ausfallen, wenn wir nur zu unserer Befriedigung und unserer Behaglichkeit lebten; mehr an gutes Essen und Trinken dachten, als an das Werk des Herrn. Es wird schlecht ausfallen, wenn wir uns nicht, wie Paulus, enthalten haben und mit ihm bekannten: „ Jeder aber, der da kämpft, ist enthaltsam in allem (1Kor 9,25). Es wird schlecht ausfallen, wenn uns nicht die Heiligkeit Gottes, im Leben maßgebend war. Es wird schlecht ausfallen, wenn wir nicht die sichere Grundlage besaßen, die Daniel von Jerusalem mit nach Babel brachte. Wo der feste Grund „ Jesus Christus“ und „Sein Wort“ fehlen, kann es unmöglich einen widerstandsfähigen Bau geben, er wird vielmehr verbrennen (1Kor 3,15).
Eine lange Amtsperiode. Daniel, der so weise erfunden und zum ersten Berater des Königs gewählt wurde, überlebte nicht nur Nebukadnezar, sondern auch dessen Thronerben Belsazar. Er diente ferner noch im zweiten Weltreich den medopersischen Königen „Darius, und Kores“. Das wird im ganzen eine Dienstperiode von etwa 70 Jahren ausgemacht haben. Doch, obwohl Daniel in hoher Stellung war, diente er überall zuerst dem Herrn, suchte vorab das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit. Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird errettet werden.