Behandelter Abschnitt 2Mo 31,18; 34,1.28
2. .Mose 31,18; 34,1.28 - Die Gesetzestafeln
Nach Heb 9 4 befanden sich in der Bundeslade der goldene Krug mit Manna gefüllt, der grünende Stab Aarons und die Gesetzestafeln. Am wichtigsten und bedeutungsvollsten waren offenbar die Gesetzestafeln. Gott hatte sie mit Seiner eigenen Hand geschrieben. Wohl gab Israel ein heiliges Versprechen. die Gebote zu halten, übertrat aber nur zu bald das erste Gebot: „Du sollst keine andern Götter neben Mir haben“ (2. Mose 20,3). Israel huldigte dem goldenen Kalbe und rühmte sich seiner Götter. Als Mose die schwere Versündigung Israels vor sich sah, zerbrach er die Gesetzestafeln. Die göttlichen Gebote waren ja bereits von Israel übertreten worden. Gott schrieb in Seiner Gnade und Geduld zwei weitere Tafeln, und diese wurden dann in der Bundeslade aufbewahrt. Hier waren sie geschützt.
Gesetz oder Gnade. Nachdem sich Gott Israel als Eigentumsvolk erwählt hatte, gab Er ihm Sein Gesetz. In voller Unkenntnis der Tragweite seines Versprechens sagte Israel zu Mose: „Alles, was Jehova geboten hat, wollen wir tun“ (Kap. 19,8; 24,3). Israel mag wohl gedacht haben: wenn wir Jahrhunderte hindurch die harten Gesetze des ungerechten Pharao halten mußten und konnten, so werden wir gewiß die Gebote eines gerechten und guten Gottes auch erfüllen können. Warum flehte Israel nicht zu Gott um Kraft und Gnade, im gleichen Verhältnis zu Ihm bleiben zu dürfen wie seine Erzväter? Man denke an deren herzliches Verhältnis zu Gott, das aber nicht auf dem Gesetz, sondern auf Gnade beruhte. Durch die Annahme des Gesetzes entfernte sich Israel von Seinem Gott je länger, je mehr, indem es beständig Seine Gebote übertrat. Hätte Gott nicht selbst durch den Bau der Stiftshütte und die damit verbundenen Opfer einen Ausweg aus dieser ernsten Situation geschaffen, dann wäre wohl bald das ganze Volk denselben Weg ins Verderben gegangen, wie z. B. die Rotte Korahs (2. Mose 16). Der Mensch in seinem Wahn will aus eigener Kraft Leistungen vollbringen, mit denen er vor Gott bestehen kann, denkt aber nicht an sein sündiges Wesen und Unvermögen. Oft begegne ich in der Seelsorge Menschen, die sich Gott hingeben wollen und dazu ernstgemeinte Gelübde ablegen; sie sagen etwa: „Jetzt will ich nicht mehr sündigen, sondern Deine Gebote halten.“ Stets habe ich solche Äußerungen korrigieren müssen. „Denn die mit Gesetzeswerken umgehen, die sind unter dem Fluch“ (Gal 3,10). Solche Gelübde sind gewiß gut und ehrlich gemeint, aber der Mensch kennt weder sich und seine Schwächen, noch Satans Macht und List (1. Petr. 5,8).
Der Inhalt der Gesetzestafeln. Er bestand aus den zehn Geboten, die jedem Leser schon aus der Schule bekannt sind. Mehr noch und in ihrem ganzen Ernst dürften sie uns allen bekannt geworden sein aus unserm beklagenswerten Versagen. Gott zeigt uns in diesen Geboten unser Verhalten zu Ihm als Schöpfer und Gesetzgeber. Er zeigt uns ferner, wie wir unsern Umgang zum Nächsten gestalten müssen, wollen wir vor Ihm bestehen. Die Belohnung für ihre gehorsame Befolgung besteht im ewigen Leben. Der Herr sagte das zum reichen Jüngling, der mit der brennendsten Frage zu Ihm kam: „Was soll ich tun, daß ich das ewige Leben erwerbe?“ (Mt 19,16 ff.) Menschen, die zum Herrn kommen und Ihn fragen, was sie tun müssen, um ewiges Leben zu erhalten, verweist Er an das Gesetz: „Tue das und du wirst leben.“ Wer das ewige Leben verdienen will, muß, wie Jesus, das Gesetz bis ins Kleinste hinein beobachten. Der Ausgang der Unterredung mit dem reichen Jüngling ist uns gut bekannt. Er versagte, wie Israel, gleich beim ersten Gebot. Seinen Gott, auf den er sein Vertrauen setzte, bildeten letzten Endes seine Güter. Dem wahren, lebendigen Gott gedachte er erst den zweiten Platz einzuräumen.
Die beste Auslegung des Gesetzes. Der Herr selbst gibt sie uns in der Bergpredigt. Man lese nur Worte wie Mt 5,21-37. Dabei merkt der Leser, daß es nicht um den bloßen Buchstaben geht, sondern um unendlich viel mehr, es handelt sich um eine heilige Liebe zu Gott und Seinen Geboten, sowie zum Nächsten. Da bedarf es der Gesinnung Christi. Als eines Tages ein Schriftgelehrter Ihn nach dem vornehmsten Gebot fragte, antwortete der Herr mit dem Wort: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herren, von ganzer Seele, von allen Kräften, und deinen Nächsten wie dich selbst. In den zweien hanget das ganze Gesetz und die Propheten.“ Der Pharisäer, der sich rechtfertigen will, fragt weiter: „Wer ist denn mein Nächster?" Der Herr gibt mit dem lieblichen Gleichnis vom barmherzigen Samariter eine wunderbare Antwort. Ob der Schriftgelehrte in dem vorübergehenden Priester und Leviten wohl sich selbst erkannte? (Lk 10,25-37). In der rechten Auslegung des Gesetzes versagen wir alle Gott und Menschen gegenüber.
Vermag der Mensch das Gesetz zu erfüllen? Lassen wir uns wiederum durch ein Beispiel der Schrift die rechte Antwort geben: Als in der ersten Gemeinde die gesetzesgesinnten Juden von den Gläubigen aus den Heiden die Durchführung der Beschneidung und des mosaischen Gesetzes verlangten (Apg 15,1-32), legte Petrus ein demütiges Bekenntnis ab: „Was versucht ihr Gott, ein Joch auf den Hals der Jünger zu legen, das weder unsre Väter noch wir zu tragen vermochten? Sondern wir glauben, durch die Gnade des Herrn Jesu in derselben Weise gerettet zu werden wie auch sie“ (Vers 10 und 11).
Gottlob, wir kennen einen Menschen, den Menschen Christus Jesus, der das Gesetz bis ins kleinste treu erfüllt hat. Er konnte sagen: „Wenn der Fürst der Welt kommt, findet er nichts an Mir.“ Ebenso durfte Er fragen: „Wer unter euch kann Mich einer Sünde zeihen?“ Nur Er allein hat Gott das Leben gebracht., das Ihn ehrte und verherrlichte. Alle Nachkommen Adams, auch die besten, haben versagt und „ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollten“ (Röm 3,23). Doch da kam Jesus mit dem Bekenntnis: „Deinen Willen, o Gott, tue Ich gern“, und Er hat ihn getan. Nun steht vor Gott ein Mensch, der das Gesetz an unserer Statt erfüllt hat. Nur gestützt darauf, was Er an meiner Stelle für mich getan hat, darf ich nun vor Gericht erscheinen, und zwar ohne Furcht. Christi Annahme bei Gott hing von Seiner Vollkommenheit ab, aber mit Seiner Annahme bin auch ich, für den Er das Gesetz erfüllt hat, angenommen.
Die Gesetzestafeln in der Bundeslade. Dort sind sie wohl verwahrt unter dem mit Blut besprengten Sühndeckel. Wie die Tafeln in der Lade ruhen, so ruhte das Gesetz im Innersten des Herrn. Das Gesetz ist in einen neuen Bund verwandelt, den Bund im Blute Christi (Mt 26,28). Sein Blut ist auf einen besseren Sühndeckel gesprengt worden im himmlischen Heiligtum, auf jene Lade, die Johannes im Himmel sah (Off 11,19). Die Erben dieses Testamentes sind Gottes neue Kreaturen (2Kor 5,17). Sie werden neue Menschen genannt (Joh 3,3; Eph 2,15). Sie befinden sich auf dem neuen Grund des besseren Blutes, das für uns geflossen ist. Sie befinden sich nun auf dem neuen und lebendigen Wege; sie sind nicht mehr dem toten Buchstaben untergeordnet (2. Kor. 3,6 b). Und am Ende werden sie in den neuen Himmel eingehen (2Pet 3,13). Das geschieht alles durch das Wirken Dessen, der gesagt hat: „Siehe, Ich mache alles neu“ (Off 21,5). Durch den Heiligen Geist, den wir bei der Wiedergeburt empfangen haben, liegt nun das Gesetz auch in unserm Herzen. Er selbst wirkt beides in uns, das Wollen und das Vollbringen, nach Seinem Wohlgefallen (Phil 2,13).
Doch das ist noch nicht alles. Der Herr hat nicht nur das Gesetz restlos erfüllt, sondern dem Cherub vor der Paradiesestür das gezückte Schwert aus der Hand genommen, so daß ich, wie einst der Schächer, ungehindert ins Paradies einziehen darf. Der, der mir dieses Vorrecht erwarb, wartet sogar auf mich wie einst auf Stephanus (Apg 7,55). Ja, Er sehnt sich nach mir (Joh 17,24). Er hat die große Schuld meiner Übertretung restlos bezahlt. Der dreimalheilige Gott hat keinerlei Forderungen mehr an mich. Jesus hat sie für mich erfüllt. Dieses Bewußtsein verleiht unserem Herzen tiefe Ruhe und Frieden. Nun sind, in voller Gewißheit des Glaubens, unsere Herzen besprengt und gewaschen mit reinem Wasser, tadellos vor Gott gestellt (Heb 10,22). „Es ist nun nichts Verdammliches mehr an denen, die in Christo Jesu sind“ (Röm 8,1).