Behandelter Abschnitt Ps 12,1-8
Zuflucht zu Gott Psalm 12
Oft ist es schwer, die rechte Überschrift zu finden; hier aber liegt sie auf der Hand. Sie heißt: „Zuflucht zu Gott.“ Der kurze Psalm ist ein Schrei in der Einsamkeit. „Hilf Herr, denn die Frommen sind dahin.“ Gar oft nahm David Zuflucht zu Gott, man denke an Erlebnisse wie das in 1. Samuel 30,6. Ein schönes Beispiel von Zuflucht bieten uns die sechs Zufluchtsstätten (4. Mose 35). Sie boten dem vom Tode Bedrängten Sicherheit. Dort durfte ihn niemand antasten. Das Wort Zuflucht schließt beim Kinde Gottes jede Notlage ein und bedeutet völlige Geborgenheit; es ist sicher, wie Noah in der Arche (Phil 4,6). Auch Mose erfreute sich der Zuflucht in Gott (Ps 90). Unsere Zuflucht heißt Jesus. Er ist die einzige Sicherheit (Joh 10,28).
Hilf Herr, denn der Fromme ist dahin. So flehte David. Vielleicht hatte er einen besonders Vertrauten wie Jonathan verloren (2Sam 1,26). Es geht allen gleich: wenn der Tod einen Vater oder die Gattin wegnimmt, so entstehen durch sie unersetzliche Lücken. Wenn ein Mitarbeiter das Missionsfeld verlassen muss, rufen die Bleibenden wie David: „Hilf Herr!“ Es erging David wie Elia, der in der Einsamkeit klagte: „Ich bin allein übrig geblieben.“ Es gibt Zeiten der Niedergeschlagenheit. Aus ihr heraus scheint der Psalmist geschrieen zu haben. Hart ist es, wenn einer nach dem andern der Heiligen weggerissen wird. Oft sind es treue Helfer, Ratgeber, weit nötiger als wir selbst; dann sinkt das Thermometer. Aber gerade dann dürfen wir Erlebnisse machen wie etwa die trostlosen Jünger hinter verschlossenen Türen: „Da wurden die Jünger froh, als sie den Herrn sahen“ (Joh 20,20). Viele gingen durch schwere Erfahrungen. Vielleicht auch mancher Leser des Psalmes. Aber wir kennen den Gott allen Trostes (2Kor 1,3). Besonders empfindet der Gläubige die Lage hart, wenn es ihm ergeht wie David nach 1. Samuel 30,6; Psalm 55,13-15, da ihm die Vertrautesten den Tod wünschten. David aber stärkte sich in seinem Gott.
Bei treuen Hirten der Gemeinde steigt oft der gleiche Schrei auf: Herr hilf! Die Frommen schwinden, Lauheit oder Untätigkeit kehren ein, Stützen brechen und Weltfrömmigkeit hält Einzug; dann rufen sie: „Hilf Herr!“ In diesem Psalm finden wir eine Weissagung auf die Endzeit hin, die die Apostel so auffallend in Stellen wie 1. Timotheus 4,1.2; 2. Timotheus 3,1-5 und in 2. Petrus 2 schildern. Was aber wird sein, wenn das, was noch aufhält, nämlich die Gemeinde, entrückt sein wird und damit das Salz der Erde dumm wird und das Licht erloschen ist? Dann wird der Zustand der noch lebenden Treuen unerträglich sein.
Was veranlasste David zu dem Schrei: „Herr hilf?“ Er sah nach den Versen 36 nur Heuchelei, Lüge, Erdrückung der Armen und Schmeicheleien. Mit letzteren versuchten selbst die Pharisäer den Herrn zu täuschen, aber Er entlarvte sie (Mt 22,16) und zerschlug ihren frommen Schein (Mt 23). David sagt, sie reden eigennützige Worte. Sie sind das Gegenteil von jenen Gottesfürchtigen in Maleachi 3,16, die sich untereinander beredeten, was den Herrn erfreut. Schmeichler und Heuchler hat Paulus als Wölfe unter den Frommen gesehen (Apg 20,30; Mt 7,15). Ihr Schwert ist ihre verleumderische Zunge, vor der Jakobus in Kapitel 3 warnt.
Die Antwort Gottes. Während David still auf seinen Gott harrte, hörte er Seine Stimme. In der Stille hören wir sie wie Elia als sanftes Säuseln (1Kön 19,12.13). Solche werden ermuntert und erhalten neue Aufträge (V. 15‑21). Paulus hörte die Stimme in der Stille der Nacht (Apg 16,9; 27,23). Nur das auf Gott gerichtete Ohr hört das Reden Gottes und macht Erlebnisse (1Sam 3,10; Apg 8,26.29). So war es bei David, darum preist er dies in Vers 7.
Die Rede des Herrn. David kannte sie schon von frühester Jugend an, etwa wie der Knabe Samuel. In der Stille hörte er Gottes Stimme und antwortete: „Rede Herr, Dein Knecht höret.“ Er erhielt einen schweren Auftrag (1Sam 3,10). David nahm in jeder Lage Zuflucht zur Schrift. Selbst in seinem tiefen Fall nahm er vertrauensvoll Zuflucht zu seinem Gott (Ps 51). Das Wort war seine Leuchte auf dem Wege (Ps 119,105) und sein höchster Genuss, süßer als Honig und Honigseim (Ps 19,10).
Das Wort war sein Zeugnis. Er sagt: Meine Zunge soll laut reden von Deinen Zeugnissen (Ps 119,172). Das war seine Freude. Bei Tag und Nacht studierte und bewahrte er es in seinem Herzen (Ps 119,11).
Was ist oder was sagt das Wort? Schätzen wir es mehr als Gold, dann erfahren wir die Verheißung des Herrn in Johannes 14,23. Das Wort hat nur dann Wert für uns, wenn wir glauben, dass alle Verheißungen Gottes Ja und Amen in Ihm sind. In Versuchungen gebrauchen wir es, wie unser Herr vor Satan (Mt 4). Paulus schreibt den Ephesern: „Nehmet das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes“ (Eph 6,17).
Unbeschreiblich Großes sichert der Herr denen zu, die Sein Wort bewahren. „Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung in ihm machen“ (Joh 14,23).
Herr, Dein Wort, die edle Gabe, diesen Schatz erhalte mir.
Denn ich zieh' es aller Habe, auch dem größten Reichtum vor.
Wenn Dein Wort nicht mehr soll gelten, worauf soll der Glaube ruhn?
Mir ist nicht um tausend Welten, sondern um Dein Wort zu tun.