Behandelter Abschnitt 1Mo 18,22-33
1Mo 18,22-33 - Abrahams Ringen mit Gott um Sodom und Gomorra
Der vorliegende Abschnitt soll dazu dienen, unsere Erkenntnis über das Gebet zu bereichern. Er enthält das erste niedergeschriebene Gebet der Bibel. Wer recht beten will, der studiere die Gebete der Bibel, sie geben uns, mehr als Gebetbücher, die beste Anleitung, biblisch und erhörlich zu beten. Das Bedürfnis, recht zu beten, erfüllte schon die jünger (Lk 11,1). Beachtenswert ist, daß dieses erste Gebet, das uns schriftlich vorliegt, eine Fürbitte für eine Welt ist, die in Sünden verloren ist und das Gericht erwartet. Das soll uns ein deutlicher Fingerzeig Gottes sein, auch wie Abraham für die ungeretteten Menschen einzustehen. Das befiehlt übrigens auch das Wort in 1Tim 2,1-3. Die große Verantwortung und Treue in der Fürbitte hebt besonders Samuel in 1Sam 12,23 hervor: „Fern sei es von mir, daß ich gegen den Herrn sündige, daß ich ablassen sollte, für euch zu bitten.“ Samuel betrachtete also das Unterlassen in der Fürbitte als Sünde. Unterlassungssünden sind nicht weniger folgenschwer als Tatsünden (Mt 25,41-46).
Welches sind die Voraussetzungen für eine rechte Fürbitte?
Das Lesen der Schrift. In Seinem Wort redet Gott zu uns und läßt uns Seine Gedanken erkennen, die Er mit uns Menschen hat. Abraham besaß noch nicht die Heilige Schrift, aber Gott offenbarte ihm Seine Absichten über Sodom mündlich, so redete Gott mit ihm wie ein Freund mit seinem Freunde, und das führte zu seinem überaus ernstem Gebet für Sodom. Wir werden beim Lesen der Schrift an die Pläne und Verheißungen Gottes erinnert und kommen mit ihnen zum Gnadenthron.
Gemeinschaft mit Gott pflegen. Der Bericht über des Herrn Besuch bei Abraham erlaubt es uns, einen Blick in diese Gemeinschaft zu tun. Damit war ein Verhältnis geschaffen, das Abraham ermutigte, so ernsthaft um die beiden Städte zu ringen. Stellen wie Heb 10,22 und Jak 4,8 reden davon, wie wir Gott nahen sollen, um die rechte Gemeinschaft im Gebet zu erlangen. Der Herr drückt es mit dem bekannten „Bleibet in mir“ aus und verheißt uns: „Ihr werdet bitten, was ihr wollt, und es wird euch geschehen“ (Joh 15,7). Wo das geschieht, wird unser Blick geweitet, wir lernen die Dinge so sehen, wie Gott sie sieht, weil wir mit Seinem Geist erfüllt werden.
Hei1igung. In Kap. 17 lernten wir die Beschneidung kennen, sie bedeutet das Abtun des sündlichen Fleisches, das „Gestorbensein mit Christo“, das Heiligungsleben. Der Herr sagt: „Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen“ (Mt 5,8). Menschen, die noch bewußt in Sünde verharren und z. B. durch eigene Schuld unversöhnlich leben, können nicht erhörlich beten; ihre Untugenden scheiden sie von ihrem Gott (Jes 59,2). Wir sollen heilige Hände aufheben.
Inhalt und Ast der Fürbitte Abrahams. In der Fürbitte erfüllt der Gläubige das Gesetz Christi und trägt des andern Last (Gal 6,2). Zunächst dachte Abraham zweifellos an Lot, als Gott ihm seinen Gerichtsplan kundtat, dann aber sicher auch an die anderen Bewohner der Städte. Hier tat Eile not.
Abraham sah keine Möglichkeit mehr, seine Verwandten zu warnen, so galt es, auf andere Weise zu handeln, und es blieb nur die Fürbitte übrig. In gleicher Lage befand sich zu allen Zeiten und befindet sich auch heute die Menschheit. Die Zeichen der Zeit reden erschreckend deutlich für den, dessen Ohr für Gottes Reden aufgeschlossen ist. Tun wir für die Menschheit, was Abraham tat? Abraham wußte, daß das Gericht herannahte; ebenso wissen wir, daß der Richter vor der Tür steht (Jak 5,9). Jede Verzögerung des Kommens Christi bedeutet noch einen weiteren Tag der Gnade für die Ungeretteten und gibt uns wie Abraham Gelegenheit, sie herauszubeten. Wie Abraham in Kapitel 14 der Rettung Lots wegen mit Menschen kämpfte, so rang er hier für ihn vor Gott und siegte wiederum.
Abrahams Fürbitte war sehr demütig. Heilige Ehrfurcht erfüllte ihn. Der, der Staub und Asche war, stand vor dem dreimal heiligen, allmächtigen Gott. Er kam sich vor wie David, der sagte: „Ich bin ein Wurm vor dir" (Ps 22,6). In all dieser Demut erkühnte sich Abraham, mit seinem Gott zu rechten und zu ringen, denn seine Besorgnis um die Menschen in Gefahr war noch größer als seine Demut. Es erging ihm wie später einem Elias und noch später einem Paulus, die beide groß waren in Demut und in der Fürbitte (1Kön 18,42; Eph 3,14).
Abrahams Fürbitte war sehr freimütig und ebenso vertrauensvoll. Obwohl sich Abraham der Unendlichkeit Gottes bewußt war, redete er doch mit Ihm wie ein Kind mit seinem Vater. Gläubige dürfen mit Freimütigkeit zum Gnadenthron kommen (Heb 10,19). Mit dem Gleichnis in Lk 18,1-8 macht der Herr Seinen Zuhörern klar, daß Er glaubensvolle, freimütige Bitten nicht unerhört läßt. Sie schreien zu Ihm wie Bartimäus und überwinden zahllose Hindernisse und erfahren die Erhörung ihrer Gebete (Mk 10,48). Abraham rechnete damit, daß wenigstens fünfzig Gerechte noch da seien, und er traut es Gott nicht zu, daß Er diese mit dem gottlosen Haufen verderben würde. Er appellierte gleichermaßen an die Gerechtigkeit wie an die Gnade Gottes. Der Herr sagte zu Abraham: „Wenn sich fünfzig Gerechte in Sodom vorfinden, will ich ihretwegen dem ganzen Ort vergeben.“ Abraham aber zweifelte nun selbst daran, daß so viele Gerechte sich vorfinden könnten. Mit echt menschlicher Klugheit stellt er Gott vor die Frage, wenn fünf weniger da wären, ob Er um dieser fünf willen die Stadt verderben wolle. Und so ringt Abraham weiter mit dem Herrn. Er redet von vierzig, von dreißig, zwanzig und schließlich von zehn Gerechten, die sich vielleicht vorfinden könnten. Gott weist ihn nicht zurück! Was sollen wir mehr bewundern: die unendliche Herablassung Gottes oder die Kühnheit Abrahams? Was sollen wir aber neben manchem andern aus dieser Unterredung lernen? Wären zehn Gerechte da gewesen, hätten sie das Gericht tatsächlich aufgehalten. So kann sich in unseren Tagen das Geheimnis der Bosheit noch nicht voll auswirken, weil die Gemeinde es noch aufhält (2Thes 2,7). Ist sie aber entrückt, so entwickeln sich die Dinge so, wie die nächsten Verse sie darstellen (2Thes 2,8 ff.). Abraham war weit entfernt, Gott seinen Willen aufzwingen zu wollen. Er weiß, in welchem Verhältnis er zu Gott steht und deshalb weiß er auch den Augenblick, wo weiteres Bitten vermessen wäre.
Abrahams Fürbitte war beharrlich. Paulus schreibt in Römer 12,12: „Haltet an am Gebet.“ Dafür ist schon Abraham ein erstaunliches Beispiel. Viele machen in ihrer Fürbitte einen ganz guten Anfang, aber wenn Gott scheinbar mit der Erhörung verzieht, erlahmen sie (Lk 18,7). Nicht so Abraham. Sechsmal hob er an, und jedesmal wird die Zahl der Gerechten, um derentwillen er Gnade erfleht, geringer. jedesmal bekommt Abraham eine zusagende Antwort (Ps 27,14; Kol 4,2; 1Thes 5,17; Apg 12,12). Wie ernst und ausharrend Mose und Paulus vor Gott standen, ist uns bekannt (2. Mose 32,32; Röm 9,3).
Zuletzt fragen wir uns: Wurde Abrahams Fürbitte erhört? Gewiß, die beiden Städte wurden nicht verschont, weil nicht einmal zehn Gerechte darin wohnten. Unter diese Mindestzahl herunterzugehen hatte Abraham mit Recht nicht gewagt. Aber die Erhörung dürfen wir in der Rettung Lots und der Seinen erblicken, über die das 19. Kapitel berichtet. Wenn aber drei Menschen vor dem Verderben bewahrt wurden als Frucht der Fürbitte, dann dürfen wir sagen, daß Gott in Seiner Gnade auch hier Abrahams Fürbitte erhört hat. Wie viele Menschen mögen wohl als Frucht deiner und meiner Fürbitte gerettet worden sein?