Behandelter Abschnitt 1Mo 17
1Mo 17 - Die Beschneidung
Wer die Schriftberichte über Abrams Leben oberflächlich liest, möchte annehmen, daß eine Begegnung Gottes mit ihm auf die andere und eine Verheißung auf die andere gefolgt wäre. Es gab aber längere Perioden, da Gott schwieg. Eine genauere Untersuchung läßt uns wissen, daß seit der letzten Offenbarung in Kap. 15 volle dreizehn Jahre vergangen sind. Was war der Grund dieses göttlichen Schweigens? Abrams Versagen, seine Untreue, sein Kleinglaube. Er hatte der Versuchung durch Sarai nachgegeben, Hagar zum Kebsweib zu nehmen, und das war sogar geschehn, nachdem Gott ganz offiziell einen Bund mit Abram geschlossen und dabei die Verheißung erneuert hatte, daß Sarah einen Sohn gebären werde. Die Verbindung mit Hagar war ein eigener, ein fleischlicher Weg, Jede Verbindung zwischen Geist und Fleisch, zwischen Wiedergeborenen und Weltkindern oder Halbfrommen, ist der Schrift zuwider und bringt auch fleischliche Früchte, wie unsere Geschichte das deutlich zeigt. Wir dürfen wohl annehmen, daß die unerfreulichen Folgen, vor allem der Familienzwist, Abram in ernste Buße getrieben hat. Damit wurde er aber reif, Gottes erneute Zusage entgegenzunehmen; die gestörte Verbindung war wiederhergestellt. Merken wir uns, daß nach jeder echten Buße zu Gott neue Segnungen folgen.
Ein göttlicher Besuch. Zum ersten Male offenbarte Gott sich ihm als der Allmächtige. Achten wir auf den Zeitpunkt dieses Besuches. Er erfolgte, als Abram 99 Jahre alt war. Jede Aussicht, auf natürlichem Wege den verheißenen Sohn zu bekommen, war geschwunden, denn auch Sarai stand im neunzigsten Lebensjahre. Wo sollte da noch Hilfe herkommen? Immer wieder ist es so, daß, wenn Menschen am Ende ihres Könnens angelangt sind, Gottes Stunde zum Eingreifen geschlagen hat. So auch hier. Daher die Anrede: „Ich bin der Allmächtige.“ Bei Mir gibt es kein „Unmöglich". Warum wartet Gott mit Seinem Eingreifen oft so lange? Um Seine Wundermacht um so deutlicher zu beweisen (5. Mose 32,36; Joh 11,6.15). Im Blick auf die Vergangenheit mußten die Worte Gottes „Ich bin der Allmächtige" wie ein leiser Vorwurf wirken. Versuche nicht auf eigenen Wegen zu erreichen, was Ich dir verheißen habe und was Ich allein auch nur geben kann. Für uns ist es besonders wichtig, daß wir uns nicht ungöttlicher Wege bedienen, um das uns anvertraute Werk gelingen zu lassen. Das jesuitische Sprichwort: „Der Zweck heiligt die Mittel“ ist die Sprache Satans. Gotteskinder sollten sich nie ungeistlicher Mittel bedienen, wie Abram sich der Hagar bediente, um seine Sache hinauszuführen. Den allmächtigen und allweisen Gott zum Verbündeten zu haben, das darf uns gewiß genügen.
Eine notwendige Forderung. „Wandle vor Mir und sei fromm.“Das hatte Abram unterlassen, er war vielmehr vor seinem Weibe gewandelt, hatte ihren anstatt Gottes Willen erfüllt. Gern bedient sich Satan der Verwandtschaft, um Gottes Gedanken zu vereiteln, weil wir ihr am wenigsten zu widerstehen vermögen (Mt 8,21). Wir tun gut, unseren Wandel immer wieder zu prüfen, ob er vor Gott, unter Seiner Kontrolle steht (Ps 139,23), oder ob er nach väterlicher Weise geschieht (1Pet 1,18). Damit prüfen wir auch, ob Gott uns Seine Verheißungen erfüllen kann. Abrams Sehnsucht nach einer neuen Begegnung mit Gott muß sehr groß gewesen sein, er wird das lange Schweigen Gottes tief und schmerzlich empfunden haben. Er wird auch den Grund dafür gewußt, sich aufs neue gebeugt haben, und auf wahre Buße folgen stets neue Segnungen. Die Mahnung des Herrn: „Wandle vor Mir und sei fromm" war nicht vergeblich, denn in Kap. 24,40 lesen wir, daß Abram selbst von sich sagte: „Der Herr, vor dem ich wandle.“ Das klingt ganz anders, als wenn sein Enkel Jakob später redet von dem „Gott, vor dem meine Väter gewandelt haben“ (1. Mose 48,15).
Ganze Ergebenheit. Abram fiel auf sein Angesicht und gab Gott die Ehre. Einen Mann, der vor Gott wandelt, kann Gott im besonderen Maße segnen, ja, Er läßt sich dazu herab, mit ihm einen Bund zu schließen. Gott sagt zu Abram: „Mein Bund ist mit dir.“ Ein Bund ist eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Beteiligten. Abrams Bestätigung des Bundes war die Beschneidung. Der Inhalt des Bundes besagt, daß Gott, der Allmächtige, sein Gott ist (Vs. 7), und daß das Land Kanaan sein bleibendes Besitztum sein werde (Vs. 8; Heb 11,16). Das, was nun Abram zu hören bekommt, übertrifft an Bedeutung alles, was Gott ihm bisher gesagt hat.
Abram bekommt einen neuen Namen. Beim Auszuge aus Ur sagte Gott zu Abram, daß Er ihm einen großen Namen machen werde, hier aber ist unendlich mehr. In Zukunft soll er nicht mehr „Abram" „hoher Vater“ heißen, sondern „Abraham“ ‑ „Vater der Menge“ bzw. „Vater vieler Völker“. Das bedeutet nicht nur vermehrten Segen, sondern auch vermehrte Verantwortung vor Gott. Auch sein Weib soll einen anderen Namen erhalten: sie heißt in Zukunft nicht mehr „Sarah" ‑ „die Edle“, sondern „Sara" ‑ „die Fürstin“. Denn Gott sagt voraus, daß nicht nur Völker, sondern auch Könige aus Abrahams Nachkommen hervorgehen sollen. Lassen wir uns aber ganz besonders an den „König aller Könige“, an Jesus Christus erinnern, dessen Geschlecht zurückgeführt wird auf Abraham und Sara (nicht auf Hagar, Mt 1,1.2).
Späterhin hat Gott auch Jakob einen neuen Namen gegeben, der wiederum eine ganz besondere Bedeutung hatte (1. Mose 32,27.28). Der in Christo erneute Mensch erhält von seinem Gott einen neuen Namen (Off 2,17).
Vergegenwärtigen wir uns, was diese neuen Namen Abraham und Sara für Eindrücke auf Abrahams Haushalt gemacht haben mögen. Werden sie nicht die Köpfe geschüttelt haben? Mag nicht Ismael seinen heimlichen Spott an Sara geübt haben? Leidet unser Herr an Altersschwäche, daß er sich als Greis Vater der Menge nennen läßt und Sara Fürstin, aus deren Nachkommen Könige geboren werden sollen? Abraham ließ sich nicht beirren, denn er glaubte Gott und wußte, daß Er diese neuen Namen zur Erfüllung der Verheißung gegeben hatte. Auch wir wollen am neuen Namen festhalten, den wir bekommen haben, und daß sich Gottes Verheißungen trotz allem Spott der Feinde an uns erfüllen werden.
Nun stehen wir doch vor einem Rätsel. Wir lesen in Vers 17: „Da fiel Abraham auf sein Angesicht und lachte und sprach in seinem Herzen ‑ ‑ ‑„ Wenn er auf sich und Sara blickte, die beide im Greisenalter standen, wankte erneut für einige Augenblicke sein Glaube. Es kam ihm wie auch späterhin Sara in Kap. 18,12 ff. geradezu lächerlich vor, daß sie in ihrem hohen Alter noch ein Kind gebären sollte. Das geht der Natur entgegen, und deshalb bittet er Gott für Ismael. Gott läßt sich durch Abrahams Zweifel nicht beirren. Er bleibt dabei, daß Sara einen Sohn bekommen soll, und nennt schon jetzt seinen Namen: „Isaak ‑ man lacht.“ Aber auch Ismael soll nicht zu kurz kommen, er soll gesegnet werden und fruchtbar sein; aber Träger der Verheißung und Partner des Bundes mit Gott wird Isaak sein.
Ganzer Gehorsam. An demselbigen Tage beschnitt Abraham alles Männliche (Vs. 23). So sollen alle wahren Glaubenskinder Abrahams handeln. Sofort irgendeinem Befehle Gottes gehorchen, selbst wenn er ein noch so schmerzliches Opfer bedeuten sollte. Abraham verschonte niemanden von diesem äußerst schmerzhaften Eingriff. Ganzer Gehorsam ist oft mit viel Not und Entsagung verbunden. Die Beschneidung an sich und seinen Nachkommen, die Abraham befohlen wurde, sollte das Siegel des Bundes sein, den Gott mit ihm schloß, der als ewiger Bund sich auf seine Nachkommen vererben sollte und selbst auf unseren Herrn sich vererbt hat, der beschnitten wurde, als er acht Tage alt war (Lk 2,21). Und Paulus berichtet in Phil 3,5, daß auch er beschnitten worden ist. Freilich ist es auch gerade Paulus, der den Gläubigen klar machte, daß die Beschneidung als solche niemals die reinigende Wirkung des Blutes Christi haben könne (Röm 2,28.29; Gal 5,6; Phil 3,3; Kol 2,11). Die Vollziehung der Beschneidung war ein Symbol, ein Hinweis auf den Weg dem Lamme nach, der ans Kreuz führt mit seinen Leiden und Schmerzen. Die angeführten Stellen lassen die tiefe Bedeutung erkennen, die Gott ihr beilegt. In Gottes Augen ist die Beschneidung des Herzens das Entscheidende, durch die der Bund zwischen Gott und uns geschlossen und besiegelt wird. Gott versteht unter Beschneidung die neue, die Wiedergeburt, jenes Siehe, alles ist neu geworden“. Ohne diese Beschneidung können wir weder Gott leben noch Ihm dienen. Ehe Israel ins Land Kanaan einzog, mußte es beschnitten werden, die Schande Ägyptens mußte weggetan werden (Jos 5',. Erst galt es, das steinerne Messer an sich selbst zu legen, das Fleisch zu kreuzigen, ehe die Israeliten ihre Schwerter gegen die Kanaaniter gebrauchen durften. Vergessen wir nie, daß dieser Bund nicht ein Abkommen zwischen gleichberechtigten Partnern ist, sondern daß der Allmächtige Sich in Seiner unaussprechlichen Liebe und Barmherzigkeit zu uns herabneigt, mit uns den Bund schließt, um uns vor dem ewigen Verderben zu retten. Welches sind die beiderseitigen Vertragsbedingungen? Wir müssen uns restlos Ihm übergeben, um recht frei zu werden (Joh 8,36). Dringen wir nur tief in die Bundesbedingungen ein, so werden auch die damit verbundenen Verheißungen unser sein, denn alles ist euer, sagt die Schrift (Gal 3,9). Fruchtbarkeit in der Nachfolge Christi, die Rettung unseres Hauses, der Besitz des Landes, das in Abrahams Fall noch voller Feinde war, die Fülle geistlicher Segnungen und der bereits erwähnte neue Name (Off 2,17). Alle diese Segnungen sind dem Glaubenden zugesichert, der kindlich Gott glaubt wie Abraham, vor Ihm wandelt und Ihm ungeteilten Herzens nachfolgt. Gottes Beitrag zu diesem Bunde besteht in der Dahingabe Seines Sohnes, der an unserer Stelle starb, denn nur auf diesem Wege kann der Mensch vor dem ewigen Verderben gerettet und des neuen Bundes in Seinem Blut gewürdigt werden. Das ist der tiefste Sinn der Beschneidung der Herzen als Bekräftigung des Bundes, den Gott mit allen Menschen schließen möchte.