Behandelter Abschnitt 1Sam 13,812
Verse 8–12 | Saul ist ungeduldig und opfert
8 Und er wartete sieben Tage, bis zu der von Samuel bestimmten Zeit; aber Samuel kam nicht nach Gilgal. Und das Volk zerstreute sich von ihm weg. 9 Da sprach Saul: Bringt mir das Brandopfer und die Friedensopfer her! Und er opferte das Brandopfer. 10 Und es geschah, als er das Opfern des Brandopfers vollendet hatte, siehe, da kam Samuel; und Saul ging hinaus, ihm entgegen, ihn zu begrüßen. 11 Und Samuel sprach: Was hast du getan! Und Saul sprach: Weil ich sah, dass das Volk sich von mir weg zerstreute und du nicht kamst zur bestimmten Zeit und die Philister in Mikmas versammelt waren, 12 so sprach ich: Jetzt werden die Philister zu mir nach Gilgal herabkommen, und ich habe den HERRN nicht angefleht! Und ich überwand mich und opferte das Brandopfer.
Saul muss sieben Tage in Gilgal warten. Das hat Samuel ihm gesagt. Das soll die große Prüfung werden, so wie die große Prüfung des Glaubens immer die Geduld ist, das Warten auf Gottes Zeit. Vieles von Gottes Werk kommt nicht zu Stande wegen eines ungeduldigen, das heißt, voreilig handelnden Menschen. Es geht darum, dass das Ausharren oder die Ge duld „ein vollkommenes Werk“ hat (Jak 1,4). Das Fleisch ist jedoch un geduldig. Warten fällt uns schwer. Wir haben es oft eilig. Schau mal auf die Autobahn, wo wir als Gläubige dahinjagen, und uns ärgern, wenn uns jemand nicht überholen lässt. Saul kann nicht warten, weil er nichts von dem HERRN in sich hat.
Dadurch, dass er auf Samuel warten muss, wird auch deutlich, dass Sa muel noch stets die wirkliche Verbindung zwischen Gott und seinem Volk ist. Saul, der Soldat, der bereit für den Kampf ist, muss auf den Propheten Gottes warten, der sagen wird, was er tun soll. Saul wartet dann auch. Bis er sieht, dass das Volk beim Verstreichen der Zeit immer ängstlicher wird und beginnt, wegzulaufen. Er sieht sein Heer schwinden. Mit dem Schwinden seines Heeres schwindet auch seine Geduld, auf Samuel zu warten.
Geduld aufzubringen, kann eine Leistung des Fleisches sein. Saul kann es aufbringen, das vorgeschriebene Gebot zu halten, und wartet sieben Tage. Um noch länger zu warten, ist Glauben nötig (Jak 1,3) und den hat Saul nicht. Er befiehlt, dass das Brandopfer und die Friedensopfer zu ihm ge bracht werden, damit er opfern kann.
Obwohl er kein Priester ist, opfert er. Er meint, dass er als König da wohl das Recht zu hat. Es ist eine Tat der Kühnheit. Eine solche Tat ist dem spä teren König Ussija teuer zu stehen gekommen, denn er wird von Gott mit Aussatz an seiner Stirn bestraft. Dieser Aussatz bleibt an ihm bis zum Tag seines Todes (2Chr 26,16-21).
Warum opfert Saul und geht nicht ohne zu opfern dem Feind entgegen? Es scheint, dass er noch einen Anschein von Gottesdienst aufrechterhalten will. So gehen viele Gläubige zur Kirche oder zu dem Zusammenkommen und tun, was angemessen ist, nur um den äußeren Schein zu wahren, wäh rend innerlich nichts ist, was auf den Herrn gerichtet ist. Es ist nur für die anderen.
Als Saul das Brandopfer gebracht hat und im Begriff ist, das Friedensopfer zu bringen, erscheint Samuel auf der Bildfläche. Saul verlässt die Opfer und geht zu Samuel, um ihn zu begrüßen. Er weiß, wie sehr er Samuel braucht, und er ist sich auch bewusst, dass er etwas getan hat, von dem Samuel gesagt hat, dass er es selbst tun wird.
Bevor Saul etwas sagen kann, stellt Samuel Saul die Frage: „Was hast du getan?“. Es ist die Frage nach dem geistlichen Zustand, in dem sich der Angesprochene befindet. Diese Frage soll jemanden dazu bringen, ehrlich mit seinen Taten ans Licht zu kommen. Es ist die zweite Frage, die Gott einem Menschen gestellt hat. Die erste Frage ist an Adam: „Wo bist du?“
(1Mo 3,9). Die Frage „was hast du getan“, stellt Gott Kain, nachdem dieser Abel getötet hat (1Mo 4,10).
Die drei Ausflüchte Sauls zeigen, dass er nicht mit Gott, sondern nur mit den eigenen Möglichkeiten rechnet. Wenn Gott im Denken eines Men schen keinen Raum einnimmt, wird er sich hinsetzen und selbst nachden ken und dann zu rationalen Schlussfolgerungen kommen, die ihn zu ver kehrten Entscheidungen führen.
Er sieht, dass Menschen ihn verlassen. Da sein Vertrauen auf Menschen und nicht auf Gott ist, kommt er zu einer Tat des Unglaubens. Hätte er allerdings den Krieg gewinnen können mit Menschen, die genauso wenig Glauben haben wie er selbst?
Sein Mangel an Glauben wird offensichtlich, als er sieht, dass Samuel nicht zu der abgesprochenen Zeit kommt. Indirekt beschuldigt er Samuel des Wortbruchs.
Seine Augen sind auf die Macht des Feindes gerichtet, wogegen er auf Gott hätte sehen sollen; seine Augen hätten auf Gottes Macht gerichtet sein sollen.
Das Denken des Menschen sucht immer Auswege. Er stellt sich Gott vor als einen Gott, dessen Gunst erst erworben werden muss, als ob es sich um einen Götzen handelt. Saul hat den Mut des Fleisches, das sich selbst zu Taten aufputscht. Er schiebt die Schuld auf die Umstände. Eigentlich sagt er: „Ich wurde gezwungen, so zu handeln, wegen der Umstände. Ich woll te es nicht tun, aber ich konnte nicht anders, als ich sah, dass die Philister gegen mich kamen.“ Wir sind alle geneigt, auf dieselbe Weise zu reden. Wenn wir ein hartes Wort geäußert haben oder eine Dummheit begangen haben oder uns geweigert haben, zu gehorchen, geben wir auch leicht den Umständen die Schuld.
Saul will alle seine Handlungen mit der guten Tat bedecken, die er meint, mit dem Opfern des Brandopfers getan zu haben. Heuchler legen großen Wert auf äußerliche Handlungen religiöser Art und meinen, sich dadurch von Gesetzesübertretungen freisprechen zu können.